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Arbeiter- Iugend
20 Lehrlinge und jugerdliche Arbeiter und Arbeiterinnen beſchäf-
tigt ſind, AusSſ<üſſe für Lehrlinge und jugend-
li<he Arbeiter und Arbeiterinnen geſezlich anzu-
ordnen ſind. Eine Beſtimmung dieſer Art muß in den Geoſckent-
wurf hineinverarbeitet werden. In Betrieben, in denen weniger
als 20 Jugendlich)» beſchäftigt ſind, ſollen dieſe einen Vertrauens-
mann wählen. Die Ausſchüſſe bzw. Vertroatenöleute haben die
Intereſſen der Lehrlinge und jugendlichen Arbeiter u vertreten
und ihre Wünſche und Fowerungen za formulieren. Im Geſeß
muß feſigelegt werden, daß bt Regelung aller Fragen, die die
Lehrlinge, die jugendlichen Arbeiter umd Arbeiterinnen betreffen,
dicſe Ausſchüſſe oder Vertranens8leut mit heranzuziehen ſind, vor
allem aber, daß ſie vorher gehört werden
müſſen. Ebenſo ſollen ſy bei der Ueberwachung und Durd-
führung des Jugendſhubes mitwirken.
Da die Jugendlichen kein Wahlr<cht haben und noch weniger
als BetriebSräte gewählt werden dürfen, die Wählbarkeit erſt vont
24. LebensSjehre an möglich iſt, ſo iſt dies das Mindeſte, was
ſie verlangen können. Wir hätten von der Regierung erwartet,
daß ſie, zumal ihr die c«rwähnte Denkſchrift zugegangen iſt, die be-
rechtigten Jorderungen der Jugemd als ganz ſolbſtverſtändlich mit
in dem Goſezentwurf hineingebracht hätte. Hoffentlich wird: dies
Verſäumnis numnmehr ſchleun;gſt nac<geholt, damit das Betricb8-
rätegeieß anch der arbeitenden Jugend div Möglichkeit gibt, 7 ihre
berechtigten Intereſſen wahrzunehmen!
S7
Die erſfe Periode
der deutfichen Arbeikerbewegung.
Von A. Conrady. (Foriſekung.)
zz annover hatte j<on vor der Julirevolution gewiſſe Anfäße zit
yy gewerfichaftlicher Betätigung aus zuweiſen gehabt. In vielen
“7/7 Stadien des Königreichs, wie überhaupt Norddeut) Imlands
exiſtierten jon in den zwanziger Jahren halbziinftleriſche Organi-
ſationen von Maunrergeſellen, die in äußeren Formen an dio mittel-
alterlichen Geſeilenverbände ankniipften, aber ſchon viel vom Cha-
rakter moderner Koalitionen an fich hatten, boſonders38 auf Negelung
von Löhnen und Arbeitszeit abzielten und vor Kämpfen niit den
Moiſtorn nicht. zurücſchreeten troß aller behördlichen Maßregeln
gegen jolche unerlaubten Verbindungen. Necht rührig waren die
Bamarboiter zeitweilig 3. B. in Hamburg, wo überhaupt wicderholt
Negungen der Gejellenſchaften ſchon ſoit den zwanziger Jahren feſt-
zuſtellen ſind. Au in den Bewegungen, die auf die Julirevolution
and) in Hamburg folgten, fehlte es nicht an einem prolet ariſchen
Element. Urſprünglich gingen die Hcnburger Soptemberkrawalle
von 1830 von einer Indenheße aus. Aber die Dinge nahmen d dann
Der ungehobene Shaß.
Von H. Salzmann.
