lixben der Krone abhängigen Landtagen, den „Generalſtaaten“, die
Aſſemblte Conſtituante (konſtituierende Verfammlung). Sie ſtellte
bi3 zum Jahre 1791 das Verfaſſungswerk fertig, in dem Frank-
reich aus einer abſoluten zu einer konſtitutionellen Monarchie
. gmgeſtaltet wurde, und machte alsdann der Aſſembl&e Legislative
(Geſetzgebenden Verſammlung) Platz, die nun das regelmäßige
geſebgebende Organ Frankreichs werden ſollte, freilich) in der
weiteren Entwicklung der Revolution bald ihre Stellung einbüßte.
Auch in den ſpäteren Revolutionen hat Frankreich noch öfter kon-
ſtituierende Nationalverſammlungen gejehen, ſo in den Jahren
1830 und 1848, die lezte im Jahr 1870 nach dem Sturz Napo-
Leon3 IL Dieſe lette Konſtituante zeichnete ſich durch beſonders
lange Dauer aus, denn ſie hatte erſt am 24. Jebruar 1875 ihr
Verfaſſung3werk beendet. | . |
AuH Deutſ<lan.d hat i<hon eine konſtituierende National-
verfammlung gehabt, das berühmte Parlament, das in den Jahren
1848/49 in der Paulskir<e zu Frankfurt a. M. tagte. Nach dem
Sieg der Revolutionen in Wien und Berlin hatte jich ſchon am
31. März das ſogenannte „Vorparlament“ gebildet, das die Wahlen
ur Nationalverjammlung ausſchrieb und die Wahlordnung feſt-
te. Am 18. Mai trat dann die Nationalverſammlung ſelber zu-
ammen, aber obwohl ſie die angejehenſten Geiſter jener Beit in
I< vereinigte, erfüllte ſie die auf ſie geſezten Hoffnungen nicht.
Statt ſofort mit der praktiſchen Arbeit zu beginnen, verzettelte
ſte die Zeit bis zum Oktober mit endloſen akademiſchen Erorte-
rungen über die Grundrechte, die in der Verfaſſung ausgeſprochen
werden ſollten, und trat erſt dann in die Löſung der eigentlichen
Varfaſſung3frage ein. Dabei kam es zu heftigen Konflikten zwiſchen
Monarchiſten und Republikanern einerſeits, den Anhängern der
preußiſchen und öſterreichiſchen Führung andererſeits. Mit ichwacher
Mehrheit wurde am 13. Januar 1849 Deutſchland zum Kaiſerreich
aflärt und am 28. März Friedrich Wilhelm 1V., dem preußiſchen
Qönig, die Kaiſerkrone angeboten. Inzwiſchen aber hatte die
Gagenrevolution ſchowm auf der ganzen Linie geſiegt. Friedrich
Wilhelm IV. lehnte die mit dem „Ludergeruch der Revolution“
behaftete Krone ab, Deſterreich proteſtierte. Preußen berief am
14. Mai ſeine Abgeordneten aus der Nationalverfammlung ab, die
Gemäßigten traten wegen des wachſenden Einfluſſes der Demo-
kraten aus, und es blieb ſchließlich nur ein Rumpfparlament übrig,
9a3 nach Stuttgart überſiedelte und dort nac< wenigen Sißungen
zu Zuni mit Waffengewalt auseimander gejagt wurde. "Das Werk
Kefer Ronſtityante blieb auf dem Papier, es wurde keine Wirk-
Gkeit. .
E3 iſt zu hoffen, daß die
kommende deutſche Nattonalver-
fammlung nicht eine ähnlich tragiſche Rolle im der Geſchichte ſpielen
wird. Seit den Tagen von 1848 hat das deutſche Volk eine lange
Schulung auf politiſchem und parlamentariſchem Gebiete hinter
ſch, die den Männern von 1848 troß ihrer geiſtigen Befähigung
fehlte. Wir wiſſen heute, daß ſehr wenig damit getan iſt, wenn
ſjegenannte Grundrechte oder Menſchenrechte in der Verfaſſung an-
haben, nämlich den Frieden mit der
Arbeiter“ Jugend | . 3
erßannt werden, ſondern daß e3 auf die praktiſchen: Beſtimmungen,
auf die ausführenden Gejeke anfommmt. Des8wegen wird die
Nationalverſjammlung ſofort an die praktiiche Geſtaltung der neuen
Verfaſſung herangehen. E3 kann kein Zweifel darüber ſein, daß
die neue Vorfaſſung Deutſchland3 eine rein demokratiſche
ſein muß, denn das iſt der Sinn und Inhalt der Revolution, daß
mit den alten Privilegien und Vorrechten aufgeräumt werden ſoll.
