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Arbeiter- Jugend
Die Jungen und die Alten.
eſſen müſſen die Aelteren, die älter ſich Fühlenden und reifer
Denkenden ſich wohl bewußt ſein und bleiben: e8 war die Jugend
mit ihrem idealiſtiſchen Feuergeiſte, die die Dämme der alten
Zeit hinwegriß und die einſtigen Gewalten ſtürzte,
Sie war die Glut, aus der die Flamme ward.
Sie war die Welle, die toſende Brandung, die veraltete Stroms-
hinderniſſe zerberſten machte. ,
Sie war da3 Feuer, da3 die Erzmaſſe de3 neuen Freiheit5willens
zur Weißglut und zum Ausſtrömen brachte. ,
Die rote Fahne flatterte in den Händen blühender, glühender
Jünglinge. E38 war, als ob ſie große Mohnſträuße durch reife Felder
trügen. Die ganze Erde leuchtet davon. Schöner al3 Morgenröte, heißer
als die Glut einer Eſſe. Die Welt iſt in das Notiglühen einer Rieſen-
ſchmiede getaucht: Freiheit, Menſchentum, =- nicht Kanonen!
Der Jugend behender Schritt war es, der über tauſend Wenn und
Aber in ein neuc3 Leben ſprang; der Jugend leuchtende Augen ſehen
über Berge von Schwierigkeiten in ihrer Zukunft Reich. Und -- lächelt
nicht, daß e3 heute nur ein Gedankenreich iſt.
Wiſſet: ſie fand eine Welt vor, die keine blühende Erde, ſondern
ein trauriger Leichenſaal war. Und Jugend will jung ſein und alles,
was dem Jungſein Kamerad iſt: Schönheit, Mut, Troß, Neuland! Und
ſie wollte kein Erbe, das die Väter ſelbſt verfluchen mußten. Darum
zerriß ſie zwiſchen Gegenwart und Vergangenheit die Nabelſchnur und
plößlich war eine neue Zukunft geboren: die Zukunft der Jugend!
. «
Nur die Zukunft der Jugend?
Hat nicht eine Generation, die in entſagung8= und opferreichen
Kämpfen zum Manne, ja zum ergrauten Manne geworden iſt, auf diefe
Freiheitstage gehofft und geharrt? Mancher leider vergeblich, da ein
früher Tod ihm alle Hoffnung nahm. Vor ſechs Jahren erſt ſtarb der
ſtärtſte Glaubensgeiſt des .SozialiSmus, ein Auguſt Bebel. Bei der
vaſenden Abgrundfahrt der alten Zeit wurden da nicht zwei gutgläubige
Männerſeelen, ., Jaure8 und Ludwig. Frank, hinweggeſchleudert? Ja,
ein Jean Jaures hätte dies erleben ſollen! Alle unſere „Alten“ ſollten
nur einen Bli>d in die neugewordene, neuwerdende Welt werfen
können! . ou... . Dum SEESEN
Ihrer gedenken, heißt die heutige, ſieghaft. dahinſchreitende Jugend
daran gemahnen, daß ſie die Alten nicht vergeſſen darf, daß ſie ihnen,
ob lebend- oder tot, verpflichtet iſt. Nicht . im Sinne des hergebrachten
Verhältniſſes wie zwiſchen Eltern und Kindern, ſondern im Sinne des
künftigen Verhältniſſes: Vertrauen und Kameradſchaft!
Die Alten ſollen ſtolz ſein auf eine Jugend, die -- wie einſt ſie
ſelbſt! -- freudig und mutig dem Ziele entgegenſchreitet, Die Jugend
aber ſollte ſich freuen, die Reife und Erfahrung de3 Alters auf ihrer
Seite zu haben. Verſtand und Erfahrung ſind das Gehirn de8 organiſch
bauenden Lebens und Gemeinſchaft8weſen8, das Herz aber iſt die
Triebkraft.
Herz und Hirn!