olange Menſchen auf Grden wallen, ſolange beſteht auch die Sucht,
E Schäße zu erwerben. Dieſe3 Beſtreben iſt in dex Natur des
Menſchen, ein möglichſt ſorgloſe3 und von jedeim Zwang befreites
Leben zu führen, begründet. Heute, wo der Menſc< in der Erkenntnis
der LebenSiverte und der Leben38möglichfeiten gewaltig Fortſchritte ge-
macht hat, iſt die Sucht auf eine gang andere Baſis geſtellt, als das
in der Vorzeit mit vhrer Unwiſſenheit der Fall war. Wir haben ex-
kannt, daß der Wert des Leben3 in der Arbeit verankert iſt und daß
materieller Wohlſtand ſowie Geiſtes» und Seelenkultur des einzelnen
wie ganzer Völker einzig und allein von der Intenſität und Produkti-
vität de3 Wirtſchaft8progeſſes abhängen. Die Arbeitöergiebigfeit wird
ihre höchſte Stufe erklimmen, wenn die Ausbeutung des Menſchen durc
den Menſchen aufhört und der Menſch im Menſchen den Bruder und
die Schweſter erbli>t. 'Die Vorbedingung dazu, die Not, die den
Menſchen auf den Menſchen anweiſt, iſt heute durch die rieſenhafte Zer-
ſtörung von Wirtſchaft8werten in den vier langen Krieg3jahren mehr
denn je vorhanden. Sie wird auc< lezten Endes die Schranke ver
Bildung 'beſeitigen. Damit iſt die Perſpektive der lichtvollſten LebenZ2-
ausweitung gezogen.
Im ümgekehrten Verhältnis entrollt ſic das Bild, wenn wir den
Bli> in die Vergangenheit ſchweifen daſſen. Je weiter zurück, um ſo
troſtloſer das Blickfeld. Um die Verelendung der Maſſen war e3 noch
vor 50 Jahren äußerſt ſchlimm beſtellt. Das Wiſſen war demgemäß
gleich Null. Sekrbhſt in der beſikenden Klaſſe ſah e3 damit windig au
Nur einige wenige erhoben ſich über den allgemeinen Tiefſtand, be-
ſonders auf dem Lande, In dieſer Finſternis trieben Geſpenſter- und
Aberglauben, die von einer geſchäftsrührigen Geiſtlichkeit ſtark geſchürt
IT. Die Deutſchen in Paris und die Anfänge des
"die Schaßinhaber nunmehr ein glänzendes Leben führten,
weiterhin einen anderen Verlauf, und u. a. ſpielen die Ewerführer-
knec<hte eme große Rolle bei den Vorgängen. Dies war nicht zu-
fällig. Sie lagen nänmtich nut ihren „Baayen“ un Streit, bei dem der
Senat die Partei der Arbeitgeber nahm. Sonſt ſind von Hamburger
proletariſchen Regungen dieſer Zeit beſonder3 intoreſſant die An-
fänge einer im weſentlichen modernen Arbeiterkoalition, des Vereins
der Haartuchweber, an deſſen Spiße „zakob Audorf ſtand, der Vater
des Dichters der Arbeitermarſeillaiſe. Jn den Nöten, die mit der
Kriſis von 1827 in Zuſammenhang ſtanden, empfanden die Weber
die Schwäche, die in ihrer Vereinzelung lag, und klagten darüber,
daß ſie keine Zunft hätten. Audorf aber machte ihnen klar, daß ſie
nicht Zunft brauchten, ſondern Einigkeit. Schon in den Zeiten hald
nach der Julirevolution betätigte ſich die junge „Vereinigung jo Ciicr-
giſch, daß Audorf und mehrere andere etliche Tage brummen m
ten, und weiterhin in den drei ißiger Jahren ging man auch ſchon
zur Arbeitzeinſtellung über. Die Vereinigung bezwecite aber nicht
nur den nächſten materiellen Vorteil ihrer Mitglieder, jondern trin
auh gewiſſe Befreiungs8gedankon in ſich. ach Anudorfs Zeugnis
lebte in ihren Mitgliedern der Gedanke de8 Menſc<enbrüdertums.
