Arbeiter- Jugend 59
Der Hamburger Arbeiterjugendbund.
us Hamburg-Altona iſt, wie uns von dort geſchrieben wird, von
einem außerordentli< ſtarken Aufſtieg der Arbekterjugend»-
bewegung zu berichten. Der Aufſtieg iſt ſogar ſtärker, als je die
ößten Optimiſten unter un3 erhofft hatten. Und dabei iſt noh gar
ein Nachlaſſen der Vorwärt8bewegung abzuſehen. Neue Abteilungen
in den verſchiedenſten Stadtteilen entſtehen ſozuſagen in jeder Woche
wie von ſelbſt. Die Jugend drängt in hellen Scharen in den Arbeiter-
mit einem Eifer, wie wir ihn in den viergehn Jahren de3
3 unſerer Bewegung nicht erlebt haben. Wie iſt das zu
In den Auguſttagen des Jahres 1914 wollten wir eine Heerſchau
Halten, einen Jugendtag. Das größte Lokal unſerer Umgebung, der
„Zürſtenhof“ bei Ohls8dorf, ſollbe uns aufnehmen. Gin Volksfeſt wollten
wir feiern, auf 15 000 Perſonen rechneten wir. Das alles wurde zu ---
Waſſer. Wir zählten damals ungefähr 3000 aktive Teilnehmer, die ſich
auf 50 in feſter Vereinsform zuſammengeſchloſſene Abteilungen ver-
teilten. Sämtliche Teilnehmer ſtanden im Alter von 14 bis 18 Jahren,
was darüber war, ſchied au8. Intenſiv wurde auf allen Gebieten
gearbeitet, geiſtig wie körperlich, ein erfreuliches, reges Leben herrſchte
überall. Eine Schar von 80 bi3 100 Leitern ſtand dex Jugend zur Scite;
eine Angahl aufs beſte eingerichtete Jugendheime, wie auch einzelne
Räume, ſtanden zu unſerer Verfügung. Diefe große und kräftige Orga-
niſation iſt durch den Krieg vollſtändig zertrümmert worden.
Bis zum Jahre 1915 hield ſich ein reges geiſtiges Leben und eine
göwiſſe organiſatoriſche Höhe. Dann ging es plößlich bergab. Die aufs-
tauchenden politiſchen Gegenſäße wurden mehr in der Jugendbewegung
ausgefochten al3 in der Partei, wo ſie eigentlich hingehörten. Das war
fein Kampf mehr nach außen, wider den Gegner, das war ſchwerer
innerer Kampf, der den Jugendbund zerrüttete und auf Abwege brachte.
Die Eltern unſerer Jugendlichen wie die Parteigenoſſenſchaft entzogen
dem Jugendbund immer mehr ihr Vertrauen, bi8 es dann im Jahre
1916 zum vollſtändigen Bruch zwiſchen der Jugend und den Organis-
ſationen der Erwachſenen kam,
Eimer darauf gegründeten „Freien Jugendbewegung“ wurde vom
Generalfommando bald das Lebenslicht ausgeblaſen; man löſte ſie auf
und verfolgte Jugend wie Leiter auf das härteſte. Es kam dann eine
Zeit ohne jede Organiſation. Nur eine kleine Schar unentwegt au8-
Harrender Sugendgenoſſen und Leiter ſuchte ſchließlich = und fand ſie
au<h -- eine Verbindung mit Partei und Gewerkſchaft. Dieſe ſtellten,
auch mit ſehr dankenswerter Unterſtüßung der Genoſſenſchaften, dann
wieder- einige Gelder bereit und e8 begann eine mühſelige aufbauende
Arbeit. Die Jahre 1917 und 1918 ſtanden im Zeichen: dieſer ſchweren,
ſehr undankbaren Aufgabe.
Wir zum Waffendienſt eingezogenen Jugendlichen danken den „Pio-
nieren“ diefer Zeit viel; ſie bereiteten unſerm Wirken den Boden. Als
dann der Krieg zu Ende war und die Revolution uns von allen Feſſeln
befreite, ſchlug au3 den noch faum glimmenden Funken bald helles Feuer.
