Full text: Arbeiter-Jugend - 11.1919 (11)

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Arbeiter- Iugend | 55 
 
ſorgfältig an dem Bilde Jeſu alle die Züge, die ihn al3 einen 
kämpfenden Empörer erſcheinen laſſen, und zeigte den Kindern 
immer nur den demütigen, ſeine Anhänger auf ein beſſeres Jen- 
ſeit8 vertröſtenden Dulder*). „Wer Knecht iſt, ſoll Knecht bleiben“ 
und „Jedermann ſei untertan der Obrigkeit, die Gewalt über 
ihn hat“, ſolche Apoſtelworte wurden zu Leitſäken der Erziehung 
der aus8gebeuteten Klaſſe. Es war, um mit dem Spötter Heinrich 
Heine zu reden: 
„E3 war da3 alte Entſagungslied, 
Da3 Eiapopeia vom Himmel, 
Womit man einlullt, wenn es ſchreit, 
Da3 Volk, den großen Lümmel.“ 
Vielleicht aber meinten dieſe „Volkserzieher“ es ehrlich, viel» 
leiht war e8 ihnen wirkli Ernſt mit der Predigt vom dulden- 
den Leiden und von der Feindes8liebe? Nun, der Weltkrieg 
hat mit unübertrefflicher Deutlichkeit enthüllt, daß die herr- 
ſchende <riſtliche Kirche nichts war al8 der Knecht de3 Kapitalis- 
mu8. Vom erſten bis zum letten Tag hat ſie mit aller Macht 
ins Krieg8horn geblaſen, die Waffen für den BVölkerbrudermord 
geſegnet und gewiſſermaßen die Geltung de3 fünften Gebotes und 
der Lehre von der Feindesliebe aufgehoben. 
Durch dieſen ſ<mählicen Verrat an den eigenen ſittlichen 
Grundfäßen hat ſich die Kirche ſelbſt das Urteil geſprochen. Da- 
mit hat ſie endgültig jede8 Anrecht auf Einfluß im Staate und in 
der Schule, geſchweige denn auf die alte Machtſtellung, verloren. 
Sie ſtürzt mit der Klaſſe, zu deren Dienſt ſie ſich erniedrigt hatte. 
Die Trennung von Kirche und Staat, von Kirch? und Scule, dieſe 
alte Forderung der Sozialdemokratie, iſt heute eine Selbſtver- 
ſtändlichkeit. 
Durch dieſe Trennung erſt wird wahre Gewiſſen3freiheit 
auf religiöſem Gebiet gewährleiſtet. Der Lehrer wird uicht mehr 
gezwungen, einen Glauben zu lehren, dem er ſelbſt nicht anhängt. 
Die Eltern brauchen nict mehr zu dulden, daß ihre Kinder in 
einem Geiſt erzogen werden, den ſie vielleicht aufs ſchwerſte be- 
kämpfen. Wer ſeine Kinder konfeſſionell unterrichten laſſen will, 
kann das außerhalb der öffentlichen Schule in einer der religiöſen 
Gemeinſchaften, die der ſozialiſtiſche Staat weder bekämpft no< 
unterſtüßt. Es iſt nichts als Heuchelei, wenn die Kirc<he über Ge- 
walt zetert, die ihr durc< dieſe Trennung angetan würde, 
verliert nur die Macht, die ſie dadur< auzübte, daß ihr der Staat 
Geldmittel zur Verfügung ſtellte und ihr die Schule auslieferte. 
Auf ſich ſelbſt geſtellt, mag ſie ſehen, ob ſie wie ein baufälliges 
Haus zuſammenbricht, dem man die Stüße entzieht, oder ob ſie 
nod) Lebens8kraft genug beſibt, ſich im Wetteifer mit den bi3her 
unterdrüdten Religion8gemeinſ<haften (wie den „Freien Gemein- 
den“) zu behaupten. Nach jahrhundertelanger Knebelung der re- 
Amm. Wie ſich dieſe Leiden Seiten im Bilde Jeſu erklären Taſſen, 
iſt eine Frage, die wir hier nicht erörtern können. Wer ein beſonderes 
Intereſſe für dieſe Dinge hat, leſe das allerdings nicht leichte Buch von 
Karl Kautzky „Der Urſprung des Chriſtentums“, Verlag von Dieß, 
Stuttgart. (Bd, 45 der Internationalen Bibliothek.) | 
 
Nein, auch nicht Hengſt. Ich erinnere mich, daß ſein Familienname ſo 
eine Pferdebezeichnung war; aber was für eine, das iſt mix aus dem 
Kopf wie weggeblaſen,“ 
„Hengſtenberg?“ 
„Nicht doch. Einen Augenbli> . . . 