Ihe Bundeslied verlangte Beſeitigung jeder Sonderung, die den
Menſchen vom Venſc<en trenne, umd erklärte die Eintracht aller für
das erhabene Ziel, Hit zeigte ſich offenbar das Streben, den dunklen
Drang inſtinktiven Widerſtandes gegen Druck und Ausbeutung fort-
zubilden zum laren Bewußtſein, von bloßen Zorne3- und Bor-
zweiflung8ausbrüchen fortzuſchreiten zu planmäßiger Aktion. Prole-
tariſche Froiheit3ideale kommen in Sicht, und ces eroffnet ſich ein
Anusblick auf eine Arbeotterpott tif, die dann im Lauf der dreißiger Jahre
zuerſt verſucht worden iſt, au8Sgehend vom bürgerlichen Radifalismus,
Im Jahre 1835 veröffentlichte der Münchener Philoſoph Bader
eine Flugſchrift über „das Mißverhältnis der Vermögenslojen odor
Prolotair8“, worin er Ordnung der Arbeiterverhältniſſe dur< den
Staat verlangte. Cr prophezeit darin, daß die ſozialen Frag2?n fiir
die moderne Welt bald noch mehr bedeuten würden als die politi»
ſßen. Inſoweit ex vorausſah, daß die Arbeiterfrage tim den Vordeor-
grund des Intereſſes rüden werde, hatte er recht. Er irrte nur,
wonn er ſoziale und politiſche Fragen in Goegenſaß ſtellte. Als er
|D rieb, war eine Borhut von dentſchen Arbeitern ſchon im Begriff,
oziale und politiſche Fragen in eins zu ſetzen, eint ſelbſtändige Ar
bo/terpolitit zu erſlreben.
Bundes dex
Gerechten.
Nach den Bewequngen, die ſich ummittelbar an die Julircvolu-
tion anſchloſſen, war der nächſte epochomackende Vorgang in der
Goſchichte dor deutichen Greiheitskämpfe das Hambacher eſt
vom 27. Mai 1832. Dieſe aroße Kundgebung für deittſche Freihoit
und Einheit im Sinue der Mepublif und fitr Blkervortändinung
war bürgerlid)- domokratiſcher Natur. Das gilt für die ganze radiale
Bewegung, die im Hambacher Feſt gipfelto, gilt auch für die Preß-
vereine, in denen. ſie ſich zu organiſieren juchte, und für ihr Hainpt-
preßorgan, die Wirthſche „Tribiine“. Aber gerade diefe Zeitung
wurden, die ippigſten Blüten, Ganz beſonders in den breiten Volk3-
ſchichten. Da aber die Sehuſucht nach einem gewiſſen Wohlleben ſtändig
wad) war, ſo erging ſich nach dieſer Richtung hin die Phantaſie in den
ſpukhafteſten Vorſtellungen. Das Schaßgraben wurde vielfach als das
Mittel angeſehen, ungeahnte Reichtümer zu erwerben. G38 kam nur
darauf an, die Pläße in Erfahrung zu bringen, wo Schäße vergraben
ſein ſollten. Hatte man dieſe Wunderkeller entde>t, dann galt es, an
die Hebung heranzugehen. Das war aber nicht ſo leicht getan wie
gedacht. Denn die Schäße wurden nach dem Volksglauben von unſicht-
baren Geiſtern bewacht, die nicht mit ſich ſpaßen ließen. Und. mancher,
der zum Schaßgraben ausgezogen war, hatte ſtatt des Schaßes ein un-
liebfjames Andenken mitbekommen. Ja, es warten ſogar, wie es hieß,
Todesfälle zu verzeichnen. Um die Geiſter zu beſchwören und geneigt
zu machen, mußten allerlei Bedingungen erfüllt werden.
Sie beſtanden darin, daß der Hebungs2akt nachts ziviſchen 11 und
12 Uhr vorgenommen wurde. Sprechen durfte däbei keiner der Beteilig-
ten, ſelbſt. auf dem Wege dahin nicht, In manchen Gegendemw waren
tagelang vorher beſtimmte Gebete und Kaſteiungen vvrgeſhrieben und
dergleichen mehr... Natürlich waren zu gleicher Zeit im Volke Erzählun-
gen verbreitet, daß hier und da ſolche Schäße gehoben worden ſeien und
Das reizte
gewaltig an.
So war es auch in dem hannoverſchen Dorfe, in dem ich geboren
bin, JO war damals zehn Jahre alt, als dcr Wunderglaube noch in
volſer Blüte ſtand. E35 ging die Yiär um, daß unter zwei alten Apfel-
Läumen, die im freien Felde ſtanden, ein großer Schaß. vergraben liege,
So groß nun auch der Begehr nad) ſeinem Beſitze war, ſo traute ſich
aus den vorhin genannten Gründen doh niemand recht an die Auz-
führung der Hebung heran. Schon ſchien 23, als ob dex Schaß unoan-
getaſtet bleiben ſollte. Doch eines Tage3 fam da38 Unternehmen in
Fluß. An einem Spätherbſtabende waren mehrere Nachbarn in meinem