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Arbeiker« Jugend
Zum Bezirk8vorort wurde wiederum Caſſel beſtimmt. “Die Be-
zirköeitung wurde dem Genoſſen Deerberg übertragen. Ihm ſteht ein
Bezitk3vorjtand von acht Perſomen zur Seite. Nach Erledigung einiger
geſchäftlicher Angelegenheiten wurde die Konfereng vom Vorſikßenden
mit dem Wunſche auf eine geſunde und ſtetige Fortentwilung der Ar-
beiterjugendbewegung geſchloſſen. - u.
" Bei unſeren Genoſſen im Bezirk liegt e8 nun, nah den Richtlinien
und Anregungen für ein friſches und frohes Leben -in den Vereinen zu
ſorgen -und überall die Gründung von. Jugendvereinen zu veranlaſſen
und zu fördern. Alle Ausfünfte erteilt der Bezgirköleiter Genoſſe Deer-
berg, Caſſel, Bahnhofſtr. 10.
B Zur wirtschaftlichen Lage A
Reaktionäre Handwerksmeiſter.
Vor kurzem faßte der Innung3ausſchuß der Stadt Cottbus einen
Beſchluß, die geſezlichen Stellen zu erjuchen, die Lehrlingsarbeitszeit
zu verlängern und die Fortbildungsſchulzeit außerhalb der Arbeitszeit
zu legen: Zu dieſem Beſchluß erhobew die Lehrlinge der Stadt Cottbus .
in einer öffentlichen Verſammlung Proteſt, den Genoſſe Lehrer Fiſchbach
(Senftenberg) in einem Vortrag eingehend begründete. Innungs35meiſter
und Fortbildungsſchullehrer hatten ſich ebenfalls eingefunden. Galt es
doch die bedrohten "Geldbeutel durch die verkürzte ArbeitSzeit zu retten
und den „Ruin des mdwerks“, der angeblich durch das Mitbeſtim-
mungsrecht der Jugendlichen in Sachen der Fortbildungsſchulſrage ein=-.
treten joll, zu verhüten. 'Als die Handwerksmeiſter jedoch den wohl-
begründeten Vortrag de8 Lehrers Fiſchbach gehört, war ihnen wohl jeder
Gedanfe eines Widerſpruchs genommen, da die grundſüßlichen Fragen
im Intereſſe der Menſchlichkeit auch von ihnewr anerkannt werden müſſen
und ſie verſchloſſen den vorgenommenen Proteſt unter behaarter Männer-
bruſt. Der Referent führte u. a. folgendes aus: Bis zur N«evolution
war die Arbeiterjugend von den Jugendheimen, ſtädnſchen Anſtaltem uw,
aus8geſchloſſen. Der Staat hat ſich wenig uw die Kinder des Volkes
gefümmert. Die Volksſchube wurde exiſt in den letztem Jahren etwas
ausgebaut. BiSher war von leitenden EStellewm der Grunidjſatß aufgeſtellt:
Ie weniger Bildung, deſto mehr grobe Arbeit. Aber ganze Menſchen
follen geſchaffen werden. Dazu ſtellen wir drei Forderungen: 1. Gebt
den Jugendlichen die notwendige Erholung, 2. gebt der Jugend da3
fehlende Wiſſen, 3. gebt ihr den Jugerdſchuß. Meiſter, die ſelbſt das
ſchwere Joch des Lehrling3 getragen. haben, ſie werden am eigenen Leibe
geſpürt haben, wie notwendig dieſe Reformen im JIntoreſſe der Menſch-
Tichfeit find. Die Erholung kann ihr mur geboten werden durch GEGin-
Haltung des Achtſtundentages, dur< Feriem' und Freigabe des Mittwoch
nachmittags. Die Jugend muß auch in ider freiem Zeit hingewieſen
werden auf den Weg der Bildung. Da3 bezwect der Arbeiter-Jugend»-
verein: HLoeſeabenide, DiSkutierabende, Vorträge, Bibliothefen, Spiele,
Geſang und Turnen dienen dort körperlicher und geiſtiger 'AuSbildung,
Das logiſche vernunftmäßige Denken muß gefördert werden. Gs wird
nicht locker gelaſſen werden, bis ein Reichsjugendgeſeß geſchaffen iſt. Wir
fordern b6ſtündige Arbeitszeit für Jugendliche, (GEimzelne Handwerks-
meiſter verfallen in wüſtes Lärmen und Proteſtſchreiem, die Herren: haben
wahrſcheinlich noch nicht e*nmal den 8ſtündigen Arbeit8tag eingeführt,
nun gar noc dem 6ſtündigen. Der Redner iſt ſtellenweiſe gezwungen,
