Full text: Arbeiter-Jugend - 12.1920 (12)

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Arbeiter- Iungend 
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Me. 
Teilen de3 Reiche3 langſam oder i<hneller ohne Zweifel gelingen. 
» Die Teile unſerer Bewegung aber, die jekt ſchon über die Jugend- 
pflege hinan38 zur JFugewöbewegung drängen, können wir erjolg- 
reich fördern nur dur< die Aufſiclung eines Zieles, deſſen Er- 
reichung jugendlichen Jdealismus und Mut erfordert. Das Zicl 
ſt da. E3 iſt eben der große Weimarer Gedanke der Witarboit 
und de38 Kampfes um die Macht mit den Waffen des Geiſtes auf 
deim Boden dor Republik. Niemand ſollte dieſen Kampf erfolg- 
reicher führen können als wir, die wir al38 die erſte Generation 
die nene Poſition beſeken. Und wenn wir bet der Ausführung 
unſerer Gedanken Wege gehen müſſen, die neu ſind, ſo wird die. 
Arbeiterjugend dieſe neuen Pfade ſtn<en und ihre Bewegung zu 
einer wahren fezialiſtiſchen Gemeinſchaft geftalten, die ihre Aus= 
hänger mit bohent Verantwortlikoit8gefühl, mit ſiaatöbürgerlicher 
Erfenntnis undi unerſ<ütterlichem Glauben an die Sieghaſtig- 
Feit des ſozialiſtiichen Jdcals erfüllt, 
Sollen dieſe Jdeew in Weimar von jedem bewußt erlebt 
werden, ſollen ſie ſic in allen Teilen des Reiches und der Be- 
wegung in den nächſten Jahren anä8virken, dann genügt es nicht, 
daß der Sauptvorſtand fein Prograunm reſilo8 daranf einſtellt, 
ſondern dann müſſen wir alle in Stadt und Land uns rüſten 
und daran arbeiten, damit ſich in Weimar eine Kundgebung der 
deutſchen Arbeiterjugend vollzicht, die uns allen die Gewißheit 
gibt, daß wir als wahrhaft revolutionäre Jugend urarſchieren, 
Erich Dilenhauer- Magdeburg. 
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Die Wirkſc<haftsitaſen. 
n den urſprünglichen Zeiten haben die Menſchen innerhalb 
einer durch die Bande do3 Blutes verbundenen Arbeit8- und 
Wirtſ<aft8gemeinſchaft alle jene Gebrauchsglüter hergeſtellt, 
deren ſie für ihren Lebensunterhalt bedurften. Es beſtand be- 
reits eine gewiſſe Arbeitsteilung, indem das eine Glied der 
ſogenannten patriarchaliſchen Familie dieſer und das andere jener 
Beſchäftigung oblag; aber alle Erzeugniſſe der Einzelarbeiten 
waren genieinſames Eigentum der Familie und wurden ic nach 
den Bedürfniſſen dem einzelnen zugeteilt oder gem injam ver- 
zehrt. Gütererzeugung und Güterverzehr ſtan- 
denineinemnatürlichen Verhältni8; das Ziel des 
Arbeitens und Wirtſchaftens war erfüllt, wenn der allgemeine 
und perſönliche Bedarf gede>t war. 
Dieſe Wirtſc<haftsweiſe, die wir mit dem Namen geſ<loſ- 
ſene Saus8wirtſc<haft bezeichnen, dauerte au< noch fort, 
als familienfremde Clemente: Knechte und Mägde, Sklaven und 
Sklavinnen in die Familie aufgenommen wurden, denen man 
allerding3 erkflärlicherweiſe die ſchwerſten, langwierigſten und 
unangenehmſten Arbeiten zuwies. ES iſt ja ein tiefer Zug in der 
menſ<lichen Natur, daß man ſich bemüht, die Arbeitslaſt auf 
andere Menſ<en abzuwälzen und ſi mit möglichſt wenig Arbeit 
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Wie ic zu meiner Bücherei kam. 
