Full text: Arbeiter-Jugend - 12.1920 (12)

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Arbeiter- Jugend 
 
 
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Grundſäßklich können darum die Arbeiterſchaft und deren ge- 
werkichaftliche Organiſationen in der Geſamtregelung der Arbeits- 
verhältniſſe dur< Tarifverträge auf die Regelung des Lehrlings- 
weſens nicht verzichten. Dies kann nicht Sache des Lehrlings ſelbſt 
jein, der durch das Geſet der väterlichen Zucht de3 Lehrherrn aus- 
geliefert iſt, noch der Eltern, die im Betrieb nicht3 dreinzureden 
haken und darum ihre Rechte iden BotriebSarbeitern oder vielmehr 
der zuſtändigen Organiſation übertragen müſſen. . 
ſt ider Lehrling zum Teil in ſeiner AuSbildung auf die Ge- 
hilfenſchaft angewieſen, ſo muß dieſe auch einen Teil der Rechte 
des Lehrmeiſters übertragen bekommen. Aber nicht nur das. Die 
Eltern und Vertreter des Lehrlings müſſen durc< ausreichende 
Entſchädigungsſäße im Lehr- reſp. Tarifvertrag in die Lage gc 
ſekt werden, die Laſten der Erhaltung de8 Lehrlings während der 
Dauer der Lehrzeit zu tragen. Das darf nicht einſeitiger Feſt- 
ſekung der Junungen überlaſſen bleiben, da dieſe in der ange- 
meſſenen Entſchädigung des Lehrlings den Zuſammenbruch des 
Sandwerks erbliken. Aehnliche Bedeutung hat die Dauer der 
Lehrzeit, die die Handwerksmeiſter, ſtatt ſie auf das Windeſtmaß 
zu beſchränken, eher zu verlängern geneigt ſind. 
Auch der obligatoriſche Fortbildung8- und Gewerboſehnlbeſuch 
iſt für die Innungen ein Stein ides Anſtoßes, Sie ſind weit ent- 
fernt davon, die Notwendigkeit theoretiſcher Unterweiſung des 
Lohrlings anzuerkennen. E38 handelt ſich für ſie nur um Zuſam- 
menzählung der durch die Schulpflicht ausfallenden Arbeitsſtun- 
den, die doH der Ausbildung zugute kommen und die Leiſtungs2- 
fähigkeit des Lehrlings erhöhen. Auch die in Hamburg um ein 
Iahr verlängerte Schulzeit, die dem künftigen Lehrling erhöhte 
körperliche und geiſtige Neife garantiert und dadurch wejentlic) 
ſcine Leiſtungsfähigkeit ſteigert, wird von dem Arbeitgeber nicht 
in Rechnung geſtellt. E3 zeugt dies von einer ſozialen Rückſtandig- 
feit, die kaum übertroffen werden kann. 
Der kraſſe Unverſtand tritt vor allem im Schloſſeraeworbe in 
Erſcheinung, wo jeder Lehrmeiſter ohne Geſellen vier Lehr- 
linge halten will. Ob in dieſen Fällen dem Lehrmeiſter vie ſach- 
gentäße Ausbildung der Lehrlinge oder das Beitreben, billige Ar- 
beitsfräfte zu erhalten, mehr am Herzen liegt, dos. zu enticheiven 
ſei dem Urteil der Leſer überlaſſen. 
Alle Gründe der Vernunft und Billigkoit und nicht zulctht 
auch die geſeklichen Beſtimmungen ſprechen alſo für ein Witbe- 
ſtimmung53=- und Aufſichtsrec<ht der gewerkſchaftlic<en Organiſa- 
tionen, wm den Schuß der Lehrlinge und deren ſachgemäße Aus- 
biſdung ſicherzuſtellen. E. Lanz- Hamburg. 
 