Vor allem brachte die Revolution uns im Jugendbund Klärung in
unſeren inneren Gegenſätzen. Zuerſt trennte ſich die „linfsradikale
Jugendbewegung“ von un38; ſie nahm uns eime Abteilung. Heute
boſbeht dieſe Nichtung aus vier Abteilungen; die Mitgliederzahlen ſiud
unbekannt; ſie nennt ſich jeßt „fommuniſtiſc<>e Jugend“. Die zweite
Trennung erfolgte etwas ſpäter. Zwei ganze Abteilungen und einige
halbe Abteilungen ſpalteben ſich ab als „Freie proletarijiche Jugend-
bewegung“. Dieſe beſteht heute aus zirka elf Abteilungen. Uns ver-
blicben dann noch zehn Abteilungen von den fiinfzehn, die bei Krieg3-
ende noch vorhanden waren.
Mit dieſen zehn Abteilungen, die 300 bis 400 Mitglieder zählten,
begann dann im Dezember 1918 die neue Arbeit, der Auſbau und damit
der Aufſtieg. Da3 Reſultatiſt heute, Ende März: 36 Abteoi-
lungen mit ungefähr 1500 Mitgliedern,
Die Form der Organiſation iſt von Grund auf geändert. An Stelle
des „Zentralauzſchuſſes“ mit zehn Vertretern der Erwachſenen und zehn
Vertretern der Fugend, mit ſeiner ganzen Sciwerfälligkeit und ſeinen
breiten Reibungsflächen iſt ein kleineverx und damit beweglicherer „Vor-
ſtand“ getreten, den die Jugendgenoſſen in ihrer Delegiertenverſamms-
Lung ſelbſt wählen. Der Vorſtand beſteht aus 6 Perſonen, von denen
dier Kaſſierer ein Erwachſener fein muß, der aus den Kreiſen der Leiter
gewählt wird. Jhm zur Seite ſteht der Geſchäftsführer, der ebenfalls
ein Erwachſener ſein muß; er vertritt den Verein nach außen und regelt
die laufenden Geſchäfte; er wird von den Jugendgenoſſen in der Dele-
giertenverſammlung gewählt. Alle Übrigen Vorſtandsmitglieder ſind
Jugendliche, =- Der Ausbau de3 Organiſations3ſtatut3 iſt bei Abfaſſung
des Berichts (Ende März) noc< nicht abgeſchloſſen, da mit den Organi-
ſationen noc< Verhandlungen im Gange ſind, die wegen der Wahlarbeit
immer wieder vertagt werden mußten.
„-. Die innere Arbeit im Jugendbund hat ſich neuerdings gewaltig ge-
ändert. Kam man vorher vor lauter Nichtungsdebatten und -kämpfen
zu keiner prattiſchen Tätigbeit, ſo jekt, nach der Trennung um ſo mehr,
Unſere Mitglieder ſeßen ſich zu allermeiſt aus 14- bis 16jährigen zu-
ſammen, während 25 vorher die 17- bis 18jährigen waren, die den Ton
angaben, Die Diskuſſion8- und Leſeabende geſtalteten ſich ruhiger und
ſachlicher und damit viel gehaltvoller. In das Vortragsweſen kam etwas
mehr Syſtem. Die Organiſationzarbeit wurde intenſiver, die Agitation
Tebhafter und Hatte viel Grfolg. Eine Anzahl junger wie älterer Leiter
ſtrömten dem „Arbeiterjugendbund“ -- ſo heißt jekt der ehe-
malige „Jugendbund“ -=- aufs neue zu, die in regelmäßigen Leiterkurſen
allwöchentlich zuſammenkommen und ihre Erfahrungen austauſchen, Für
die Geſamtorganiſation haben wir noch einen Kurſus über „Soziali8-
nus“, den unſer Geſchäftsführer, Genoſſe F. S <hu lt, leitet, Daneben
exiſtiert ein Volk8tangkurſu8 und ein Kurſus für Muſikanten. All-
wöchentlih kommen außerdem unſere Rezitatoren zujammen zu
Uebungen in der Ausſprache und zur Einführung in unſere Literatur.