Iugend und Alter! Schließt euch enger zuſammen als je! Herz
und Hirn müſſen gemeinſamer ſein als je! |
Die Freiheit, der Soziali3mus rufen alle Herzen und Hirne, die
frei. ſchlagen, frei denken. -
-. Denn die Welt iſt im das Rotglühen einer Rieſenſchi>dſal3ſchmiede
getaucht. Die Zukunft iſt unter Schmerzen geboren, der Menſchheit
wahres, waches Leben beginnt! Julius Zerfaß.
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Sämtliche hier empfohlenen Werke find von den Parteibuchhandlungen am Wohnorte
des Abonnenten, von den Parteikolporteuren und von der Buchhandlung Vorwärts
(Berlin 3W. 68, Lindenſtr, 3) zu beziehen... .-
. Philipp Sc<heidemann, „Zwiſchen den Gefechten“. Berlin. Verlag
für Sozialwiſſenſchaft. 160 Seiten. Preis 10 Mk. H
Wenn- ein Politiker ein belletriſtiſches. Bauch veröffentlicht, pflegt
man es kritiſcher zu leſen, al38 wenn es von einem andern Sterblichen
herrührte, Denn gerade von dem Politiker .macht man ſich. ganz Le-
ſtimmte Vorſtellungen; ſeine Parteiſtellung ſtempelt ihn: gewiſſermaßen
ab; ſein ganzes öffentliches Auftreten hat ihn in der Ginſchäßung durch
das Publikum zu einer erſtarrten Form werden laſſen: Je mehrsſolch ein
Volksmann im Vordertreffen des öffentlichen Alltagskampfes ſteht, einer
deſto einſeitigeren Beurteilung pflegt er auch zu unterliegen. Das- gilt
für Freund und Feind, Und doch iſt dieſe Einſeitigkeit. etwas Schiefes
und Ungerechtes, Denn auch der Politiker. iſb erſten und lekßten. Endes -
ein Menſ< -- ein Menſch mit ganz ausgeſiprochenen Schwächen und
Vorzügen, über die ſi< die anderen Mitmenſchen aufrichtig' freuen
?önnen, wenn der damit Behaftete ehrlich genug iſt, ſihß zu ihnen zu
ekennen.
- Dieſe Ehrlichkeit beſibt in hohem Maße Philipp Sheidemann. In
ſeinem neuen Buche drängt er ganz den Volk8mann, Kämpfer und
Politiker in den Hintergrund, als welcher er Jahrzehnte in der wvor-
derſten Reihe der Sozialdemokratie -- und in den lekßten Jahren:
unſeres ganzen Öffentlichen Lebens -- geſtanden. Al8 Menſ< tritt
er uns entgegen; ſeine Erinnerungen, die kleinen Erlebniſſe feiner
Jugendzeit, Geſchehniſſe aus ſeinen reiferen Jahren, zeichnet er. Viel
hat er uns zu erzählen. Der kleinen Stationen auf ſeinem Leben3-
pfade gab es nicht wenige. Meiſt ſind es belangloſe Harmloſigkeiten,
die er zu berichten hat. Das Tatſachenmaterial an und für ſich, das
"er uns vorlegt, iſt es denn auch nicht in erſter Linie, was uns feſſelt.
Die Art, wie er erzählt, nimmt uns vielmehr gefangen. Denn dieſe
Art zeichnet ihn als Menſchen. Mit einem goldigen und unverwüſt=
lichen Humor perſchönt er den trübſten Alltag. Niemals verlangt er
von den Menſchen und den Dingen mehr, als ſie zu geben vermögen,
So kann er denn auch niemals große Enttäuſchungen erleben. Dieſe
ſonnige Veranlagung und Lebenzauffaſſung müſſen ihm die Wege
ebnen und die Bahn frei machen, die ex als Menſch und Volk8mann
fich zum Ziele geſteckt hat.