Stutenfeld , . .“ 
„Vielleicht Hengſtmann ?“ 
„Nein, auch nicht Hengſtmann . . 
feld - . . Alles nicht das Richtige!“ 
„Na, wie ſoll ich denn an ihn ſchreiben? Denk doch nach!" 
„Sofort. Roßner . . . Stutendorf . . . Stutenbach .... 
„Braune?“ fragte die Frau Generalin. 
„Nein, nein. Schimmel . . . Nein, das iſt falſch! 
geſſen!“ 
„Hol Dich der Teufel!“ wetterte der General. Warum kommſt Du 
mit Deinen Ratſchlägen angelaufen, wenn Du es vergeſſen haſt! Mach, 
vaß Du rauskommſt!“ . 
- Iwan Jeliſejitſch ging langſam hinau38; der General aber hielt ſich 
die Backe und begann durch die Zimmer hin und her zu gehen. 
„U--ub, lieber Himmel!“ wimmerte er. „U--uh, Gott 9 Gott! Ach, 
das iſt ja zum Umkommen]!“ 
Der Inſpektor war in dew Garten hinausgegangen, blidte zum 
Himmel in die Höhe und ſuchte ſich auf den Familiennamen des Steuer- 
beamten zu beſinnen. 
„Hengſtendorf . . . Hengſtenheim . . . Hengſtenbach . . . 
| gas Noßdorf . . . Roßbach . . . Schimmelburg , - . 
fel .. .“ 
Bald darauf wurde er zur Herrſchaft gerufen, 
„Zſt es Dir eingefallen ?" fragte der General. 
„Nein, Guer Exzellenz.“ 
Studtner . . . Stutenheim . . 
. Roß . , . Roßfeld . . . Hengſt- 
I< hab's ver- 
Nein, es 
Schimmelsz 
Sie 
ligiöſen Freiheit ſiegt der ſozialiſtiſhe Grundſaß: „Religion iſt 
Privatſache“. Jett erſt iſt die Religion die innerlichſte, perſön- 
lichſte Angelegenheit de8 freien Menſc<en. | 
Wa3 aber die <riſtliche Religion für die Schule fein ſollte, 
nämlich der alle3 durchdringende Geiſt einer hohen ſittlichen 
Lebenz3auffaſſung, das leiſtet für die neue Schule der proletari- 
ſchen Republik der Sozializmus. In der ſozialiſtiſchen Ethik iſt 
da3 beſte der <hriſtlichen Sittenlehre enthalten: die Achtung vor 
der Seiligkeit alles deſſen, was Menſchenantlit trägt. Ob man 
in der neuen Schule zur Pflege ſozialiſtiſc<er Geſinnung einen 
beſonderen Moralunterricht ſchaffen wird, oder ob dieſe Geſinnung, 
ohne einen eigentlichen Lehrgegenſtand zu bilden, die Geſamt- 
erziehung durchdringen, vereinheitlichen und vergeiſtigen wird, iſt 
mehr eine praftiſche Frage. Die Kenntnis der alten Religion3- 
formen und religiöſen Lehren wird =- ohne konfeſſionellen Ein- 
ſ<lag =- der Geſchicht3unterricht und der deutſche Unterricht ver- 
mitteln. An Stelle der religiöſen Andachten werden künſtleriſch» 
philoſophiſche Erbauung3- und Feierſtunden im ſozialiſtiſchen 
Geiſte treten. Heute gilt es zunächſt, die geiſtliche Schulauf- 
ſicht zu beſeitigen, die Kinder der „Diſſidenten“ von dem erzwun- 
genen Religion3unterricht zu befreien und dieſen Religions8unter- 
richt durch Maſſenfernbleiben zu boykottieren =- bis die Trennung 
von Kirc<e und Staat, von Kir<he und Schule geſeklich erfolgt. 