ſeinen Vortrag auszuſeßen, da das Schreien der „Angeklagten“ zu-
nimmt -- die Jugend ſtellte dieſem Gebaren ein Hohn= und Spottlachen
entgegen, was bei vem Temperament aller Jugend ſelbſt dex gewiegteſte
Pädagoge micht hätte vermeiden können) Woltew wir alle Meiſter an-
zeigeru die den Achtſtundentag Übertreten, ſo wäre extra für dieſe albein
ein Staal8anwalt nötig. Zur Abſtellung der Mängel im dem Fort-
bildungsſ<ulen und zur engeren! Verkettung zwiſchem Lehrerſchaft und
Schülern ſollen Schülerräte eingerichtet werden, die im Kuratorium der
Schule vertreten ſein müſſen, Um 6 Uhr gehört Schluß dex Schule, der
Unterricht ſoll in die Vormittagsſtunden gelegt werden, wo Geiſt und
Körper friſch und aufnahmefähig ſind. Wir verlangen gange Arbeit von
Staats wegen. - Wenn die Meiſter in ihrem Proteſt gegen' dem Schuß
der Jugend ſo fortfahren, werden ſie überhaupt Feine Lehrlinge mehr
erhalten. Der Lehrplan muß unter Mitarbeit der Schülerräte und
Lehrerſchaft neu gefaßt iwwerden, Die Rechtſprechung Über die Jugend
bedarf der Reformierung, Erſt mit bem 24. Lebensjalhr iſb der Jugend
Tiche reif für das Gericht = aber nicht für Kerkexmauen, ſondern: für
eine humane Eziehungs3form und Sühne für ſeime Vergehem. Kein Be-
Lagerungs8zuſtand, Ffeim Gefängnis mehr für Jugendliche, ſondern Berufs-
Beratungsſtellen für Meiſber und Jugenbliche ſchaffen. Der frühere
' Staat und der Widerſtand der Handwerksmeiſter waren mit die Hinder-
niſſe, daß die Jugend nicht ſeeliſch den Weg zur Vervollkommmung bes
ſchritt... Raſtlo3 durch Fleiß und' Hingabe an ihr Gewerbe müſſen die
Lehrlinge an ſich ſelbſt arbeiten, dazu gehört ihnen 'die Mithilfe Er=
wachſemrer, =- In der nun folgenden DisSkuſſion weiſt Herr Rektor Richter
die Vorwürfe Des Hexrn Matbermeihſters8 Dome, die ſich im ſeinen
Zwiſchenrufen gegen die Lehrerſchaft richteten, zurü>, Die Lehrer der
Stadt ſcheuen keine Mühe und feine Mittel, ſich ſelbſt zu ergänzen und
- der Jugend ſtändige Berater und Führer zu ſein, Er erklärt ſich mit
den Ausführungen ſeines Kollegen' Fiſchbach einverſtanden. -- Von
fſeitenderU. SP, D, führten Trederund Pröllop künſt-
liche politiſ<e Selbſtſuggeſtionern aus, um die Jugend-
lichen mit ihrer unflaren und uferloſen 'Spandalpolitik zu verwirren,
Ihre Ausführungen gingen. in einem wüſten Chaos von Unruhe und
Proteſt verloren, =- Aus. dem Vorſtand der Arbeiterjugend weiſb Helbig -
entſchieden jedes Zuſammenarbeiten mit den Unabhängigem und Komse-
auniſten zurücd für jeht und die fernſte Zukunft. Wir wollen nicht die
ToUhausſzenen Dieſer Sprecher mitmachen, ſondern aus dem Material
des Vortrages Nükbliches ſchaffen und aufbauen.. Wir bedanken uns für
die Ergiehung durch ſolche „Pädagogen“, -- Ganſc<how gibt Beiſpiele aus
dem Zuſammenarbeiten von Arbeiterjugendſ<ußkommiſſionen und Polizei-
verwaltung, wie die Meiſter ſyſtematiſch troß wiederholter Verwarmung
von den Behörden den Achtſtundentag übertreten und ſogar „Schwaxrxze
Ziſten“ im Umlauf ſeien. Zwei Reſolutionen werden ein-
ſtimmig angenommen, die eime beantragt die baldige
Cinführung der Schülerräte und deren Vertretung
in den Kurätorien; die zweite die Ausarbeitung
eines Jugendſ<hubgeſetßes von Reichs wegen, ſie legt
gleichzeitig Proteſt ein gegen den Beſchluß der Cott-
buſer Innung35meiſter betr. Verlängerung der Ar-
beit8zeit der Jugendlichen und Lehrlinge.
. R :
Lehrlinge aufs Land -- in Oeſterreich!
