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Arbeiter-Iugend .
== memmrrrs
ſic) auf dem bedenklich wa>kelnden Geſtell im Gleichgewicht zu
Ipalten, und dabei fluchte er fo laut und nachdrüc>lich, daß die bei-
den Hunde unwillfürlic) an die Klopfpeitſche denken mußten, die
unter ähnlichen Gefühlsergüſſen vom; Nagel heruntergeholt zu
werden pflegte. In der Erwartung ider unausbleiblichen Prügcl
kniff Minka den Schwanz zuinſchen die Beine und ſchielte nach dcmnu
Baum herauf, Strolch aber beeilte ſich, fein ſchätgbares Fell zu ret-
tcn und führte einen begeiſterten Indtanertanz auf.
Dem Schüßen war inde38 aller Humor abhanden gekommen.
Er brüllte und zappelte weiter und gebrauchte R'dewendungen, die
zweifello3 dem guten Geſchma> zuwiderliefen. Strol< und Minka
begriffen, daß das Gericht nicht ſo ſchnell über ſie kam, wie ſie ge-
fürchtet hatten, und zogen e3 vor, eine audere Gegend aufzuuchen,
denn mit dm Rehbo>d war es doch vorbei, und» wenn der da wirk-
lich herunterfam, waren peinliche Dinge nicht zu vermeiden. Der
Nimvred ſchimpfte weiter hinter ihnen her, al3 ſie ſich durc< einen
Qupinenſchlag tollten und ein ahnungs8loſe3s Karnickel zu verziwei-
felten Sprüngen nötigten. Dann rutſchte er vorſichtig den Staman
herab umd ſüchte den Fiſcher auf, Aber was die beiden einander
zu ſagn hatten, bleibt beſſer unerzählt
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Benedikt Spinoza.
n alter Zeit bewegte ſic das Denken der Menſchen über die
Welt nur im gleichen Gedankenkreiſe wie das Denken über
die Götter; e8 war rein theiſtiſch oder theologiſch. Das3 nicht-
theologiſche Denken hat ſic) erſtmalig bei dem geiſte8begnadeteit
Volke der Griechen um die Mitte des erſten vor<riſtlichen Jahr-
taufend8 entwickelt. Staatsmänner, Politiker waren es, denen
zuerſt der Zwieſpalt in der auch ſchon bei ihnen gepredigten gött-
ichen Weltordnung auffiel, und die darum an den Göttern, ihrer
Macht und ihrem guten Willen, alles zum Beſten der Menſchen
zu leiten, zu zweifeln begannen. .Sie ſuchten ſich desShalb das
Weſen der Welt, ſowie Zwc> und Aufgabe dcs Menſchen in der
Welt nicht mehr nach Anleitung der uralten prieſterlichen, über-
und widernatürlichen Ueberlieferung, ſondern nac< den Grund-
ſäßen des natürlichen Denkens8, ihrer Vernunft, die ſie auch ſonſt
in ihrer ſtaatlichen Tätigkeit anwenden mußten, zu erklären.
Dieſe Denker nannten fich Philoſophen, Weisheitsfreunde, und
ihre Denkreſultate nannten ſie Philoſophie.
Prieſter und Prieſterfreunde haben nac< Zuſtandekommen
der neuen, der eigentlich erſten „Wiſſenſchaft“, dieſe mit der Theo-
logie oftmals wieder zuſammengearbeitet zu einer ſog. Religions8-
philoſophie --- aber dies iſt eben nicht mehr wirkliche Philoſophie,
die im völligen Gegenſaße zur Theologie entſtanden iſt, kein will-
fürliches Handeln von Gottheiten zuläßt, ſondern vernunftgemäß
alle Erſcheinungen in der Welt auf Regelmäßigkeit (Geſet) und
Einheit zurückzuführen ſucht,
Jreilich kann die Welt nicht aus der reinen Vernunft ab-
ſtrahiert (abgeleitet) werden. Denn was der Menſ< mit ſeiner
Vernunft denken kann, das muß auch erſt die Erfahrung ſeiner
Sinne in den Kopf, in den Verſtand hineingeleitet haben. So iſt
vernünftige Philoſophie alſo ſtet3 von der Erfahrung und dem
ſpeziellen Wiſſen des einzelnen wie der Geſamtheit, der er ange-
hört, abhängig. Und da beiderlei, weil der Menſ< viel Altes
zwar überliefert erhält, aber auc; Neue3 dazu lernt, ſich ändert
und vor allem vermehrt, ſo verändern und verbeſſern ſich auch mit
der Zeit die Philoſophien, die vernunftgemäßen (rationaliſtiſchen)
Weltanſchauungen, di2 natürlich nirgends mit Erfahrungstat-
ſachen in Widerſpruch ſtehen dürfen; ſie kommen der Natur und
der Wahrheit immer näher. Ihr ſtufenweiſes Auſſteigen, ihr
zeitweiliges Stehenbleiben, Verſumpfen und Nückwärt3gehen, bis
heute von den allgemeinen Kulturzuſtänden abhängig, erzählt -
die bändereiche Geſchichte der Philoſophie, deren vortrefflichſte
eine, F. A. Langes Geſchichte des Materiali8mus (in der Reclaim-
Bibliothek erſchi2nen) jeder, der auf Durchſchnitt8bildung Anſpruch
macht, nicht nur geleſen haben, ſondern beſiken ſollte.