Frib Ansländer' 
LF 
Proletarierjugend. 
Die Unraſt unſerer Zeit hat uns geboren, 
Die längſt vom Vielzuvielen müd und kalt, 
Indeſſen wir in Schmutz und Sumpf verloren 
Ohnmächtig nur die Fauſt geballt. 
Was es an Fülle gibt auf Erden, gehörte Euch; 
Ihr ſtandet ſtets im Licht, wo unſere ungeborenen Seelen 
Schon im Dunkeln ſtarben, 
Auf unſer junges Leben ſchien die Sonne nicht. 
Wir ſind das nie erfüllte Sehnen, 
Wir ſind der ſtete Kampf mit dem Geſchi, 
Wir ſind die heißen, hoffnungsloſen Tränen, 
Wir ſind der Schrei in jedem Menſchenherz na) Glück. 
Wir ſind des Lebens Ueberſchwang in ſeinen Träumen, 
Wir ſind das wilde, heiße Menſchenblut, 
Wir ſind des Lebens Kraft im Ueberſchäumen, 
Wir ſind ſein ſchlagend Herz in Fieberglut. 
Doh unſere Jugend trifft kein Sterben und Vergehen, 
Wir ſind ein Teil der Welt wie Sonne, Meer und Wind, 
Wir werden ewig neu in jedem Menſchenyerz erſtehen, 
Weil wir der Menſchheit ſchönſte Sehnſucht ſind. 
H. Weſemann, 
„Vielleicht Stutenberg? Roßheim? Nein?“ 
Und nun verlegten ſich im Hauſe alle wetteifernd auf die Erfindung 
von Familiennamen. Sie nahmen alle Altersſtufen, Geſchlechter und 
Arten von Pferden vor, zogen die Mähne, die Hufe, das Geſchirr in Be- 
tracht . . . Im Hauſe, im Garten, in der Geſindejtube und: in der Küche 
gingen die Menſchen von einer E>e in die andere, rieben ſich die Stirn 
und ſuchten den Familiennamen. 
Fortwährend wurde der Inſpektor ins Haus geholt. 
„Fuchs?“ fragte man ihn. „Hufeland! Fohlenberg?“ 
„Nein, nein,“ erwiderte Jwan Jeliſejitſc<, richtete die Augen nah 
oben und fuhr fort laut zu überlegen: Roßberg . . . Roßheim . .. 
Schimmelmann . . . Schimmeldorf . . .* 
„Papa!“ rief e3 au3 der Kinderſtube. „Vielleicht Rony! Reitpferd!" 
Alle auf dem Gute waren in größter Aufregung. Jn ſeiner Uns 
geduld und Qual verſprac< der General, demjenigen fünf Rubel zu 
geben, der auf den richtigen Familiennamen verfallen würde, und nun 
kamen die Leute in hellen Haufen zu Jwan Jeliſejitſch. 
„Rapp!“ fagden ſie zu ihm. „Renner! Krippenſcher!"“ 
Aber der Abend kam heran, und der Familienname war noch nicht 
gefunden, So legte man ſich denn ſchlafen, ohne daß das Telegramm 
abgeſchi>t war. 
Der General ſchlief die ganze Nacht über nicht; er ging von einer 
Ge in die andere und ſtöhnte . . . Zwiſchen zwei und drei Uhr morgens 
verließ er das Haus und klopfte bei der Inſpektorwohnung an das 
Fenſter. 
„Gtwa Wallach?" fragte er in kläglichem Tone. 
„Nein auch nicht Walla<h, Euer Exzellenz," erwiderte Jwan eli» 
ſejitſch und ſeufzte ſchuldbewußt. . 
„Dann war ſein Familienname vielleiht überhaupt kein Pferde- 
name, ſondern irgendein anderer,“ (Schluß S. 58.
	        
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