Full text: Arbeiter-Jugend - 11.1919 (11)

Arbeiker- Jugend 57 
 
 
Geldforderungen die Bürgerſchaft ſhröpfte. Die Tage des Frei- 
ſtaates waren ſo keine goldenen Tage für Danzig. Al3 die 
Preußen im Jahr 1813 die Stadt zum zweiten Male beſeßten, 
wurden ſie darum als Befreier begrüßt. Aber nur langſam er- 
holte ſi< die Stadt von ihrer Leiden3zeit. =- Zeugen der geſchicht- 
lichen Vergangenheit Danzigs treten un3 heute noch auf Sc<ritt 
und Tritt entgegen. Die 
Scönbeit der Stadt beruht 
in ähren altertümlichen 
Straßenzügen, den Bau- 
und Kunſtdenkmälern und 
den arditektoniſ; wert- e 
vollen Giebelbauten. Wuch- / 
tig und maſſiv ragt über 
dem Säuſermeer der 76 | 
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Meter hobe Turm der go- AM 
thiſhen St. Marien- S6 (a, 
ktir<e, der mit ſeiner NN M ah 
ſtumpfen Haube zum ih M) " (RS TENN 
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Wahrzeichen Danzigs ge- | AN ; vg "M 
worden iſt. Nicht weniger N FI ip NANA! "Wd 
als 160 Jahre hat der y! REIHEN EINL 
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Nieſenbau der Kirche erfor- IT 
dert. Jhr Inneres iſt ge- | 
füllt mit köſtlichen Werken 
der Plaſtik und Malerei, 
mit Meßgewändern, Fah- 
nen und HSandſchriften. 
Al3 Wwertvollſter Kunſtiſchaß | 
 
gilt ein Werk altniederlän- 
diſcher 
Memlings 
Malerei, San38 
- „Süngſtes Ge- 
richt“. Urſprünglih war - 
das Gemälde jür eine 
Kir<e in Florenz beſtimmt. 
Auf dem Transport nad) 
ſeinem BeſtimmungZ3ort 
wurde es von dem Danziger 
Seeheld Paul Beneke, der / 
mit ſeinem Sciff „Peter -=* 
von Danzig“ gegen die 
Engländer den Kaperkrieg 
führte, erbeutet und nad 
Danzig gebracht. =- Im 
Gegenſaß zu den Steinmaſſen von St. Marien ragt der Rat- 
hausturm zierlich und kühn in die Luft. Anmutig und 
reich gegliedert ſtrebt er 82 Meter aufwärts und trägt auf ſeiner 
höchſten Spitze die in Kupfer getriebene und vergoldete Figur 
des polniſ<en Königs Sigismund 11, in Lebens8größe. Die 
Räume des Rathauſes bieten den Freunden ſtilreiner Innen- 
dekoration hervorragenden Genuß. Zu den ſchönſten Gebäuden 
Danzig3 gehört auch der Artu3hof. Im Jahr 1380 als 
Feſthalle erbaut, brannte er 1476 ab, wurde aber bald darauf in 
ihönerer Geſtalt wieder aufgebaut. Weihevoll wirkt vor allem 
jeine große gothiſce Salle. Die Wände ſind mit köſtlichen Ge- 
mälden geſchmüdt; zahlreiche Schiffsmodelle erzählen von der 
einſtigen Bedeutung Danzigs als Seeſtadt. Auch der Sto>- 
turm, ſo genannt, weil die Uebeltäter hier ihre 
Strafe empfingen, und das Zeughaus ſind 
merkwürdige Baudenkmäler, 
Sehenswert ſind aber vor allem Danzigs 
Straßen. Die Danziger nennen ſie nicht zu Un- 
recht Gaſſen. Auf die Erhaltung der Gaſſen- 
namen legt man großen Wert, ſind doch Bezeich- 
nungen wie Kleine Hoſennähergaſſe oder Krauſe- 
bohnengaſſe wahrlich nicht alltäglich. 
Charakteriſtiſch für Danzig ſind die 
Beiſchläge, das ſind plattform- 
ähnliche Vorbauten, die in alten Ta- 
gen behagliche Ruheplätc<hen boten. 
In der Jopengaſſe ſind ſie noh in 
größerer Zahl vorhanden, die mei- 
ſten ſind jedoc< dem modernen Ver- 
kehr zum Opfer gefallen. 
Der Handel Danzig3 hat in der 
Neuzeit eine nur ſo geringe Zu- 
nahme erfahren, daß von einem 
Stillſtand geſpro<en werden kann. 
Die Verbeſſerung des Eiſenbahn- 
nete8 und der Ausbau des ruſſiſchen 
Hafens Riga waren dem Handel8- 
verkehr Danzigs nicht günſtig. Da- 
gegen ſpielen große Schiffswerften 
 