- Eines der umfaſſendſten und verſtändlichſten, auch mit keinerlei
Erfahrung in Widerſpruch ſtehenden Syſteme der Philoſophie hat
Benedikt (Baruch) Spinoza aufgeſtellt.
Spinoza iſt einer der edelſten Vertreter der Menſ<heit. In
Amſterdam wurde er 1682 als Abkömmling ſpaniſch-portugieſi-
ſcher Juden geboren. Dieſe hatten ſchon viele Jahrhunderte
früher, als Spanien no< unter der Herrſchaft der bildung8freund-
lichen Mauren ſtand, eine hohe geiſtige Stufe erreicht, hatten
viele Gelehrte, darunter manchen kühnen Kritiker der eignen wie
der fremden Religionen hervorgebracht. In Spinoza lief ihr
Geiſt nochmals in eine hohe Spike aus, Er lernte alles leicht und
darum viel und war zu einem Licht der Synagoge beſtimmt, Aber
ſchon mit zwanzig Jahren wandte er ſi von ihr ab, ohne ſich
jedoc<; zum Chriſtentum zu „bekehren“ =- er iſt der erſte „Kon-
feſſion8loje“. Weder reiche Geldverſprechungen noch der feierliche,
mit den ſchlimmſten Verfluhungen verbundene Aus8ſc<luß aus der
Synagoge, nos auch ein zum Glü> mißratener Mordverjuch eines
Fanatifcrs konnten ihn von der einmal. eingenommenen Stellung
abbringen.
Das erſte größere Werk, da8 Spinoza veröffentlichte, iſt eins
der kühnſten, revolutionärſten Bücher, die je geſchrieben wurden.
E3 iſt der „Theologiſch-politiſche Traktat“. Darin zeigt er, daß
der Bibol, insbeſondere alten Teſtament8, deren Anſehen ſeit der
Reformation bei den Proteſtanten Nordeuropas ins Ungemeſſene
geſtiegen war, keinerlei geſchichtliche Glaubwürdigkeit beizumeſſen,
ihr Zwe>k nur religiöſe Erbauung und moraliſche Beſſerung ſei
-- Weiter aber, daß die geſamte Neligion der Phantaſtik ent-
ſpringe und es keinerlei göttliche Offenbarung, Weiſſagungen und
Wunder gäbe. Er verlangt de8halb vom Staate völlige Ge-
danken-, Schreib- und Neligionsfreiheit, mit der es auch in dem
als religiö38-freiſinnig verſchrienen Holland damaliger Zeit noch
recht windig au8ſah, ferner Trennung des Staate8 von der
Kirche. Die gewaltſame Unterdrü>ung des freien Denkens, ſo
führt er da aus, findet weder im Weſen de8 Staates noch der
Religion ihre Berechtigung; im Staate nicht, weil der es nur mit
dem handelnden Menſchen zu tun habe und daher nichts in
ſeine Gericht3barkeit ziehen könne, wa8 nicht die öffentliche Ruhe
ſtöre = in der Religion nicht, weil dieſe nicht das Wahre, ſondern
nur das Sittliche und Nükßliche zu ihrem Aus8gang38punkt habe.
--- Die Aufklärer der folgenden Zeit haben ſich dieſer ſcharfen
Waffe, inöbeſondere der ſehr ausführlichen Bibelkritik, der erſten
modernen, reichlich und kräftig bedient.
