Full text: Arbeiter-Jugend - 12.1920 (12)

Arbeiker- Jugend 
ungeſtört haben, was in Jahrhunderten wuc<h38 und gedieh, dort überali 
ſuchte er die heiiſame Schönheit de8 eigenartig Feſten, 
Er ſagt da3 nicht, aber man ſpürt, wie lebendig dieſer Trieb in ihm 
wirkte. Um das zu finden, muß man aber Wege einſchlagen, die nicht 
von dem großen Trott aus8getreten ſind, nruß man nicht bloß in Bahn 
zügen von Stadt zu Stadt raſen, muß man allem, wa3 NReiſemode iſt, 
mit fluger Scheu zu entſagen wiſſen. Wie viel auch die Großſtadt für 
die Zukunft bedeutet, immer doch 1ſt ſie heute no< ein Unfertiges, und 
das gilt auch von den Menſchen, die durch ihren Keſſel geriſſen werden. 
Fertigkeit aber, Einheit zwiſchen Menſch und Umwelt iſt da draußen 
viele Stre>en weit immer noch zu finden; man muß nur zu finden 
wiſſen, was ſich natürlich zuſammengeſchloſſen hat. 
Gebiet3wanderer muß man werden, und da8 nun iſt Leſſen. DeZ»-. 
halb runden bie zwölf Kapitel ſeines Wanderbuch8 ſich ſo gut zu einem 
- Auä3drud jeweil8 anderer Eigenart. Er wandert an Strömen entlang, 
und Ströme haben immer -=-- da3 beweiſt die Geſchichte =- eine ſtarke 
verbindende Kraft beſeſſen. Die Elbe, dex Main, die Lahn, die Donau 
find ſeine Straßen. Er ſucht Seen und. Seengebiete: den Spreewald, 
Bodenſee, Shle3wig-Holſtein, Me>lenburg. Und wie hier das Einheit- 
liche auf ihn eindringt, ſo findet er's auc im Gebiet des märkiſchen 
Sandes, in Grenzlanden zwiſ<en Bayern und Böhmen, in nieder- 
deutſchen Backſteinſtädten und in heimnatlich ganz anders bedingten alt- 
bayeriſchen Städten. Jmmer ſicht er viel, vor allem auch die Menſchen 
als bodenwurzelnde Teile ihres Wohngebiets, aber weil er zugleich ein 
ſchönheitfroher Genießer iſt, fühlt man oft Pulsſchläge de38 Lebens, das 
in dem durchwanderten Land formend und zuſammenhaltend wirbt. 
Hier alſo iſt uns ein Wanderbuch geſchenkt, ta8 man aus manchen 
Griündew gut heißem darf, und man möchte wünſchen, e38 bliebe nicht bei 
dieſem einen, dem Jlſe Schühbe-Schur mit einex Menge landſchaftlicher, 
ſtädtebaulicher Federgeichnungen einen Schmud, der die Wanderluſt 
freudig anreizt, geben konnte, ſrd. 
LF 
Wanderfahrten in Thüringen. 
Von C Schre 
PI ufnach Weimar! Dort will die arbeitende Jugend Deutſch» 
lands ſich ein Stelldichein geben und am Geburt3tag Gocthes 
 