Troßdem iſt mit der Aufſtellung dieſes Grundjake3 der Plan
- der neuen Verfaſſung noch nicht fix und fertig aufgezeichnet. Eine
ganze Reihe Streitfragen bleiben offen, die ſich namentlich daraus
ergeben, wie weit der fs derative (bundesſtaatliche) Charakter
des Reiches aufrechterhalten und durd) die Verfaſſung betont
werden ſoll. Hier ſind eine ganze Anzahl von Löojungen vorge-
ſ<lagen. Die radikalſte will die Bundeöſtaaten überhaupt be-
feitigen. Dagegen wird eingewendet, daß die bundesſtaatliche Ver-
faſſung als jolhe durchaus mit der Demokratie zu vereinbaren
iſt; ſind doch auch die Vereinigten Staaten von Amerika und die
Schweiz bundesſtaatlich organiſiert. Andere Vorſchläge wollen da3
Uebergewicht Preußens brechen, indem ſie Preußen in mehrere |
kleinere Bundesſtaaten zerlegen. Man ſicht, daß hier Probleme
zu löſen ſind, für die da3 demokratiſche Programm durchaus noh
keine fertigen Rezepte mitbringt.
Schwierig iſt auch die Präfidentenfrage. In Frank-
reiß wird der Präſident durch die vereinigten Kammern acewäbhblt,
in Nordamerika dur< VolksSabſtimmung, aber nicht direckt, ſondern
indirekt. Soweit wir unterrichtet ſind, iſt für Deutſchland die
direkte Volk8wahl des Präſidenten geplant. Weitere verfaſſungs-
rechtliche Fragen von großer Bedeutung betreffen die Macht-
ſtellung des Präſidenten gegenüber dem Parlament und den Vei-
niſtern, die Frage des Ein- oder Zweikammerſyſitems und ahn-
liche2 mehr. |
- Neben dieſen vielfachen verfaſſungörechtlichen Aufgaber,
wird die Nationalverſammlung no<&4 eine zweite Veſtimmuamng
en, Entente zu
ratifizieren (beſtätigen). Es iſt zu erwarten. daß die
Entente den Friedensſ<luß mit Deutſchland davon abhängig
machen wird, daß er von einer auf allgemeinen Wahlen beruhenden
Volksvertretung anerkannt wird. So erwächſt der Nationalver-
ſammlung au3 den beſonderen Umſtänden der Zeit no< eine zweite
Beſtimmung.
Freilich, hinter all dieſen Aufgaben ſteht unendlich viel mehr,
al3 ihre bloße Aufzählung befagt. Die Herſtellung der deutichen
Verfaſſung- iſt nicht nur em totes theoretiſches, ſondern ein fehr
lebendig politiſches Werk. Von ihm wird es abhängen, ob das
deutſche Volk zum Sozialimus aufſteigt, ob e3 ſeine Einheit wahrt,
vielleicht dur< den Hinzutritt DeutſchöſterreiHhs no) ſtärkt, oder
ob e3 in gänzlichen Zerfall gerät. DeShalb iſt der Schrei nach der
Nationalverſammlung mit Redt die oberſte politiſc<e Parole unſerer
Tage geworden. Ihr Werk ſoll das Fundament ſein, auſ dem wir
die Zukunft de3 Volkes aufbauen.
und ſchimpften ſpäter weidlich über die frommen Tiroler Bauern, mit
venen ſie kaum in Berührung gekommen waren. -
Zu dieſen Handwerk3geſellen gehörte ich keine3weg3. Mein Wahl-
ſpruch war der italieniſche: Chi va piano, va Sano! -- Wer langſam
geßt, bleibt geſund. Dabei ſtand: mein Sinn nicht nach Tiroler Bauern-
brot, da3 gewöhnlich ziemlich alt und hart war, fondern ich wußte, daß
e3 bei den Großbauern Samz3tag8 Shmalgnudeln gab, und die aß ich
- fehr gern, beſonder3 wenn e3 redt viel gab. Dazu einen Topf voll
Mil<h, dann konnte man 238 wieder einige Stunden au3halten.