Neben dem Vorſtand arbeitet noch zentral ein „Ausſchuß für Sta-
tiftik und Agitation“, der die Werbearbeit vorbereitet und die Statiſtik
pflegt. Dann vor allem noch eine „Jugendſchutßkommiſſion"“, die zu-
ſammen mit den Gewerkſchaften, ihren Lehrlingsſhußkommiſſionen und
Jugendſektionen und dem Arbeiterſekretariat helfen ſoll, wo fie bann.
Manch ſchönen Erfolg kann dieſe Kommiſſion ſchon buchen. Dazu kommt
noh ein „Wanderausſchuß“, der das Gebiet der Wanderei, der Spiele,
der Volk3ztänze und der Muſik bearbeitet. Eine Kartenleihzentrale wird
in dieſen Tagen eingerichtet, die im Sommer alle Abteilungen mit Meß-
tiſchblättern und Generalſtab8karten verſorgen ſol. Ein Führerfurſus,
beſtehend aus drei Kurſu8abenden und einer Wanderung, hat gerade
ießt abgeſchloſſen; ex wurde von 85 Jugendgenoſſen und =genoſſinnen
bejucht. Ein Preſſcausſc<huß bearbeitet die Beilage „Die arbeitende
Jugend“ de38 „Hamburger Ec<h08" gemeinſam mit der Redaktion. „Die
arbeitende Jugend“ erſcheint nach mehr als zweijähriger Unterbrechung
von neuem, und wir hoffen, daß ſie uns in der Agitation waer unter-
itüßen und uns viel Anregung und geiſtige Förderung bietew wird.
Wir beſißen jet auch wieder einige eigene Räume (7), von denen
ziwer für beſcheidene Anforderungen den Namen „Jugendheim“ tragen
können. Der größte Teil der Abteilungen iſt in Schulen untergebracht,
in Turnhallen, Klaſſen=, Muſik- oder Zeichenzimmern. Ein Teil der
Abteilungen hauſt noch in Wirtslokalitäten. Unſere größte Sorge iſt
im Augenbli: Wie bringen wir die Gelder auf für Miete und ECnt-
ſchädigung der Schuldiener? Jedoch hoffen wir auch hier auf einen
guten Austweg.
Au3 den Kreiſen unſerer ehemaligen Mitglieder, die als Achtzehn-
jährige bei un3 ausſchieden, hat ſich ein „Jungſozialiſtiſcher Verein“ ge-
gründet, Alus denrelben Kreiſen, gemeinſam mit anderen Gruppen che-
nmaliger Jugendbündler ſowie der Leiterſchaft des: „Arbeiterjugend-
bunde8“, iſt eine Monatsſchrift entſtanden, „Aufwärts“ (Freie Mo-
natsſchrift für das geiſtige Leben der jungen Arbeiter und Arbeite-
rinnen Deutſchland8, Redaktion Max Weſtphal, Hamburg 39, For3mann-
ſtraße 28). = Die Wege, die hier beſchritten wurden, find neu, und über
die biSherige Entwieklung können wir nur Gutes berichten. Der „Jung-
ſozialiſtiſche Verein“ beſteht aus rund 400 Mitgliedern, die Monats-
ſchrift iſt in dritter Nummer erſchiewren und hat eine regelmäßige Anf=
lage von 1500 Exemplaren.
- Von unſerer Oſteragitation könntg ih Euch noch berichten, doch es
iſt ja ſelbſtverſtändlich, daß wir un3 rühren =- dazu ſind wir ja eine
Jugendbewegung! Kürzlich waren wir alle zu einer Theateraufführung
im neuen Thalia-Theater zuſammen. Die „Geſellſchaft für dramatiſche
Kunſt“ unter Dr. Ohnſorg gab unz das feine plattdeutſche Stü „Mudider
Metve3“ von Friß Stavenhagen. Daz Haus war „auzverkauft“. Ihr
ſeht alſo: hier herrſcht Leben!
