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Arbeiter» Jugend
rungen auf, alſo 50mal haben die Krähen verſucht, das Ei wegzu-
holen, und hätten an dieſem Tage ficherlich 59 Eier weggeholt,
wenn jedes einzelne ſofort dur< ein friſches erſekt worden wäre.
Die Krähe iſt alſo dur<4 den Terragraphen als ichlimmer Neſt-
räuber entlarvt. Man muß des8halb wohl dem Jäger das Necht
zugeſtehen, dieſen den Bodenbrütern ſo gefährlichen Vogel, wo er
in Maſſen auftritt, abzuſchießen.
Ebenſo weiß Hegendorf nach den Regiſtrierungen und photo»
graphiſchen Aufnahmen ſeines Apparates Neue3 und Wiſſen3werte3
vom Fuch35, von der Waldohreule, vom Trauerfliegenicnäpper und
von der Schwalbe zu erzählen. |
Wird der Terragraph erſt von vielen Naturbeobachtern und
Naturforſchern angewendet, ſo werden ſich daran ſpäter noc manche
Verbeſſerungen anbringen lafien. Auf jeden Fall iſt der Apparat
aber auc<h jept ſchon ein hervorragendes Mittel, der Wiſſenichaſt
wertvolle Feſtſtellungen zu liefern und die Biologie, die Kunde
vom Leben unſerer Tiere, immer mehr zu erweitern.
Solltet ihr, liebe Leſer, auf euren Wanderungen durch Wald
und Feld irgendwelche Drähte, Kabel, Apparate ujw. wahrnehmen,
ſo verleßt ſie nicht. Denkt an ihren wiſſenſchaftlichen Zwe> und
klärt alle Unwiſſenden darüber auf, daß auch ſie jolHhe Dinge in
ihren S<uß nehmen. |
Unjere Abbiidungen ſind mit Erlaubnis des Verlage38 folgenden Werken
entnommen :
Hegendorf. Der Terragraph. Ein Hilfsmittel zur Beobachtung
und Erforſchung der intimen Lebensporgänge freilebender T'ere.
N. Zimmermann. Ciere der Heimat. Beide im Berlag von
Theod. Thoma3, Leipzig, erſchienen,
Praktiſc<er Jugendſchuß.
Bericht der Jugendſchußkommiſſion der Vereinigten Arb'iterjngend Groß-Dre8den,
er Schußloſeſte der Schußzloſen war von jeher der Lehrling und
der jugendliche Arbeiter. Nicht nur fein Lehrherr und Arbeit-
geber, jondern auch die älteren Kollegen betrachten ihn als B.iß-
abſeiter ihrer Launen, erſtere auch vielfach als billige Arbeitskraft, ſo
daß der eigentliche Zwed der Lehrzeit, eimen in ſeinem Fach tüchtigen
Menſchen heranzubiiden, erft in zweiter Linie in Frage kommt. Die
Eltern dieſer jungen Menſchen, als die eigentlichen Wahrer der Jnter-
eſſen ihrer Kinder, verſagen leider meiſten8 -- teils aus Gleichgiüitig-
keit oder aus Unkenatni8 der gefeßlichen Beſtimmungen, teils weil ſie
froh ſind, ihrem Sohn oder ihrer Tochter eine Lehrſtelle verſchafft zu
haben und .von einem Beſtehen auf Einha'tung der geſeßlichen Bes
Jtimmungen nur Nachteil für ihre Kinder befürchten.
Um nun auch unſeren jungen Arbeit3brüdern und Arbeitsſchweſtern
zu ihrem Recht zu verhelfen, rief die „Vereinigte Arbeiterjugend Groß»
Dres3den“ eine Jugendſchußkommiſſion in3 Leben. Dieſer Schriti war
notwendig.
In den wenigen Monaten der Tätigkeit der Kommiſſion liefen 122 -
Beſchwerden ein. Davon betrafen allein 98 Beſchwerden die Ueber-
ſchreitung des geſchlichen Achtſtundentag8. Wegen ſchlechter Behandlung
und zum Teil ſchweren Mißhandlurgen beklagten ſich zehn Lehrlinge.
Mange'hafte Ansbildung und Beſchäftigung mit häuslichen Arbeiten
entgegen den Beſtimmungen der Gewerbeordnung bildete in weiteren
, (Schluß von S. 247.)
Immerhin muß zu Frißens Ehre bemerkt werden, daß er dies
Treiben nicht bis Weihnachten fortſehte. Nein, einige Tage vor der
Beſcherung lag die blecherne Unterhaltung wieder brav im gleichen
Kommodenfach, an gleicher Stelle, in gleicher Lage, wenn auch nicht in
grcicher Verfaſſung, wie ehedem. Nein, in einigen Kleinigkeiten hatte
fich das Spielzeug verändert. Der linke Arm des ſc<warzen Kutſchers
war ausgefugelt, der rechte bewegte ſicy nicht, der Strauß hinkte mit
eiwmem Beine und zog das a.tdere unter die Flügel. „Kaputt“ =- wie
Karl mit leiſer Wehmut im Tone erklärte. „Futſch,“ verbeſſerte Friß
Heinſaut und fah der Beſcherung mit r2gem Intereſſe entgegen . . .