T€ ernſten Rat pflegen für den weiteren Aufſtieg unſerer Jungvolk- 
bewegunn Wer hat nicht ſchon ſtarke Scehnjucht danach empfunden, 
einmal an ten Stätten zu weilen, wo einſt ein mächtiger Geiſt herr- 
lie Dichtungen formte und der Menſchheit die Pfade wies, die zur Er 
fenntnis führen! Vermehrt iſt das Intereſſe an Weimar dur< die 
Tatſache, daß dort der jungen deutſchen R epublit und damit dem Jung- 
volk die Grundrechte der Freiheit in einer Verfaſſung gegeben 
wurden. Und nun will die Jugend ſelbſt nach Weimar wallfahren; wo- 
bei der Wunſch beſteht, jezt auch wenigſtens einen Teil der ſo geprieſe- 
nen Schönheiten de3 Thüringer Landes auf ſich einwirken zu lajſen, 
Su der Tat, Thüringen bietet Neize von ſtiller und über? 
wältigender Art, ſo daß jeder, der auf feſten Trittlingen die lieblichen 
Täler und ausſicht3reichen Höhen abgeſchritten hat, immer wieder den 
Drang verſpürt, al3 fahrender Schüler dort zu weilen. =- Die ſüdlichen 
Vorlande de8 Thüringer Walde3 weiſen Formationen des geologiſchen 
Mittelalter3 auf, während die Geſteinsſchichten im Kern der Wälder 
nuf die älteſte erdgeſchichtlice Periode zurückführen. Etwa zwei Drittel 
de3 Gebiets ſind mit Wald bede>t. Jur nordweſtlichen Abſchnitt iſt die 
Buche überragend, dagegen beſtimmt im übrigen Teil die Fichte den 
Charatter der Landſchaft. Die Bevölkerung geht in hervorragen 
dem Maße induſtrieller Beſchäftigung nach, Es gibt kaum ein Gebirge, 
in dem ſich wie hier -+ oft in romantiſcher Lage = ſoviel gewerbliche 
Anlagen finden. Da3 gange Gebiet, das in der Münchberger Gegend 
an das Fichtelgebirge ſtößt und weſtlich nahe bei Eiſenach endet, und 
das zu einem. Teil den Namen Frankenwald führt, gilt als Thüringen 
Wald. Der <arakteriitiſche Kammweg iſt dex ſogenannte Rennſteig, 
Offenbar ein alter Krieg8pfad, der von Hörſchel nahe bei Eiſenach bi3Z 
Blankenſtein an dex Saale führt und auf etwa 170 Kilometer Länge 
die Verbindung zwiſchen ailen ausſichtsreichen Höhen bildet. 
Am bekannteſten iſt wohl die Wartburg bei Eiſenach, die auf 
hohem Fels thronend ſhon von Ferne den Wanderer grüßt, und von. 
derem Turm dem Auge ein gar wunderſames Gelände ſich bietet. Von 
reizvollen Sagen iſt die Burg umtwoben, die in ihrem JFunern viele 
Herrlichkeiten aufweiſt, Die geſchichtlichen Verknüpfungen, die Über 
Quther, den Sängerkrieg und die Burſchenſchafter geben, verdienen 
ermſteſte Beachtung. Da unſer Jungvolk, ehe e3 zu diejer Perle Thüringens 
kommt, am Donnerstag, den 2. September, auf dem Inſelsöverg 
(916 Meter) ein großes Treffen veranſtaltet, darf hier geſagt 
werden, daß von ihm aus ſich einer der ichönſte 1 Rundblice erſchließt, 
Außerdem iſt er wegen ſeiner Lage und ſeiner großen Kuppe hervor» 
ragend geeignet für ein buntes Lagerleben, 
Diz Giſenbahnverbindung mit Weimar iſt äußerſt günſtig, 
Von allen Himmelz3richtungen kann die Anfahrt mit dem Perſonenzug 
erfolgen. Damit iſt die Benußung der 4. Klaſſe möglich, und den teuren 
"Fahrpreiſen kann ſ9 etwas begegnet werden. - Schön wäre es, wenn 23 
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dem Vorſtand der Arbeiterjugendvereine gelingen würde, eine Fahr- 
preigzermäßigung für die Teilnehmer an unſerer Veranſtaltung 
zu erwirfen. Sonſt glü>t es vielleicht auf amdere Weiſe, der Jugend 
die Fahrt zu erleichtern. Deutſchlands Not darf nicht dahim führen, daß 
das heranwachſende Geſchlecht verfümmert! 
Sind die Tage in Weimar vorüber, dann ſoll die Fahrt zum 
Inſel3berg und nach der Wartburg gehen. Von Eiſenach läßt 
ſich dann die Rückfahet nach der Heimat leicht dur<führen. Einige 
Wanderwege will ic hier angeben, um die Einteilung und Au3- 
nußung der Zeit zu erleichtern. Zu beachten iſt dabei, daß von Weintar 
aus die Eiſenbahnfahrt über Erfurt, Neudietendorf in der Richtung 
Arnſtadt oder Gotha geht. 
Für tüchtige Wandergegeſellen und ſolche, die noF am Montag abend 