Vier ſ<were Kriegsjahre haben wir hinter uns, eine zehnjährige
Arbeit, ein großes Frieden3zwerf war zerſtört. Wir gehen jetzt mit
friſchen Kräffen und mit neuem Mut an die Arbeit. Möge fie uns
überall in Deutſchland -- wie hier in Hamburg = von Erfolg zu Erfolg
führen! Noch manch ſchwerer Kampf iſt auszufechten, vieles zu Über=
winden, doch verzage keiner! Neue Ziele tauchen auf, reinere und
hellere und größere =, auf die ſtreben wir zu. Jeder einzelne ſei dabei
und ſtehe ſeinen Mann! Jedes Ziel iſt nur zu erreichen durch Arbeit.
Je friſcher umd fröhlicer unſere Arbeit, um ſo ſchneller ſind wir am
Ziel. Willſt Du mit, Arbeiterjugend? Dann hinein in die Arbeiter-
jugendbetvegung! Nug. Albrecht-Hamburg.
EE us der Jugendbewegung [WBI]
Jugendkonferenz der Oberlauſit,.
Aus Kamenz wird uns geſchrieben: Am Sonntag, den 16. März,
fanden ſich die Vertreter der Jugendausſchüſſe und Jugendorganiſationen
der ſächſiſchen Oberlauſiz ſowie der drei oſtſächſiſchen früheren Reich8-
tagswahlkreiſe zu einer gemeinſamen Beſprechung zuſammen. Recht
zahlreich waren die Delegierten der Orte Zittau, Baußen, Kamenz,
Neugersdvrf, Gber8bach, Eibau und Lauba-Lawalde erſchiewen. Zwe
der Tagung war, die ſozialiſtiſche Jugend der Oberlauſit, die durch die
Revolution von ihren drükendſten Feſſeln befreit iſt, zu neuer fruchibarer
Arbeit zu ſammeln, Die Konferenz wurde um 9 Uhr vormittags in der
Tonhalle zu Löbau i. Sa. mit folgender Tage3ordnung eröffnet: 1. Be-
richt der Jugendorganiſationen; 2. Gemeinſame Agitation (Referent:
Genoſſe Kunze-Neuger3dorf); 3. Allgemeine Fragen,
Den Berichten der einzelnen Jugendorganiſationen war zu ent=
nehmen, daß dieſe ſich troß de3 Krieges und ſeiner für die Bewegung
verhängmisvollen Begbeiterſcheinungen in den meiſben Orten tapfer ge-
halten haben und daß man nach vollzogener Befreiung aus geiſtiger und
politiſcher Knechtſchaft feſt entſchloſſen iſt, die Jozialiſtiſche Jugendbewe-
gung der ſächſiſchen Oberlauſik mit allen Kräften wieder aufzurichten.
Genoſſe Ku n3e = Neugers8dorf ſchilderte hierauf in ſeinem Referat
einleitend die Lage der arbeitenden Jugend während des Krieges. Dur)
die Revolution ſei auch die Arbeiterjugend von den hemmenden Geſeße3-
paragraphen und behördlichen Unterdrü>ungsmaßnahmen frei geworden.
Für die Zukunft empfahl er aus praktiſchen Erwägungen und Erfah-
rungen heraus die loſe Organiſation8form und in dieſer das Zuſammen-
wirken von Jugendlichen und Erwachſenen der politiſch und gewerk»-
ſchaftlich organiſierten Arbeiterſchaft. Mit der bürgerlichen Jugend-
bewegung ſei jede Gemeinſchaft abzulehnen. Unſere wichtigſte Aufgabe
ſei, die jungen Menſchen ohne Unterſchied de8 Geſchlechts für die Aufs=
mahme des neuen ſozialiſtiſchen Geiſtes empfänglich zu machen und ſo