Gerade hatte ic meine Wahl unter den Häuſern auf den Bergen
getroffen und ein ſtattliches Gehöft au8geſucht, zu dem ein in den Sdhnee
gegrabener Fußweg bergauf führde und das ich mit meinem Beſuch
beehren wollte, als ih ſchnelle Schritte hinter mir vernahm. Auf den
erſten Bli> ſah ich, daß der- Herbeieilende auch ein Handwerksburſche
wax, und auf alle Fälle ein Deutſcher. Denn nur ein ſolcher bringt
es fertig, in dem unpraktiſchſten Kleidungsſtüd, einem Gehro>, ſich auf
Wanderſchaft zu begeben. Auf mein „Servu3“ (öſterreichiſcher Gruß)
ertkang das norddeutſche „Kenn Kunde“, und! bald) hatte ich heraus, daß
iG einen echten Spreeathener, ſeines Zeichens Buchbinder, vor mir
hatte, Der. arme Teufel hatte in einem Gaſthaus an der Straße auf
Stroh geſchlafen und war nicht nur halb erfroren, ſondern auch hungrig
wie eine Kirhenmaus. Seine erſte Frage war, wie weit e3 noc< raß
Toblach ſei; bis dahin wollte er nämlich noch bis Mittag kommen. Auf
meine Antwort, daß e3 noch gut 20 Kilometer ſeien und ich nir itreng
"vorgenommen Hätte, erſt andern Tags dort anzukommen, ſah mich mein
Reiſebegleiter verdußt an. Er wollte, ſo erflärte er, ſo ſ<mell wie mög-
lich aus Tirol heraus, über Toblach nach Cortina (italieniſche Grenze), um
im ſonnigen Süden ſich die Herrlichkeiten Venedig3, Padua3 uſw. anzuſehen.
Ich riet ihm, jezt im Winter lieber; in Oeſterreich, wenn möglich
in Tirol zu bleiben, da hier Buchbinder, beſonders vor Weihnach*en,
Lohnende Arbeit fänden, ſchilderte ihm auc< aus eigener Anſ<auung
Has „ſonnige“ Oberitalien im Winter, wo ihn ſiher mehr. frieren würde
' wird er wohl ſpäter ſich geſagt haben.
al3 an den warmen Oefen Tirols. Doch er war unbelehrbar, glaubte
ſich mir gegenüber auch im Rechte zu befinden, denn er hatte ficher ſhon
feine 24 Lenze erlebt, während im erſt dercn neunzehn zählte. Doch
Alter ſc<hüßt bekanntlich vor Torheit nicht. Al3 ich ihm den Vorſchlag
machte, ſich al3. mein Begleiter mit mir bei dem Bauern auf dem Berge
zum Schmalznudelfrühſtücd einzuladen, wollte er anfangs nicht darauf
eingeben, konnte jedoch den lodenden Anpreiſungen der ſüßen Milch
und der heißen fetten Nudeln auf die Dauer nict widerſtehen und
folgte mix ſchließlich, als ich mit einem „Servus!“ den Weg nad) oben
einſchlug, denn ſein Hunger ſtand dem meinigen ſicher nicht nac. Nur
die Kilometer reuten ihn, die er durd) das Auf- und Abjteigen verlor
und nicht auf der Landſtraße abrennen konnte.
Hätte er. lieber der Lochung des „böſen Buben“ widerſtanden, ſo
Erſt ging ja allez programm-
mäßig ab. Wir erreichten den Bauernhof, hoH oben am Berg gelegen.
Ich brachte die Bitte nac „etwas Warmem“ vor. und ſc<hmeichelte der
Bäuerin, daß es ſo gut nac) Nudeln röche. Erfolg: ein Topf Milch, dazu
für jeden ein paar Nudeln. Beim Weggehen brachte unſer „Vergelts
Gott!“ und der beſondere Dank für die „gute ſchöne Bäuerin“ jedem
noh eine Nudel ein, in die wir beim Hinaus8gehen kräftig hineinbiſſen.
Al3 erſter verließ der Buchbinder da3 Haus, da i< die Dankſagungen
abzumachen hatta. I< folgte ihm und fand ihn bald wie Lot3 Weib
zur Salzſäule erſtarrt, aus dem aufgeſperrten Mund den Reſt ſeiner
Sc<malznudel hevausftredend.. Die Urſache ſeines Schredens begriff
ich ſofort, als ich den Weg, den wir gekommen, zwei Gendarmen herauf
ſteigen fah. Denen mußten wir unbedingt in die Hände laufen, denn
dieſen Pfad mußten wir; zurüd, da vom Bauernhof keiner weiter hinab
führte. Meinem armen Reiſegenoſſen . ſtandew die Tränen in den
Augen. „Num werden wir wegen Bettelns verhaftet und kommen auf
den Schub nah Deutſchland", ſo wehklagte er. J<4 verſuchte ihn zu
'tröften mit dem Spruch, daß die Nürnberger keinen hängen, ehe ſie
ihn haben. Doch die Gendarmen rüdten immer nähern. (Sc<luß auf S. 6.)