von Weimar bis Blankenburg fahren können, empfehle ich Fahrt 1: 
Untere8 Schwarzatal mit Trippſtein und Schwarzburg, Blumenau ab- 
ſeit8 nach Gehren. (Bahn.) Jlmenau, Kidelhahn, Mahnebach, 
Shmüde, Sc<neekopf, Oberhof, Dietharz. (Bahn.) Friedrich- 
r oda, Inſel8berg, Angedeutet iſt, wo ſich die Benukzung der Bahn jür 
eiwe furze Strecke empfichlt. =“ Fahrt: 2: Eiſfenbabmnfahrt Weimar 
Ilmenau und von dort die unter 1 gezeichnete Stre>e im gemüt- 
lichen Gleichſchritt. = Fahrt 3: Bahnfahrt Weimar - Jl menau, dann 
über Ki>kelhahn und von dort nach Gabelbach, Auerhahn, Stußerbach, 
Goldlauter, Mordfeld, Schmücke, S4<4hneekopf, Gehlberg8-Mühle, 
Oberhof durch Kanzlergrund na; Oberſc<hönau. Rennſteig ſtramm 
entlang zum Inſelöberg, =- Fahrt 4: Wer e8 bequem haben will, fährt, 
wie angegeben, über Arnſtiodt, Plaue, Gräfenroda bi38 Halteſtelle 
Dörrberg und wandert dann nach Oberhof und von dort die 
Wege unter 1 over 3. -- Fahrt 5: Wo mehr ein enges Gebiet abgeſtreift 
werden ſoll und ein konzentriertes Betrachten vorgezogen wird, da be- 
nuße man die Eiſenbahn bis Gotha und von dort bis Georgen- 
thal, Dietharz3 oder Friedrichroda. Von der einzelten 
Stationen löäßt es ſich gemäc<hlich wandern durch romantiſche Täler und 
über ausſicht3reiche Höhen zum Infel3berg. Verſchweigen will ich nibh 
daß das dortine Grbände viele Wanderfroudem bieiet, und daß beſon BE 
die Umgegend von Friedrichroda zum längeren Verbleiben lot. 
Die Schlußfahrt geht vom Inſel38berg den Rennſteig ent» 
lang zur hohen Sonne mit wunderjamem Blik auf die Wart»- 
burg. Din<h die Drachenſ<hlucct führt der Weg ſpäter zu dieſ2r 
hinauf, Noch anregendem Beſuch dort oben geht e3 nach Eiſenach 
und dann heimwärts. 
In dem Gebiet, das durchwandert wird, fällt bei einigem Geſchick 
die Leſchaffung von Nachtquartier nicht allzu ſchwer. Fragt über- 
all nac) den Jugendherbergen oder wendet cu<g an den Gemeindevor- 
ſteher oder die Lehrer! =- Ein Heft<hen „Wandern und Bleiben“ und eine 
„Wogefarte von Thüringen und Franfkonwald“, die von unſerem 
Hauptvorſtand zu beziehen ſind, erleichtern die Fahrteinteilmnig 
und Quartierbeſchaffung. Da ich annehmen darf, daß die wandor*?roße 
Zugend vorher die einſchlägiten beimatfundli<Gew Eücher und Wanider- 
führer durchſchen wird, dürfte ſie die hier gemachten Vorſchläge al3 der 
Anregung dienend begrüßen. 
Die Hauptſache iſt, daß auch rechtzeitig die notwendigen General- 
ſtabs8karten beſchafft werden, ohne die eine gute Fahrt ſich niht 
dur<führen läßt, Am prattiſhſten ſind die von der preußiſchen 
LandeZ3aufnahme berau8gegebenen Kartenſtüe dez 
Deutſchen Reiches (Aus8gabe D), und ztwar die Nummexrn von 
438 bi3 einſchlicßlich 440 und die Stücke 464, 465 und 466, Wer aber 
gleich die volle Ueberſicht über das ganze Gebiet baben will, nimmt noch 
die Nummern 389, 413, 414, 489 und 490 hinzu. Dieſe Karten ſind im 
Maßſtab 1 : 100000 gezgeichmet, geben dem beſten Aufſchluß über die Be- 
ſchaffenheit 'des Geländes und zeigen die ſicherſten Wege auf. Auf 
Grund getroffener Voreinbarungen erhalten die Arbeiterjugendvereine 
dieſelben billigen Preiſe eingeräumt, die früher nur den bürger- 
lichen Gruppen gewährt wurden. Zu beziehen ſind die Karten durch alle 
größeren Buchhandlungen oder von den amtlichen Vorkaufsſtellen in den 
verſchiedenem Großſtädten. Im gegebenen Fall bezicht man die Karten 
direkt von der Kartenvertriebs8abteilung (Plankammer), 
Berlin NW, 40, Moltkeſtr. 4: Unentgeltlich werden von dort au< 
UVeberſichtösblätter geliefert, die eine ſorgſame Au3wahl der be- 
nötigten Kartenſtücke exmöglicht. 
Und nun, Jungvolkf, rüſtet für Weimart 
zur frohen Wanderfahrtin Thüringen! 
PHOTO - 
Papiere nnd Ohemikalien 
für Wandoraufnahmen, Sport, 
WigsgSenschaft, Kunst 
Veborall orhiltlich 
Chemigehe Wabrik auf Aktien, VOrht 
E. SCHERING, Charlottenburg 60 
Rüſtet 
 
 
 
 
 
 

	        
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