Wer den Politiker kennt, kennt darum no< nicht den Menſchen,
Aber wer den Menſchen kennt, wird den Politiker verſtehen: das gilt in
ganz hervorragendem Maße für Scheidemann. Sein Buch gibt uns
nah dieſer Richtung vielſeitigen Aufſchluß; es iſt in drei Abſchnitte
gegliedert: „Caſſjeläner Jungen“, „Plaudereien“, „Amerikafahrt“. Aller-
lei Epiſoden aus ſeinen Jugendjahren ſind in launiger, mundartlicher
Form im erſten Teile wiedergegeben. Die zweite Gruppe - enthält
längere und fürzerc Erlebniſſe, die ſich ven Erfahrungen des ſozial-
demokratiſchen Agitator3 beſonder3 ſcharf einprägten; eine ganze Ans-
zahl von dieſen Skizzen iſt in der „Arbeiter-Jugend“ abgedruckt worden.
In der „Amerikafahrt“ ſchließlich ſind die Eindrücke eines Landfremden
feſtgehalten, der zum erſten Male die Länder der Union zu Geſicht bekam.
Auf Einzelheiten des Buches können wir hier nicht weiter eingehen;
man muß es ſc<hon ſelbſt leſen, um zu einem Urteil zu kommen. Na=-
mentlich junge Leute ſollten ſic) an ſeine Lektüre heranmachen: ſie
werden lachen, ſich unterhalten und lernen! Sie werden Philipp Scheide-
mann, den ſie im allgemeinen doch nur als Verſammlungsredner und
al38 Politiker aus Zeitungs8berichten kennen, auch als Menſchen kennen
lernen: und zwar als einen Mann, der kein Freund von Traurigkeit iſt,
der bei einem guten Spaß gern mittut und allzeit beſtrebt war, mit
ganzem und vollem Herzen das wahr machen zu helfen, was ihm ſein
Hirn al3 richtig und erſtrebens8wert hinſtellte. gl.
Kr
Adventſklied.
War alle Luſt geſchwunden,
Verklungen jeder Vogellaut,
Kaum, daß für kurze Stunden
Durchs Grau der Tag geſchaut.
Ringsum nur ſtarrer, weißer Schnee,
Tief lag die Welt in Weh.
Da kam in kaltem Stalle,
Erzählt das Volk, ein Kind zur Welt,
Das hat die Herzen alle
Mit neuem Licht erhellt.
Die Wärme ſeiner Menſc<lichkeit
Erlöſte alles Leid. |
Die Zeiten ſind verſtrichen,
Jahrtauſend um Jahrtauſend ſchon,
Der Glaube iſt gewichen,
Die Sage klingt wie Hohn.
Rings wieder kalter, weißer Schnee,
Tief liegt die Welt in Weh.
Doch wollt ihr ſchärfer ſchauen,
. Taucht aus der Sage ſeliger Sinn,
'5 Kiegt kfühnes: Weltvertrauen
Und frohe Wahrheit drin.
Ob: Weh und Nacht, ob Schnee und Not,
Ein Stern hat ſtets geloht.
Aus Winterfinſterniſſen
Keimt ſtolz und ſtark der Lenz heran;
. Aus allen Kümmerniſſen.
Bricht ſich. Erlöſung Bahn.
. Liegt auch noch tief in Weh die Welt,
Nicht lang, iſt ſie erhellt. -
“ Uns hat die Zeit erkoren, -
Im Kämpf zu bannen Not und Nacht,
Es ward"in- uns geboren
-“ Die neue. Heiläandsmacht.
: Der Geiſt in uns und unſer Arm
Erlöſt die Welt von Harm, Joſeph Luitpold.
Verantworllich ſür die. Redaktion: Karl Korn, -- Verlag: Heinr. Schulz (Hauptvorſtand des Verbandes der Arbeiterjugend-Vereine Deutſchlands). =- Druc>k: Vorwärts Buchdruckerei
nd Verlagsanſtalt Paul Singer & Co.
Sämtlich in Berl