*
Auf den Siraßen flo>te der Schnoe zur Erde, tanzte mückengleich
im Lichte der Gaslaternen, hüllte den WeihnachtSabend in weiße De>en -
ein. Die Vorſtadtgaſſen hagz2n till, verödet. Da und dort flammten
binter Fenſtergardinen gelbrote Chriſtbaumlichter auf und Ruckdäſchel3
ließen die Rolladen über die Geſchäftsfenſter fauſfen, um Chriftbaum und
Beſcherung für den Morgen des erſten Feiertages vorzubereiten,
Herr Rudäſchel lächelte gutgelaunt. Man freut ſich, wenn man
Ruprechts Geſchenke im Kaſten hat und nur auszupa>en braucht . . „.
Frit lag ſchon im Bette, die De>e bis zur Naſe emporgegogen, wie
alle Jahre um dieſe Zeit. Und Friß konnte nicht einſchlafen, wie immer
an dieſem Abend, Gr hört2 die Eltern im die Stube kommen, hörte durch
die dunne Kammerwand, wie der Chriſtbaum klimpernd auf den Tiſch
geſtellt, wie die Kammode aufgeſchloſſen und Pakete ausgeframt wurden,
Hörte Nüffe klappern, vernahm den Ton einer Mundharmonika und ver-
ſant in ſchillernde Träumerzien, im denen Trompeten, Spielgeräte,
Indianerbücher die Hauptrolle ſpielten, Nebenbei waren Nüſſe, Aepfel,
zehn Fällen den Beſchwerdegrund. Wegen Entlohnung unter den be-
ſtehenden tariflichen Vereinbarungen, zum Teil erbärmlich niedriger
Entſchädigung und wegen ungerechtfertigten Abzügen -- für zerbrochenes
Werkzeug uſw: -- gingen fünfzehn Beſchwerden ein. In ſonſtigen An-
gelegenheiten holten ſich acht jugendliche Beſchwerdeführer Rat. .
Dre Jugendichußkommiſſion bemühte ſich in alben Fällen, Abſtellung
de3 Bejhwerdegrundes herbeizuführen, und erledigte, je nach Lage der
Sache, die Beſchwerdefälle perſönlich oder ſhriftiiß. Al3 am wirk-
ſamjſten erwieſen ſich die perſönlichen Vorſtellungen. Auf dieſe Art vor-
zugehen war in 22 Fällen möglich. Auc<h der Schriftwechſel war ſehr
rege; e3 gingen 110 Echriftſtüfe aus und. 43 ein. Der Erfolg der
Tätigkeit der Jugendſchußkommiſſion iſt ein guter zu nennen. Aller-
dings erhielten wir nur in 37 Fällen Mitteilung, daß auf Grund unſeres
Vorgehens die Urſache der Beſchwerde befeitigt worden ſei. Leider
geben uns die Beſchwerdeführer nicht immer Mitteilung über den Ver-
lauf der Angelegenheit, doch iſt anzunehmen, daß größtenteils ein Er-
folg zu verzeichnen war, denn nur in verſchwindend wenigen Fällen
liefen über einen Arbeitgeber ein zweites Mal Beſchwerden ein.
Gegen vier Arbeitgeber, welche beſonder3 hartnädig waren, er-
ſtatteten wir Anzeige beim Gewerbeamt. Dieſes kam uns in allen vier
Fällen bereittwillicit entgegen und ſchaffte Ordnung. In einem Fall
konnte allerdings auch das Gewerbeamt 'nihts ausrichten, da fich der
Arbeitgeber auf den unſozialen Erlaß des Demobilmachung3miniſteriums
berief, wonach die durch den Beſuc<h der Schule verſäumte Arbeitszeit
nachgeho't werden kann, .
Dieſer Erlaß bereitet uns immer die größten Schwierigkeiten, und
es ift die Auffaſſung des Reichsarbeit8miniſter3 zu begrüßen,
wonach die Zeit zum BeſuchderFortbildungs8j] <ule als
Arbeit3ze2eit anzuſchen iſt. E3 iſt aber dringend notwendig,
daß dieſe Beſtimmung GefeBe3kraft erlangt. | .
Gin Meiſter beſaß der Mut, uns auf ein Schreiben, in dem wir ihn
wegen Ausbeutung und Mißhandlung ſeines Lehrling38 zur Rede ſtellten,
wegen Beleidigung zu verklagen. Da wir den Wahrheit3beweis antreten
Foönnten, wurde dieſer Herr: mit ſeiner Klage koſtenpf ichtig abgewieſen.
