Full text: Arbeiter-Jugend - 11.1919 (11)

 
 
Erſcheint alle 14 Tage 
Preis der Einzelnumuamer. 20 Pfennig 
Abonnement vierteljährlich 1,-- Mark 
Eingetragen in die Poſt- Zeitungsliſte 
Nr. 5 
Berlin, 8. März 
  
 
Expedition: Buchhandlung Vorwärts, Paul 
Singer G. m. b. H, Lindenſtraße 3. Alle 
ſchiiften für die Nedaktion ſind zu richten 
an Karl Korn, Lindenſtraße 3, Berlin SW. 638 
 
Neues Leben in unſerer Jugendbewegung! 
atmet förmlich auf, daß die ſchier unerträgliche Starre des 
Stillſtandes vorüber iſt. Die viereinhalb Jahre Krieg waren 
uns eine Ewigkeit, und nit fieberndem Herzen ſehnten wir den 
Tag der Erlöſung herbei. Nun iſt er endlich gekommen, und der 
eiſige Bann fällt von uns. 
Neue Kräfte regen ſich überall. Der Wiederaufbau unſerer 
Jugendbewegung beginnt. Wo die8 noc< nicht geſchicht, muß 
ſchleunigſt ans Werk gegangen werden. Denn die Zeit drängt, 
und was man jekt verſäumt, läßt ſich vielleicht nie wieder nach- 
jolen. 
- Alt und jung müſſen heran. Die Alten brauchen wir, weil 
ivre Erfahrung und ihr Wiſſen für unſere Arbeit von großem 
Nußen ſind, und ferner, weil wir in ihnen die Vertreter der er- 
wachſenen Arbeiterſchaft ſehen, auf deren Unterſtüßung wir in 
Zukunft mehr denn je angewieſen ſind, 
Die eigentlichen Träger der Bewegung können freilich nur die 
Jugendlichen jein. Ohne ihre freudige, begeiſterte Mit- 
wirkung iſt an eine erfolgverſprechende Arbeit nicht zu denken. 
Sie ſind das tatenſroho, vorwärtstreibende Element. Sie bringen 
Leben und Scävung in div Bewegung. Darum heißt e8: Jugend 
voran! 
- Die Zeit iſt jo günſtig wie noch nie für die Verbreitung 
unſerer Ideen. Was das arauſige Erleben des Krienge3 noch nicht 
vermocht hat, das haben die Revolutionsſtiirine getan: ſie haben 
die Menſchen wachgerüttelt und empfänglich gemacht für die Auf- 
nahme des neuen ſozialiſtiſchen Geiſtes. Die Jugendlichen ſowohl 
wie die Erwachſenen hungern nach Aufklärung. 
Damit iſt uns unſere Aufgabe vorgezeichnet: 
aufflären und organiſieren. 
Zunächſt kommt es darauf an, daß wir unſere Jugendbewegung in 
all den Orten wieder aufbauen, in denen ſie während des Krieges 
eingegangen iſt. Bei Krieg3beginn zählten.wir 837 Orte, in denen 
wir Jugendausſchüſſe hatten; bei Krieg3ende waren e8 nur noh 
etiwa 250. Alſo eine Nieſenaufgabe, die vor uns liegt! Aber 
darüber hinaus gilt e8, mit unſerer Aufklärungs8arbeit bi8 in das 
fernſte Dorf ZU dringen und das Banner der Arbeiterjugend zu ent- 
falten. In erſter Linie kommen natürlich jene Orte in Betracht, 
in denen unſere Partei- oder Gewerk? ichaftsorganiſation Ichon Ein- 
gang gefunden hat, weil damit unſerer Tätigkeit ein feſter Rück- 
halt gegeben iſt. 
Dann müſſen wir verſuchen, in allen Orten, in denen wir ein- 
mal Fuß gefaßt haben, vorwärt8 zu kommen und unſere Reihen 
zu verſtärken. Hierdurch eröffnet ſich uns ein ungeheure3 Tätiä- 
feitSfeld, denn e3 handelt ſich um Millionen Jugendlicher, die wir 
nod) zu gewinnen haben. Die Agitation muß planmäßig betrieben 
werden. A1S3 beſonders erfolgreich hat ſich in leßter Zeit die B e - 
trieb3agitation erwieſen. Mit Hilfe der Arbeiterräte oder 
der gewerkſchaftlichen Vertrauens8lonte verſuchen wir in Fühlung 
zu treten mit den Lehrlingen und jugendlichen Arbeitern in den 
Fabriken. Wir laden ſie zu bejonderen Betrieb8beſprechungen ein, 
erörtern mit ihnen alle jene Fragen, die ihnen beſonders am 
Herzen liegen, und ſuchen ſie gleichzeitig für unſere Bewegung zu 
- gewinnen. 