- Spinoza war auch ein ehrlicher und eifriger Demokrat; in
einem freilich nicht fertig gewordenen „Politiſchen Traktat“ hat
er ein ganze3 ſtaatliches Syſtem der Demokratie entwidkelt.
- Der ſtaatlichen Verfolgung entging Spinoza durch ſein per-
ſönlich ruhiges Leben, =- nicht jo, wie bereits erwähnt, der fana-
tiſc<er Volk38genoſſen; auch den Pöbel ſuchte man wiederholt
gegen ihn aufzuregen. Er verdiente ſich ſeinen Leben8unterhalt
durch Schleifen von Gläſern für feine optiſche Inſtrumente und
ſtarb, erſt 45 Jahre alt, 1677 an der Schwindſucht, die er ſich hier-
bei zugezogen. Unterſtüßung dur< reiche Freunde ſchlug er
meiſt aus.
Sein Hauptwerk, „Ethik“ betitelt, in dem er Welt und Welk-
arund, vor allem aber de8 Menſchen Leben3zwec> und -aufgabe
„in geometriſc<er Weiſe“, alſo in ſtreng wiſſenſchaftlicher Form
nach damaligen Begriffen, behandelt, erſchien erſt nach ſeinem Tode.
Darin ſekt er Gott, den ſich die Religiöſen als eine Art vollkommenen
Menſchen vorſtellen, der einzigen, ewigen und unendlichan Subſtanz
oder der allumfaſſenden Natur gleich, Damit wird jede, auch die
rein geiſtige Exiſtenz Gotte38 geleugnet, und Spinoza erſcheint ſ0-
zuſagen al8 der mathematiſche Begründer des Pantheismus --
Ea man ſolche Begründung überhaupt für nötig und möglid)
ält.
Die allumfaſſende Natur offenbart ſich in zwei Eigenſchaften
(Attributen): Ausdehnung (Materie) und Denken (Geiſt); alle
Dinge und alle Jdeen ſind nur Daſeins8weiſen (Modi) der un-
endlichen Subſtanz, außer der e38 kein Sein gibt und. keinen Gott.
Die Natur ſelbſt iſt Gott, und je mehr wir die Einzeldinge er-
Fennen, deſto mehr erkennen wir die einheitliche Gott-Natur. So
iſt der Svinoziamus naturaliſtiich, wahrhaft natürlich. alles Ueber-
ſinnliche aus8ſc<hließend und -- da er die Einheit der Welt betont --
de8halb naturaliſtiſ<er Moni3mus. Dieſer Einheit der Welt
nun in ſich felber teilhaftig zu werden durch Selbſterkenntnis. und
Selbſtbeherrſ<ung, Naturerkenntni8 und Naturbeherrſchung, iſt
das LebenS3ziel des Menſ<en, macht ihn allein glücklich, erfülit
das Gemüt mit einer beſtändigen und innigen heiteren Ruhe.
Dabei iſt die Lehre, „weit entfernt, Entſagung, Bedürfnisloſigleit,
Abkehr von der Welt und der Geſellſhaft zu predigen, erklärt
ganz im Gegenteil auch Sinnenluſt und Weltfreuden =- ſoweit
ſie nicht das Beſſere im Menſc<en beeinträchtigen =- als des
Weiſen vollkommen würdig“ (Stern).
- Dieſe3 ſein Syſtem hat Spinoza auch gelebt, ſich nach keiner-
let äußeren Ehren und hohem Einkommen gedrängt. Der Kur-
fürſt Karl Ludwig von der Pfalz ließ ihm einſt eine Profeſſur in
Heidelberg anbieten unter dem Verſprechen völliger =- freilich
„nicbt zu mißbrauchender“ -=- Lehrfreiheit, aber unſer Philo-
ſoph ſchlug ſie aus, weil er, wie er ſagte, nicht ſah, wie er ſeine
Gedanken mit-dem Chriſtentume nur einigermaßen in Einklang
bringen könne. Für einen öffentlichen Lehrſtuhl eigneten ſie. ſich
in damaliger Zeit wirklich noch nicht, .
Troßdem war die Wirkung von Spinozas Philoſophie über-
wältigend, und ſie wirkt heute noch fort. Bald bekannten ſich die
erlauchteſtew Geiſter der Welt zu ihm. Leſſing -mochte ſi am