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2201 (Uus Jer Jugendbewegung 15:52 
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Zum Feichoiugeudtag. 
Und ob wir wollen = wie Hans Turß am Schluß ſeines 
Artikelä in Nr. 7/8 fragte? Natürlich rufen wir. alle begeijtert ja ! 
Denn jeder, dex amy) mur ein klein wenig Intereſſe bat für unſere 
Bawegung, beat den Wunſch, einmal mit Genoſſen und Genoſſimtren 
aus den anderen Gegenden guſjammenzutfonmmen, 
„Sa, wir wollen, aber wir können nicht!" lauten 
bäufig die Antworten, die wir erhalten, wenn wir jn Vereinen Herunme 
fragen. Erkundigt man ſich dann nach den Gründen, ſo kommt inuner 
wieder heraus, daß viele Genoſſen keine Fexien erhalten, und. wenn ſie 
welche befommen, fo ſind es Höchſtens ſechs Tage. 
Durch Den Streik, der vor Turgem ſtattfand, ſind e3 ſogar noch 
weniger Networden, denn die Unternehmer bekommen es fertig und 
vechnen die Streiktage als Ferientage. Inwieweit ihnen das zuſteht, 
wiſſen wir nicht. (Natürlich ſteht es ihnen nicht zu. Die doriigen 
Iugendgenoſſen müſſen gegen ſolc<e Verſuche den Schuß der organiſierten 
Arbeiterſchaft in Anſpruch nehmen. Red.) 
Mſo, wie gefagt, viele bekommen Feine Ferien. Da wird e8 
wohl unſere Aufgabe ſein, dafür zu ſorgen, daß noch in dieſem Jahr 
jämtlichen Lehrlingen und Lehrmädchen ein Erholungsurlaub gewährt 
wird. Unſere Vertreter in bier Regierung werden da einmal ganz ener- 
giſch vorgehen müſſen. Denn außer dem Achtſtundentag hat die Jugend 
weiter nichts von den neuen Errungenſchaften zu ſehen bekommen, 
Selbſt der Unterricht än den Fortbildungsſc<ulen iſt noch imaner der 
alte. Darüber könnte ic> noch verſchiedenes vorbringen, was aber heute 
nicht zur Sache gehört. Jedenfalls" ſehen wir bei jeder Gelegcrheit, 
daB ein Reichöjugendſ<uz dringend nowwvendig iſt, und daß wir nicht 
ruhen dürfen, immer wieder unſere Genoiſen in der Regierung darauf 
aufmertſam zu machen. ' 
Vor allem aber muß es unſere Aufgabe ſein, dafür Sorge zu 
tragen, daß die Forderung: „Wewährunung eines Erholuiugs- 
 