Wie: manche „Lehrmeiſter“ ihr verantwortung3volle3 Amt auffaſſen,
zeigen folnende befonder38 beachtenswerte Fälle,
- Ein Bäckermeiſter beſchäftigte ſeinen Lehrling täglich gehn bis elf
Stunden, an zwei Tagen der Woche ſogar regelmäßig b:5 zu fünfzehn
Stunden, indem er ihn nach der Arbeitszeit noch Brot ausfahren ließ
Auf unſere Vorſtellung hin erffärte uns dieſer Meiſter, er habe e3 nur
--“ a18 Nücſicht auf die Geſundheit de38 Lehrlings getan, der ſich in der
friſchen Luft erholen ſollte!
Gin braver Schloſſermeiſter, der bei 13--14 Geſellen „nur“ 20 Lehr-
linge beſchäftigte, Tieß die Lehrlinge täglich neun Stunden arbeiten.
Da er aber wahrſihein!ich bei dieſer Lehrling2züchterei noch nicht ge-
nügend verdient, zieht er bei den geringſten Anläſſen, z. B. wern cr ſich
über einen der Lehrlinge geärgert hat, von der geringen Entſchädigung
Strafen ab. So iſt es vorgekommen, daß einer der Lehrlinge, der im
vierten Jahre lernt und wöchentlich 5 Mk. „Lohn“ erhält, an einem Sonn-
abend ganze fünf Pfennige mit nac< Haus nehmen konnte.
AlS ein beſonderer Menſchenfreund zeigte ſich ein Schmicdemeiſter.
Die Arbeitszeit der Lehrlinge währte von früh 2747 Uhr bis abends
7 Uhr. Während der vorgeſehenen Pauſen mußten die Lehrlinge Wege
beſorgen und fonſtige Arbeiten verrichten, fo daß die Arbeitzzeit täglich
ziws.f Stunden betrug. TDas3 'Erziehungs8prinzip des Herrn war: „Je
mchr Prügel, deſto beſſer.“ Beim geringſten Anlaß wurden die Lehr-
linge in3 Goſicht geſchlagen oder mit den Beinen geſtoßen. Sogar mit
einem Ochſenziemer und mit Hammerſtielen übte dieſer Meiſter das
„väterliche Züchtigungsrecht“" aus. Zur wahren Hölle aber ward einem
Pfefferkuchen, Marzipanſchweinchen zu ſehen. Zwiſchen dieſe ſchönen
Gaubelbilder hinein ſchob nur man<mal ein Strauß ſtörend den anklagen-
den Kopf, wiegte dan Schnabel drohend hin und her, wollte nach dem
Friß ſchnappen, wollte ihn beißen -- da fühlte fich plößlich der Junge
durch ein blecherne3 Raſſeln aus vem Halbſchlummer geriſſen , , . Durch
ein blechernes Raſſeln . . . -
Der Strauß!
Friß ſtarrte ins Dunkel, hörte fein Herz unter der De>e pumpern
und ſeinen Vater in der Stub2 draußen hämmern, leiern, brummen. Er
hörte, wie der Vater das Fuhrwerf in Gang zu bringen ſuchte, ſah im
Geiſte, wie der Strauß ſtörriſch das linke Bein unter die Flügel 3og, ver-
nahm wieder zin Knarren und Brummen.-- und fuhr mit der Naſe er-
ſc<roden unter die B2ttde>e. Denn draußen erhob ſich ein Krakeel, der
nicht zur Beſcherung gehörte! Draußen flog etwas Blecherne38 auf Den
Tiſc; und die Stimme des Vaters räſonnierte: „Hexrgottſac>erment!
Berfluchter Ramſch, vermaledeiter!“
„Aber Mann,“ ſang beſchwichtigend aus der Küche h2r Frau Ruc-
duſchel, „fluch doch nicht ſo. Am heiligen Abend! Haſt do<h'3s ganze Jahr
Zeit dazu. .Wa3 iſt denn 1093?“ |
„A<4 wa3, Ramſch verfliicchter!" dröhnte Vater Ruckdäſchel38 Organ.
„Hab ich Dir's nich gleich gefagt? Aber Jhr Weiber wißt natürlich alles
beſſer! Der gottewigie Strauß geht natürlich nichl Und dem Kutſcher
baumelt jchon der Arm! Eh' man den Ranch nach Hauſe bringt, iſt 2r
hon zin . . . Alles Schwindler, dieſe Judenbande! Mit unſerm
Heiland hab'n ſie's auch ſo gemacht." Der Blechſtrauß krachte noch ein-
mal auf den Tiſch. „Bis jetzt hab' ich mir den Spektakel gefallen laſſen
-- aber wehe, wenn Du mir noch einmal bei einem Juden kaufſt, wehel
Gin Kind fo um ſein Spielzeug zu bringen! Judenbande, elendige , . -*
Robert Größſh.