 
 
 
57) ] | 
Danzig -- Frauengaſſe mit Marienkfir<E, 
 
 
  
Danzig -- Pfarrkir<e, 
und einzelne Fabrikbetriebe im heutigen Erwerbsleben der Stadt 
eine bedeutende Rolle. 
In gewerkſchaftlicher und politiſcher Beziehung iſt Danzig 
und mit ihm Weſtpreußen Flachland. Arbeitermaſſen, wie ſie die 
Städte Mittel- und Weſtdeutſ<hland38 aufweiſen, ſind hier nicht 
vorhanden. Doch eine kleine Schar tapferer Männer und Frauen 
hielt unentwegt das Ban- 
ner des SozialiSmu8 hoc. 
Der Sozialdemokratiſche 
Verein Danzig-Stadt zählte 
bei Au8brucß de38 Kriege3 
1300 Mitglieder, die freien 
Gewerkſchaften hatten rund 
12 000 Mitglieder aufzu- 
weiſen. Die Revolution hat 
aber auh hier Wandel ge- 
ſchaffen. Die Sozialdemo- 
kratie Weſtpreußen3 muſtert 
nunmehr über 20 000 An=- 
hänger, die freien Gewerk» 
ſhaften in Danzig allein 
80 000 Mitglieder. 
- Dod) eine neue Sorge 
| | tritt neuerding38 an un3 
 
 
 
heran. Das wiedererſtan- 
dene Rolen ſtrect ſeine be- 
1“ 
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gehrlichen Hände nach der 
ßen38 Ichwarzem oder Po- 
len3 weißem Adler von ge- 
ringer Bedeutung für breite 
Maſſen der Bevölkerung ge- 
weſen. Doch heute ſind wir 
Bürger einer ſozialiſtiſchen 
Republik, und da erinnern wir 
un3 an Bebel3 Wort: „An der 
Erhaltung der Unabhängigkeit 
Deutſchlands ſind diearbeiten- 
den Klaſſen mindeſtens ebenſo 
intereſſiert wie diejenigen, die 
ſich als die berufenen Herrſcher 
der Völker betrachten, und das arbeitende Volk iſt nicht gewillt, 
ſeinen Naden unter irgendeine Fremdherrſchaft zu beugen.“ 
S5 
Erwerbsfkätige Mädchen, organiſiert euch! 
D“ Anſicht, daß die Erwerbsarbeit für weibliche Arbeit3kräfte 
 
 
11 1 P alten deutſchen Stadt auS. 
/ 11) [| |] I) Unter den vorrevolutionä- 
5) ren Verhältniſſen wäre die 
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ein nur vorübergehender Zuſtand ſei, iſt ſelbſt in der Ar- 
beiterſ<haft, und vor allen Dingen bei den Frauen und 
Töchtern diejer Geſellſ<aft3ſchic<t, auc< heute no< ſtark verbreitet. 
„I< verheirate miß ja doH& bald und dann höre ich auf zu 
arbeiten,“ ſagt das junge Mädchen, dem man begreiflich zu machen 
verſucht, daß auc< die weiblichen Arbeitskräfte ſich ihrer Beruſs- 
organiſation anſchließen müßten, um Ein- 
fluß auf die Bedingungen zu erhalten, unter 
denen ſie ihre Arbeit auzüben. „J< arbeite 
nur ſolange, bis mein Mann zurückkommt,“ 
ſagten unendlich viele Kriegerfrauen während 
de3 Kriege3. Die meiſten der verheirateten 
erwerbstätigen Frauen wollen in der Regel 
nur etwas zum Einkommen des Mannes 
hinzuverdienen, und ſie hoffen auf den 
Zeitpunkt, wo ſie dies nicht mehr 
nötig haben. 
Wir haben bereits in unſerm Aufſaß 
= in Nr. Gzu zeigen-verſucht, wie häufig 
ſchon früher dieſe Auffaſſung durc<aus 
falſch war, und wieviel mehr unter der 
== Nachwirkung des Krieges die Erwerb3- 
arbeit auch für die weiblichen Glieder 
„md der unbemittelten Bevölkerungsſchicht 
ſ bj ein dauernder Zuſtand ſein wird, die 
n einzige Möglichkeit, ſich die Mittel zur 
. Exiſtenz zu verſchaffen. Könnten wir 
die jungen Mädchen und die arbeiten- 
' den Frauen von dieſer Sachlage Über- 
zeugen, wir hätten viel erreicht. Es wäre 
dann viel eher möglich, den Mädchen 
und Frauen, die auf Erwerbsarbeit an- 
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