Arbeiter» Iugend
- „Nee, Karl, ic) habe ja kein Fieber mehr, und dann freue
ich mid), wenn ih in dem ewigen Einerlei etwas Abwechſlung habe.“
„Nun gut, ſo will ich yerjuchen, Dir die Sache verſtändlich zu *
machen. Daß die verſchiedenen Zweige der Arbeiterverſicherung
nicht einheitlich geſtaltet ſind, hat ſeine Urſache vor allem darin,
daß das Verſicherungsweſen ſo, wie es heute iſt, nicht auf einmal
entſtanden iſt. Stelle Dir alſo vor, daß der Bau der deutſchen
Arbeiterverſichherung zunächſt nur ſtufenweiſe errichtet wurde, von
der Kranken- über die Unfall- zur Jnvalidenvorſicherung. Weiter-
hin iſt das Ganze dann unter Wahrung der Grundgedanken und
der organiſatoriſchen Grundlagen aus8geſtaltet, im einzelnen ge-
ändert und weſentlich erweitert worden.“ |
So recht habe iM Deine
„Da3 war aber gelehrt ausgedrückt!
Worte no< nicht begriffen.“
„Na, dann will ich 93 ander3 au8drü>ken. Wenn ich nicht irre,
habe ich Dir ſchon einmal geſagt, daß da3 jetzige Gebilde der
Arbeiterverſicherung, die RNeichsverſicherung8ordnung oder die
.„V.O., wie mtin kurz ſagt, nicht auf einmal entſtanden iſt, ſomdern
daß die verſchiedenen Zweige nach und nach angegliedert und -
im Laufe der Jahre ergänzt und erweitert worden ſind.“
„Deſſen kann ich mich noch erinnern. Aber deShalb kann ih
nicht einſehen, warum .man kei Schaffung 'der R.V.O., da3 ganze
Veorſicherungsweſen nicht einheit-
'Fürſcraepflt <t zu übernehmen.
„Da3 ſehe i%: vollkommen ein. Aber warum haben- es die
Arbeiter denn nicht verſtanden, ſich in dieſem wichtigen Zweig
Einfluß zu ſichern2"“
„Xa, lieber Peter, vergiß nicht, daß die Arbeiter damals in
der Regierung gar keinen Einfluß hatten, und im Parlament
konnten fie ihren Willen auch nicht durc<hjeten. I< gebe mich aber
der Hoffnung hin, daß dieier unleidliche Zuſtand in Zufunft doh
im Sinne der Arbeiterſchaft geändert wird. I< nehme an, daß
Du nun die Sache mit ganz anderen Augen anſiehſt.“
„Ja, nun verſtehe ich manche8, was ich mir erſt nicht erflären
konnte. Nun ſage mr abcr auc<h, warum meine Mutter kein
Krankengeld bekommt.“
„Gern! Bei einem Verſicherung3fall, der durch Betrieb3-
unfall eintritt, hat die Krankenkaſſe für die erſten 13 Wochen die
Zſt der Verletzte nam Ablauf
der 13 Wochen no<h nicht geſund, ſo tritt die Beruf8genoſſenſchaft
an Stelle der Krankenkaſſe. Sie kann dieſe aber gegen Rüc-
erſtattung der Koſten mit der weiteren Fürſorgepflicht des Ver-
letzten betrauen.“
„Daraus kann ich aber immer noch nicht entnehmen, warum
' meine Mutter kein Krankengeld für mich bekommt.“
„Das will 19) Dir gleich
lich goſtaltet hat.“
„Da gebe ich Dir vollkommen
recht. Leider waren aber ſoviele
Hinderniſſe zu überwinden, daß
eben nicht alle Teile der Atbeiter-
verſicherung unter einen Hut zu
bringen waren.“ |
„Xa warum denn nicht?
Wenn die Regierung und der
Roichs8tag erklärt hätten, es muß
ſein, dann hätte e3 do gehen
müſſen.“
„Voraiß nicht Peter, daß die
Nogierung, die wir bis zur Ne-
volntion hatten, die Negierung
eines kapitaliſtiſchen Klaſſen-
ſtaates war. Sie hatte vor allen
Dingen Rückſichtauf das Intereſſe
. der Kapitaliſten zu nehmen, von
denen ſie abhängig war.“
„3a, die haben aber doch
mit der Urbeiterverſicherung
nicht8 zu tun! Die iſt doch nur |
für die Arbeiterſchaft da!“
„Das iſt wohl richtig, aber
die Arbeitgeber haben dod) durch
ihre Beitragsleiſtung, in einen
Zweige mehr und im andern
weniger, auch ein Intereſſe an
dieſer Einrichtung, das natürlich
in erſter Linie nur ein finanzielles
iſt. Ic< will Dich nur an einen
zember 1919 mindeſtens
Auflage von rund
Unaufhörlich aufwärts!
Ein Jahr Arbeiterjugendbewegung.
JIugendgenoſſen!
H Am 1. Januar 1919 zählten wir ungefähr 250 Arbeiter-
: jugend-Vereine und Jugendausſ<hüſſe, Ende De-
483 Arbeiterjugend-Vereine.
Am 1.Ianuar 1919 betrug die Auflageder „Arbeiter- Jugend“
etwa 30 000 Exemplare. Wir ſchloſſen das Jahr 1919 ab mit einer
60000 Exemplaren.
Langſam, aber ſicher ſind wir gewachſen und auch innerlich
erftarkt Unſere Jugendbewegung iſt echt jugendlich, kerngeſund
und lebensfroh. An der künftigen Entwicklung, Geſunderhaltung
und weiteren Stärkung unſerer Bewegung wollen
wir alle
auch im neuen Jahre arbeiten. -- Die erſten
100000 Mitglieder
müſſen recht bald erreicht werden! Frohgemut und kampfesmutig
begrüßen wir auch das neue Jahr.
