Full text: Arbeiter-Jugend - 11.1919 (11)

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Arbeiter- Jugend 
 
Franz Adomak: Danzig. 
n einer fruchtbaren Ebene, an einem der zahlreihen Mün- 
dung3arme der Weichſel, liegt das vieltürmige, alter3graue 
Danzig. Ueberſchwängliche Gemüter tauften die Stadt das 
„nordiſche Venedig“. Der Vergleich iſt übertrieben. Wer jedoch 
Nürnberg3 altdeutſ<e Pracht zu ſchägen weiß, der wird ſich 
auc) bald in Danzig heimiſch fühlen. 
Die Entſtehung der Stadt und ihr2 Geſchichte bi3 zum Jahr 
1000 n. Chr. iſt in tiefe8 Dunkel gehüllt. In einer um dieſe 
Zeit verfaßten Lebensbeſchreibung des Hl. Adalbert, der als 
Bekehrer der heidniſchen Preußen gilt, wird Gyddanize zuni 
erſten Male erwähnt. Um eine Stadt kann e38 ſich jedoch 
damals no< nicht gehandelt haben, eher vielleicht 
um ein Kaſtell oder ein Dorf. Der Name iſt 
offenbar ſlawiſchen Urſprung8. Der Ort ſtand 
urſprünglich unter der Herrſ<haft des Herzog38 von 
Pommerellen. Nachdem Polen und Branden- 
burger um den Beſit der Anſiedlung gekämpft > 
hatten, wurde ſie im Jahr ' 
1308 von dem deutſchen 
Ritterorden in Beſitß ge- 
nommen und blieb bis 
zum Jahr 1454 unter 
ſeiner Hoheit. Unter dent 
Ritterorden hob ſich die 
Bedeutung Danzigs. Es 
erhielt da8 ſogenannte 
fulmiſche Recht und da- 
mit Selbſtverwaltung im 
weiteſten Umfang. Die 
Gericht3barkeit lag in den 
Händen der Bürgerſchaft. 8 
Wichtige Vorrechte übten 
auf Handel und Hand- 
werk einen fördernden 
Einfluß aus. Fns8beſondere im vierzehnten und fünfzehnten „dahr- 
hundert blühte die Stadt mächtig auf, wozu auch die günſtige 
Handel3lage weſentlich beitrug. Die Stadt weitete ihren Umfang 
und ſc<mücte ſich mit prächtigen Gebäuden. Ums Jahr 1843 
'wurde der Grundſtein zur St. Marienkirc<e gelegt. In dieſer 
Zeit ſind überhaupt die Gebäude errichtet worden, die heute no 
der Stadt ihr Gepräge geben. In hohen, ſpißgiebeligen Bürger- 
häuſern wohnten wohlhabende Kaufleute, die mit allen Ländern 
Europa3 Handel trieben. Danzig war Mitglied de38 Hanſabundes 
und nahm an deſſen Unternehmungen rührigen Anteil. Der 
Wohlſtand der Stadt hob ſich von Jahrzehnt zu Jahrzehnt. 
Dagegen zeigten ſich im Ritterorden gegen Ende de3 vier- 
zehnten Jahrhundert3 Spuren der Auflöſung und de38 Verfall3. 
Polen und Litauen, die Hauptfeinde der deutſchen Ritter, wurden 
durch Heirat zu einem Reiche vereinigt. Die Gegenſäte drängten 
zum Krieg, und im Jahr 1410 verblutete auf 
dem Schlachtfeld bei Tannenberg die Kraft des 
Ordens, Einige feſte Punkte leiſteten den an- 
dringenden Polen tapferen Widerſtand. Im all- 
gemeinen fand man ſic< jedoch mit dem Unter- 0. 
gang der Ordensherrſchaft ab und ſuchte die Gunſt R 
ver neuen Serren zu gewinnen. Man knüpfte 
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Verbindungen mit den Polen an. Auch Vertreter 77% 
Danzigs nahmen an den Verhandlungen im polni- „a 
jen Lager teil, ließen ſich ihre alten Vorrechte pH 
beſtätigen und neue bewilligen. Der Orden be- ANNEN 
jaß jedod) noc< Kraft genug, der „verräteriſchen EE 
Umtriebe“ Herr zu werden. Auch die Beſatzung 
des Schloſſes in Danzig war dem Ritterorden 
treu geblieben. Am 6. April 1411 ließ der Komtur, 
der Leiter des Ordens, die Häupter der Stadt, 
die Bürgermeiſter Konrad Lekkau und Arnold 
Secht, ſowie Letßkaus Schwiegerſohn, Bartholo- - 
mäu3 Groß, auf das Schloß laden und dort 
auf der Stelle ermorden. Ueber die Tat 
wahrte man Stillſchweigen. Erſt nach einer 
Woche gab man die Leichen heraus. Ein 
Grabſtein in der St. Marienkirche erinnert 
heute noch an dieſe Greueltat, 
Gegen dieſe Tyrannei erhob ſich große 
Entrüſtung und Trauer in der Bürgerſchaft, 
do<“ ihrer Führer beraubt, unterwarf ſich 
die Stadt dem Orden. Als Buße für die 
„Auflehnung“ mußte die Bürgerſchaft noch 
14 000 Schot böhmiſche Groſchen zahlen. 
Die OrdenSritter richteten ihre Herrſchaft 
Über die Stadt wieder auf. Aber bereits 
 
 
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Danzig -- Krankor an der Moktlau. 
 