Wie aus Wien gemebdet wird, findet die im Vorjahr von ds&n
Krankenkaſſenverbänden und den Gehilfenausſchüſſen begonnene Aktion,
wodurc< mehr als tauſend Lehrlinge im vorjährigen Sommer im Ba-
ra<enlager in Mähriſch-Trübau angenehme Erholung fanden, ihre Fort«-
jebung und Erweiterung. Vorläufig wird zu dieſem Zwec> ein Teil des
großen ehemaligen Flüchtlingslagers in Gmünd benußt werden. Schon
durch die Einrichtungen des Lager3 ſelbſt wird der Aufenthalt der Lehr-
linge noch viel angenehmer als in Mähriſch-Trübau geſtaltet werden
können. Am füdlichen Rand des Lager3, in den ſogenannten Wald»-
barad>en, können 500 bi3 600 Perſonen Unterkunft erhalten. Jede Ba-
raXe beſteht aus einem Vorraum, der als Tagraum für die Pfleglinge
benußt werden foll, und aus zwei geräumigen Schlafſälen, die den ge»
ſundheitlichen Bedürfniſſen vollkommen enbſprechen. Im Lager ſelbſt
befinden ſich eine eigene Bäckerei, Fleiſcherei und Dampfwäſcherei, die
natürlich auch den Lehrlingen zur Verfügung ſtehen Erwähnens5wert
iſt auch noch das tadello3 eingerichtete Spital, welches ebenfalls zur Be-
nußung geſtellt werden wird. Der KüchenLletrieb wird gemeinſam mit
- den Kiniderfreunden, die ebenfalls einige hundert Kinder zur Grholung
hinausſenden, gefährt werden. An das Lager grenzt ein herrlicher Nadel-
wald mit einem großen Teiche, der dem früheren Erzherzog Hubert .
Salvator gehörte und ſelbſtverſtändlich von der erholungſuchenden Ju-
gend benubt werden wird. Auch vine große Spielwieſe iſt vorhanden.
53 iſt zu erwarten, daß viele Tauſende Lehrlinge und jugendliche Ar-
beiter des Genuſſes ciner wahren Erholung teilhaftig werden, -- Soweit
die vſterreichyc<e Meldung, viuch in Deutſchland müßten ähnliche Gin-
richtungen geſchaffen werden, denn e3 genügt vatürlich nicht, daß die
Lehrlinge und jugendlichen Arbeiter ausreichenden Exrholungsurlaub ex-
halten, jondern es muß ihnen auch die Gelegenheit gegeben. werden, auf
dem Land, im Gebirge, an der See dieſen Urlaub möglichſt zwedent-
ſprechend, d. H. zur ausgziebigſten körperlichen und geiſtigen Kräftigung
auszunußen, 127
Frage.
Schier jede Höhe ward erſtiegen,
Erforſcht bald jeder Tiefe Grund,
Doch wo des Unglücks Grenzen liegen,
Das ward noch keinem Menſchen kund.
Auf jedes Leid in deinen Tagen
Folgt noch ein größres, nie zu dir
Und deinem Herzen kannſt du ſagen:
Ich ſeh ein Ziel der Sorgen hier.
Ein Führer kennt des Waldes Stege,
Der Fährmann ſeines Stromes Lauf,
Doch wer kennt, Schickſal, deine Wege,
. Wer hellt -des Lebens Irrſal auf? Hermann von Lingg.
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DRSF 48 BELGIEN ' EN SOCPCHSEH O7 EE:
Diktionär (frvanz.), Wörterbuch.
Grempifiäieren (vom lat. exemplum, das Beiſpiel), durch Beiſpiele bes
weiſen. “
Inſtinkt (lat, „Anreizg“), Naturtrieb.
Kategorie (griedh.), Begriff, Gattung,
Reagieren (lat.), rüdwirken.
Skrupellos, ohne Bedenken, rüdſichts8lo3,
Symptom (griech), Anzeichen, Kennzeichen.
Trucſyſtem (ſprich: trö>k-, vom engl. Tru, „Tauſch“"), das Verfahren,
Arbeiter nicht mit barem Gelde, ſondern durch Waren (namentlich
aus einem vom Arbeitgeber unterhaltenen Laden) zu entlohnen.
„TE EESTI aA STETS OUTS OE OATIEUS SAUEN SYED SITÜTOS OTITIS OTTER SSETTDN TEG ANDE DT OD OD oE a
Redchtzeifig erneuern PETuenr das die z = „Albeiter-Jugend"
alle unſere jungen Freunde und Freundinnen, die nicht wollen, daß in
' der Weiterlieferung eine unliebſame Unterbrechung eintritt.
EE AE dE EE dE a a ab ede deb ie gw vv a dB ae be edi
- Berantwortlich für die Redaktion: I. V.: R, Lohman
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nn, => Verlag: Heinr. Schulz (Hauptvorſtand de8 Verbandes der Arbeiterjugendvereine Deutſchlands), =“ Dru: Vorwärts
Buchdruckerei und Verlagsanſtalt Paul: Singer & Ca, Sämtlich in Berlin, . SIE