ſagen. Hier ſind die Beſtim-
mungen der Krankenve: ſicherung
reip der Kaſſenſaßung maßge-
bend. Danac< kann Ha.1sgeld,
mc<ht Kranfengetd, wie Du irr-
tümlich fagſt, nur gewährt wer-
den, wenn der Verſicherte ſeine
Angehörigen ganz oder über-
wiegend unterhalten hat.“
„Das habe ich do, Karl!
IH muß doc) meinen ganzen
Lohn zu Hauſe abgeben!“
„3a, lieber KReter, Dein
Lohn iſt im Verhältnis ZÜ dem
Einfommen Deiner Mutter ſehr
gering. Außer ihrer fleinen
Rente, die ſie bezieht, verdient
ſie ſelbſt, und dann kommt noc
hinzu, daß ſie von Deiner
Schweſter, die mehr verdient als
Du, Koſt- und Logisgeld erhält.
Im Verhältnis zu dem Geſamt-
einfommen Deiner Mutter, macht
Dein Lohn, den Du abgibſt, noch
nicht einmal den fünften Teil aus,
ſo daß von einem „vorwiegen-
den“ Unterhalten Deiner Matter
Deinerſeits keine Rede jein kann.“
„Das ſehe ich ja ein, aber
was foll denn nun mit meiner
Mutter werden? Könnte man
denn nicht durch ein Geſuch an
die Berufsgenoſſenſchaft eine
00200 .00 0000202888
Der Hauptvorſtand.
ganz kraſſen Fall erinnern,
Bei der Beratung der NR. VO,
beabſichtigte die damalige Regierung, den Arbeitgebern in der
Krankenverſicherung dieſelben Rechte einzuräumen wie den Ar-
beitnehmern. Sie ſollten dafür aber auch die Hälfte der Beiträge
übernehmen. Dagegen wehrten ſie ſich, und es blieb beim alten.“ -
„Das kann, ich ihnen nachfühlen, wenn ſie nicht mehr zahlen
Wollen, als ſie unbedingt müſſen und lieker auf größere Rechte.
verzichten. “
„Siehſt Du, wenn man -ekwa3 hinter die Kuliſſen gut, ſicht
die Sac<he immer ganz anders aus! Bei der Znvalidenverſicherung
war eine Aenderung nicht nötig, weil dort die Halbierung Der
Rechte und Pflichten ſ<on beſtand.“
„Und bei der Unfallverſiherung? Da hätten die Arbeitgeber
doch froh ſein müſſen, wenn ſie einen Teil der Beiträge auf die
Arbeiter abwälzen konnten!“
„Oberflächlich betrachtet magſt Du re<t haben. Die. Sache
hat aber auch no< einen Häken. In den Berufsgenoſſenſchaften,
die die Träger der Unfallverſicherung ſind, ſiben die Arbeitgeber
ganz allein, Sie regieren dort unumſ<hränkt und wiſſen auch ganz
genau, warum ſie die Arbeiter nicht dazwiſchen haben wollen,
Denn wenn die Arbeiter dort etwas zu ſagen hätten, würde die
jeßt geübte Rentenquetſcherei ſehr bald ein Ende nehmen. DeZ3-
halb haben die Unternehmer keine Sehnſucht, das jett beſtehende
Syſtem zu ändern, denn je mehr und je höhere Unfallrenten zu
müſſen.“ ſind, um fo höher ſind die Beiträge, die ſie entrichten
müſſen.“ .
: könnteſt.
Unterſtüzung für fie erhalten?
„Nein, dieſe darf nach den beſtehenden Beſtimmungen keine
Bittel aus8g-ben, die geſetzlich nicht gerechtfertigt find. Anders
läge die Sache, wenn Du älter wärſt und ſoviel verdienteſt, daß
Du von Deincm Lohn Deine Mutter überwiegend unterhalten
Dann hätte ſie Sausgeld zu beanſpruchen, genau ſo,
als ob ſie vergeiratet wäre und der Familienvater einen Unfall
erlitten batte.“
Tas ſind ja ſchöne Ausſichten, das Ende vom Liede wird
ſein, daß meine Mutter benachteiligt wird.“
„Ja, mein lieber Junge, das iſt bedauerlich. Die geſeßlichen
Beſtimmungen lauten. nun einmal ſo, und da läßt ſic an der
ganzen Sache nichts ändern. Mir fällt aber eben ein, daß nach
unſerer Kaſſenſaßung ein ſogenanntes Taſchengeld als Mehr-
leiſtung gewährt wird. E38 iſt nicht viel, aber e8 ſind doch einige
Groſchen, und ich will bei der Kaſſe vorſprechen und dafür ſorgen,
daß Deine Mutter das Geld abheben kann.“
„I< danke Dir, Karl. Du biſt doch immer der Alte.
Du jemand helfen kannſt, ſ<heuſt Du keine Mühe.“
Laß nur Dein Lob, ich tue nur meine Pflicht. Jett will i9 -
aber gehen, damit Du Dich nicht überanſtrengſt. Sonntag komme
ich wieder; ich hole dann Deine Mutter und Deine Schweſter ab
und komme mit ihnen zuſammen. Für heute leb wohl und halte
Dich gut, damit Du bald aus dem Krankenhaus herauskommſt.“
„Auf Wiederſehen, Karl! Wir wollen da3 Beſte hoffen.“ Tre.
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