urlaubs für Sehrlinge und jugendliche Ürbeiter 
und Arbeiterinnen“ no<G in dieſem Jahre reſtlos 
dUrhgeführt wird. Erſt dann, wenn dieſe Forderung erfüllt 
iſt, iſt die Gewähr gegeben, daß der Jugendtag das wird, was wir alle 
von ihm boffen. Willi Pfeiffer. 
(Amin, d. Red.: Für die Allgemeinheit wird dieſe Frage erſt in dem 
bevorſtehenden Reichsjugendgeſeß geregelt werden. Aber vaß das längſt 
erwartete Geſet noch rechtzeitig zu unferem Jugendtag beraus3kommt, 
iſt beidex ſchwerlich anzunehmen. Da bleibt den Jugendgenoſſen, die 
gültiger Ordnung. 
noch keine Ferien baben, nicht38 übrig, als daß ſie durch die berufenen 
Arbeiterorganiſationen und vor allem durch die Betriebsräte auf die 
Unternehnier einen Drud ausüben. Am zweärmäßigften iſt e8, wenit 
überall unſere Vereine die planmäßige Durchführung dieſcr Aufgabe 
in die Hand nehmen. Nur ſo kann die Forderung des Jugendgenoſſen 
Pfeiffer no< rechtzeitig bis zu unſereumt Jugendtag durchgeſckt verden.) 
& , 
Maifeier der Hamburger Arbeiterjugend, 
Aus Hamburg wird uns geſ<hrieven: 
Das war unſere fämpfende Jugend, ein fröhliche8, mutige3, be- 
geiſtertes Jungvoolfk! Ein Maizug von über 2500 Jungen und Wädeln 
(gebildet nur von den ſtadthamburgiſchen Abteilungen, da die Altonaer, 
Otienjfener, Bahrenfelder, Wandsbekern, Schiffbeker und Wilhelm8burger 
in ihren Orten demonſtriexten) zog in breitem Neihen durch die 
Straßen. Dew Zuſchauern (allen?) bot ſich ein erbauliche8 Bild, und 
ſichtlich erfreuten ſie ſic) an der klingenden Kiampf- und Geigenmuſif, 
die in friſchem Wanderſchritt dem Zug voranmarſchicrte, Sie wunderven 
jich über ſoviel geſchmücdie Jugend umd lachten Über die fliegenden Zöpfe 
der Mädel, jie ſtaunton über die Tmtjende von hellen Jugendkehlen, 
die unermüdlich Kampfeslieder ſangen. Und erſt recht erſtaunlich mögen 
“hnen die vielen Standarten vorgekommen ſein, mit den Jugenmdforde- 
vungen, dem Jiüugendivillen, den dies Iungproletariat aum Ausdruck 
brachte, Unſer Jugendprogramm wandelte da lebendig durch die 
Straßen. | 
Viel Aufſelen erregten die Auſſchrifien? „Wir werden niemais in 
den Krien giebhen!" „Wir werden immer für den Völkerfrieden wirken!" 
Ein Schild! „Die Einheit der ſozialiſtiſchen Arbeiterſhafb muß aus der 
Arbeiterjugend neu erſtehen", das mußle doch jeden jungen Genoſſen 
und jede junge Genoſſin entfſammen zum begeiſterten Mittun, und 
mandem alten Genoſſen mag es heimlich wcb und doc? vielleicht auch 
boffnungsfreh dur<s Herz gezukt ſein. Und dann dig vielen, vifrig 
Tätigen rechts und links des Zuges! Wie ſie unſeren „Jugend-Mci" 
verkauften, Auftlärumzgs8ſchriften verteilicn! Ia, die Jugend war kühn 
dabei, In vie Elektriſchen Bahnen, die Alſterdampfer, in alle NRefſtau- 
rants drang ſie ein und verfaufte viel und zu guten Preiſen. Die 
Eifrigen hielten ſogar bts Auto8 an und verkauften Fahrern und Jus 
ſaſſen manche Maikarte, Die Jugendgeſichter glübten, 
Auf der Feſtwieſe: wieder ein beſonderes Vild! Geeint mit der 
au Hunderttauſenden hevbeigeſtrömten erwachſenen Arbeiterſchaft auf 
dem großen, grünen Pian, 1h4loß ſich der Jugendfeſiring am Waldes 
vand eng zuſammen, umrahmt von vielen jaugen umd alten Zithörern. 
GE3 war eine kurze, begeitternde Feoiexſtunde. Sie wirxit uns ettoas 
Bleibendes ſein, das wir mit hinausnehmen in das Kamwpfeslevern, 
deſſen wir uns allzeit erinnerw werden, auch wenn wir 1tichb mehr 
Jugend ſind. Und wonn einſt der Erſte Mai uns wievberum fragt, wie 
Mar Weſtphal uns fragte: „Kämpffſt Du noch Geonoſſe?"“, biſt Du 
ſchon müde geworden, Genoffin?, dann wird unſerer im Stiaktpark 
zuhauf gewejenen Kämpferſchar der 1, Mai 1920 neu ius Godaächinis 
leuchten unt alle Stillgeivordenen werden in neuem Kampfesmut ji 
dem MWMaigedanken anſchließew und es belebend führen? „Noch iſt 
Kampfesgeit." = 
Unſere außerhamburgiſchen Abteilungen ſind den Demonſtration3- 
zügen der evwachfenen Arbeiter voranmarichert und auf allen Foſt» 
veranſtaltungen war, hier wie in Hamburg jelbſt, die Jugend rege täing, 
Wie woch nie iſt an dieſem 1. Mai der Gedanke der Zugend fund ges 
worden und hat ſich durchgeicht. In Groß-Samburg war der Maie 
feittag für die Arbeiterjugend ein Sieg auf dar ganzen Linie! A, D. 
X 
Mai-IJtgenötag der Berliner Arbeiterjugend, 
- Aus Boxlin joixrd uns berichtet: Wir hielten Heerſ<au, «. 
Vd der Erfolg, ex war größer, ais wir es uns träumen ließen, Ucber 
2500 Teilnehmer füllten die Wieſe in Kaul8dorf=Sitid. Vor zwei Jahren 
noch, am 9. Auguſt 1918, waren e8 nur wenige Hundert geweſen, die 
am gleichen Plas für unſcre Forderungen eintraten. Die Jugend-. 
bewezung war damols ja durch die Spaltung zerſtört, Weit, weit ent- 
fernt ſchien das Ziel, daß wir je wieder bie Teilnehmerzahl wie in 
früheren Jahren erreichen würden. Noch iſt e3 nicht ſo weit; aber 
eine wichtige Ctappe zu dieſem Ziel iſt an dieſein Maifeſt erreicht 
worden. Wir danken das der unermüdlichen, zähen und ausd«awernden 
Arbeit jener wenigen Treuen, die auch im Auguſt 1918 ſchon für unſere 
Beſirebungen eingetreten ſind, 
- Unfer Mai-Jugendtag war aber auch eine Machtprobe. Unſere 
Unk3radifalen Gegner veranſtalteten. am gleichen Tag, ebenfalls ix 
Kaunlsdorf= Süd, im Reſtaurant Pferdebucht, einen Fugendlag, aum ſotvohi 
für die wirtſchaftlichen Forderungen, al8 auch für die Diktatur des 
Proletariats, vie Weltrevolution, die dritte Internationale und Sotvjet- 
Rußland zu. demonſtrieren. Ylle8 haben ſie Zuſammengetrommelt, vas 
irgendwie aufzutreiben war. Es nahmen lie „Freie ſozialiſtiſche 
Jugend“, die „Sozialiſtiſche Proletarierjugend“ und nod eine Unzahl 
gewertſchaftlicher Jugendfektionen teil. Urſprünglich hatten die KLitäs- 
radikalen auch die Wbſicht, un3 zu zwingen, ihren Demonſtrationszug 
mitzumachen, als ſie aber unſere Stärke Ffahen, ließen ſie davon ab. 
Durch gang einwandfreie Augenzeugen Fonnten wir feſtſtellen, daß die 
Teilnehmerzahl jener zuſammengenommen höchſtens um einige Hundert 
größer, als die unſrige war. Wir haben aljo die Machtprove beſtanden: 
Der Tag gab uns die Gewißheit, daß wir wieder die ſtärkite 
Jugendbewegung Berlins ſind | | 
Der Aufmarſch zu unſerem Mai-Jugendtag vollzog ſich in muſter« 
1. Schon beträchtlich vor der feſtgeſekhten Zeit trafen 
die einzelnen Übteilungen in langen Zügen auf der Feſtwieſe im 
Reſtaurant Sansſouci ein. Alle führten große rote Fahnen und Bannex,
	        
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