: Notwendig ſind auch von Zeit zu Zeit öffentliche 
Zugendverſammlungen, die zu den brennenden Jugend- 
JT unjre Jugendbewegung kommt neue38 Leben hinein. Man 
wir miſſen 
fragen der Gegenwart Stellung nehmen. Daneben darf natürlich 
die HauSsagitation nicht vernachläſſigt werden. Schon jett 
müſſen 3. B. auch die Vorbereitungen zur 
Oſteragitation unter den Schulentlaſſeuen 
getroffen werden. Agitation5material, insSbeſondere geeignete 
Flugblätter, ſtellt die Zentralſtelle den Jugendausſchüſſen zur Ver- 
fügung. Beſtellungen ſind an die Vorwärt3 Buchdruckerei, Berlin 
SW. 68, Lindenſtr. 8, zu richten. Finanzichiwachen Orten wird 
das Material auf Verlangen koſtenio8 abgeacben. 
Beſonders Wichtig iſt die Agitation fiir 
zeitung, 
unſere Jigend- 
die „Arbeiter-Jugend“. 
Die Jugendlichen, die wir gewinnen, müſſen gleiGzeitig auch Leſcr 
der „Arbeiter-Jugend“ werden. Dies iſt im Intereſſe der geiſtigen 
Schulung unſerer Anhänger unbedingt notwendig. E38 kommt 
nicht allein darauf an, daß wir möglichſt zahlreich die Jugendlichen 
organiſieren; wir müſſen ſie auch innerlich für unſere Sache 
gewinnen, ſie zu überzeugten Anhängern der Jugendbewegung und 
vor allem zu begeiſterten Kämpfern für den SozialiäSmus erziehen. 
Dazu reichen die Vortruäae und DisfkuſſionSabende, die wir veran- 
ſtalten, nicht aus. DeShalb iſt das Leſen der „Arbeiter-Jugend“ 
für jeden Jugendlichen unbedingt notivendig, denn un!er Organ 
bietet feinen Leſern das unentbehrliche geiſtige Rüſtzeug Für den 
Kampf der Weltanſchaumngaen, in den auch der junge Arbeiter frü9 
genug hineingezogen Wird. 
' Der Wiederaufbau unferer Jugendbewegung wird bejonders 
dadurc< erleichtert werden, daß viele der Hemmmiſſe, die vor dem 
Krieg und auch während des Kriegs unſere Jugendarbeit ſo ſchr 
erſchwerten, beſeitigt ſind. Der Jugendparagraph im Reichs- 
vereinöSgeſeß, der jahrelang ganz einſeitig gegen uns angewandt 
wurde, beſteht zwar formell no< zu Recht, ſpielt aber praktiſch 
keine Nolle mehr. Wenigſtens werden Polizei und Staats5gewalt 
wohl nicht mehr darauf erpicht ſein, ihren Berufseifer im Kampfe 
gegen junge Arbeiter und Arbeiterinnen zu erproben. Lorbeeren 
ſind auf dieſem Gebiet nicht mehr zu holen. 
Damit wird aber auch die Organtiſationsfrage für 
uns einfacher. Wir brauchen uns nicht mehr den Kopf darüber 
zerbrechen, welche Organifationsform wir wählen müſſen, um dem 
Verfolgung3- und Auflöſungs8wahn der Behörden ein Paroli zu 
bieten. Wir können uns jetzt ohne weiteres zu der einzig richtigen 
und für die Jugend einzig möglichen Organiſation3form be- 
konnen: zum feſten Jugendverein. Dieſe Frage wird 
uns in nächſter Zeit noch wicderholt beſchäftigen; aber das 'eine 
ſteht zweifello8 feſt: die loſe Form gehört der Vergangenheit an. 
Schon während des Kricgs hat ſich die Jugend in verſchiedenen 
Orten ihren Verein geſchaffen; der Verein iſt die Organiſation, 
die wir brauchen. Darum können wir jekt beim Aufbau der Or- 
ganiſation nur raten: 
Gründet Jugendvereine! 
Sie erleichtern uns den Aufſtieg und geben der Jugend die 
erſehnte Gelegenheit zur Zuſammenfaſſung und Weitgehendſten 
Entfaltung ihrer Kräfte. Selbſtverſtändlich muß die Mitarbeit der 
Erwachſenen im Rahmen der geltenden Parteitagsbeſchlüſſe ge- 
währleiſtet werden. Darüber wird man ſich aber leicht verſtändigen 
können. Denn die Jugendlichen werden den Erwachſenen, der als 
Freund und Berater zu ihnen kommt, ſtets willkommen heißen. 

	        
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