 
 
 
 
 
Danzig =- Rathaus, 
im Jahre 1422 gelang e3 den Bürgern, ihre Unabhängigkeit zurüc- 
zugewinnen, da Sittenverderbni8, Zügelloſigkeit und innerer Ver- 
fall die Macht de38 deutſchen Rittertums lahmlegten. Um die 
Zwingherren gänzlich zu beſeitigen, knüpfte man abermal38 mit 
den Polen Verbindungen an. In deren Verlauf wurde Danzig 
und mit ihm Weſtpreußen im Jahre 1454 in da3 polniſche Reich 
aufgenommen, dem e38 889 Jahre angehören ſollte. Die erhaltenen 
Privilegien und die nahezu voll- 
ſtändige Unabhängigkeit, die ihr zu- 
gebilligt wurde, begünſtigten die Ent- 
wicklung der Stadt. Der Wohlſtand 
der Bürgerſchaft hob ſi. 
An den öffentlichen Ge- 
bäuden wurden koſt- 
ſpielige Verſchönerungen 
vorgenommen. Danzigs 
Bürgermeiſter verfügten 
über eine Macht, die der 
eines Fürſten gleichkfam. 
Die Patrizier, reiche 
Kaufleute, waren Herren 
der Stadt, ein Zuſtand, 
der für die Allgemeinheit 
bald unerträglich wurde. 
In gewaltſamen Erhebun- 
gen machte ſich die all- 
gemeine Erregung Luft, 
und die Unterdrücker wur- 
den ſc<ließlih verjagt. 
Auch die Reformation mit 
ihren Glaubenskämpfen 
ließ die Stadt nicht zur 
Rube kommen. Al3 end- 
lich die Reformation ſiegte, 
erflärte der polniſche König Sigi8mund 1. dur< eine Verfügung 
alle vorgenommenen Veränderungen für ungültig und verlangte 
ſofortige Reue und Genugtuung. Jm Jahr 1526 zog der König 
mit einer ſtarken Heere3macht in die Stadt ein. Ein fürchter- 
liches Strafgericht begann. Die Führer de3 Volke3 im Kampfe 
gegen die Patrizier wurden meiſt hingerichtet, andere gefangen 
gelegt. Die früheren Machthaber triumphierten wieder voll- 
ändig. 
Im fünfzehnten und ſechzehnten Jahrhundert wurden hef- 
tige Kämpfe um das Deutſchtum dieſer Gebiete geführt. Die 
Polen hoben die Privilegien Danzigs auf und führten polniſche 
Sprache und Geſetze ein. Sogar die Namen der Dörfer und 
Städte wurden poloniſiert. Danzigs Bürger leiſteten gegen dieſe 
Vergewaltigung3verſuche entſchiedenen Widerſtand. Auch ein 
ſtarke8 Seer der Polen kämpfte vergebens vor Danzigs Mauern. 
Nach dreimonatiger Belagerung, die mit ſchweren Kämpfen ver- 
bunden war, zogen die Polen ab, ohne ihren Willen durchgeſetzt 
zu haben. Danzig und ſeine Umgebung blieben deutſch. 
AU dieſe Heimſuchungen und Wirren hinderten den Sandel 
Danzigs wenig. Erſt die langen Kämpfe der Schweden mit den 
Polen fügten der Stadt ſchweren Schaden zu. Die Zeit von 
1454 bis 1793 bezeichnet man al38 den Niedergang Danzigs. 
Neben dem Religionsſtreit traten auch die Gegenjäte innerhalb 
der Bürgerſchaft immer ſtärker zu- Tage. Die Handwerker drängen 
erneut auf Beteiligung an der Verwaltung der Stadt und exr- 
reichten auc< nad) ſchwerem Ringen ihr Ziel. Ueberhaupt iſt dieſe 
Periode reich an bürgerlichen Kämpfen. Polen ſelbſt wurde durc 
innere Zwietracht erſchüttert, Bei der erſten 
' Teilung Polen3 im Jahr 1772 fiel Weſt- 
ß preußen an Preußen; Danzig blieb unter 
polniſcher Hoheit, Durch hobe Zollſhranken 
K wurde die Stadt von der Außenwelt ab- 
 
  
 
 
 
 
 
 
 
2 
 
=. 
u geſchnitten. Da ſogar der Hafen Neufahr=- 
Fw m waſſer und die übrigen Vororte preußiſch 
waren, war es kein Wunder, wenn Danzigs 
N Wohlſtand zurüdging. Einundzwanzig Jahre 
| 32 dauerte dieſer unglückliche Zuſtand. Im 
Zahr 1798, bei der zweiten Teilung Polens, 
wurden auch Danzig und Thorn preußiſch. 
Ein Teil der Danziger Bürgerſc<haft war 
- von dieſem Schiddſal durchaus nicht erbaut. 
Sie widerſeßten ſich, und erſt na< harten 
Kämpfen konnten die preußiſchen Truppen 
. in die Stadt einziehen. --“ Im Frieden von 
. Tilſit wurde die Stadt dann zum Freiſtaat 
erklärt, aber eine franzöſiſche Beſakung . 
blieb in ihren Mauern, die dur< ungeheure 
 
 

	        
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