Bon Th. ThomaS, Frankfurt a. M. (Scluf.) 
ei meinent Syſtem wird nie ein Suchen nötig. Selbſt ein Blättchen 
vor zwei Seiten iſt im Augenbli> aufzufinden. Ferner: Durch 
den Schlagwörterkatalog habe ich jede Schrift zwei- bis viermal 
regiſtriert. Beiſpiel: Elm, Genoſſenſchaft und Gewerkſchaft. Dieſe Schrift 
iſt unter Genoſſenſchaft, unter Gewerkſ<aft, unter Elm 
und (eigentlich überflüſſig) unter Konſumwvereinsliteratur 
angeführt. 'Gin Verſagen iſt faſt ausgeſchloſſen) weil die Schrift ja 
übrigens im laufenden Journal eingetragen iſt. Die Mappen kann ſich 
jeder ohne Mühe und Koſten ſelbſt anfertigen. Sie haben noch den Vor- 
teil, daß ſie, ſ<mud und ſauber, ſich neben den gebundenen Büchern ſehen 
laſſen könnem, 
Auf dieſe Art habe ich einige tauſend Druckſchriften geſammelt, die, 
wenn ſie nicht zu finden wären, jeden Wert verlören. DaS kann man 
oft beobachten. 
Wie oft habe ich mich ſchon im ſtillen geärgert, wenn man gelegent= 
lich Zeuge davon iſt, wie jemand ein Buch oder ein Heft ſucht, alles 
dur<heimanver ſchmeißt, die Umſchläge entzweireißt, um am Ende zu 
geſtehen: Jc habe das Heft gehabt, aber ich weiß den Teufel nicht, wo- 
hin e38 gekommen iſt, So ſuchen ſie oft ſtunden-, ach 1vas, halbe Tage 
lang, zum Schre>en ihrer Umgebung. 
Oft ſchon haben mich Bekannte gefragt: „Wo nehmen Sie nur die 
Zeit her, das ſo zu ordnen?“ I< kann immer. nur antworten: „Es 
iſt die Zeit, die andere mit Suchen verbringen.“ Wenn ich es recht über= 
lege, bin ich aber immer noch beſſer als jene dran, Gerade in einer 
Bücherei heißt Ordnung: Zeit, Mühe, Aerger und Geld geſpart, 
Das nur nebenbei: Jm Anfang tar es keine Kleinigkeit, der eigenen | 
zu beheFen. Daraus erklärt es ſich auch, daß ſich bereit3 in der 
patriar<aliſchen Familie ein gewiſſer Klaſſengegenjaß bemerkbar 
machte, wenn dicjer Gegenſatz auc< noc<h länaſt nicht fo i<roff war 
wie in ſpäteren Zeiten. 
Dieſe geſchloſſene Hauswirtſchaft beruht auf der Eigen - 
produktion, der Selbſtverſorgung, und wenn auch 
ini Laufe der Zeit hin und wieder einige Gobran<h3güter gegen 
andere ein» und ausgetauſcht wurden, ſo herrſchte do< im weſent». 
lichen das Beſtreben vor, den eigenen Bedarf im weiteſten Veaße 
ſelbſt herzuſtellen und ſich dadnr>d) von den anderen Wirtſchaft3- 
gemeinſchaften unabhängig zu machen. Die Selbſtverſorgung 
vorloiht bekanntlich eine wirtſchaftliche Unabbhungianſeit, und ſie 
erzeugt in den Sclbſtverſorgern ein Geſülhl de38 Stolze3 auf die 
eigene Arbeit und auf die durch eigene Arbeit hergeſteilten Er- 
zeugniſſe... So finden wir denn überall unter den Angehörigen 
einer geſchloſſenen Haus8wirtſchaſt eine Abneigung gegen fremde 
Gobrandsgüter, die al3 minderwertig betrachtet werden, und eine 
Sochſhäkung de3 Einheimiſchen, das als beſſer und gediegener 
gilt. Die Verachtung des Handel8 und der Haß gegen die Händ» 
ler iſt ein <harakteriſtiſcher Zug jener urſprünglicgen Wirtſchafts- 
ſtufe, der ſich aud noch haute vielfach darin zeigt, daß man das 
Selbſtgemachte höher ſchußt al3 das Gekaufte. 
Durch die Steigerung und Verfeinerung! der menſchlichen 
. Bedürfniſſe wurde in den Menſc<en allmählich das Streben er- 
zeugt, aid) jolche Gebraunch3güter zu erwerben, die man in der 
eigenen Wirtſchaft nicht herſtellen konnte. So wurde dann dr 
Tauſchhandel zu einer Notwenvigkeit, und der Verkehr der- 
Meonſc<hen untereinander erweiterte ſich immer mehr. Es traten 
Menſchen auf, die beſtimunte Gebrauc<s8gegenſtände beruſs8- und 
gewerbsmäßig berſtollten fir andere, e8 kam der handtverts- 
mäßige Betrieb und mit ihm der Giiteraunstanſfc<h von Ort zu Ort. 
Die Städte entſtanden, Märkte und Weiſen wurden abachalien, 
und ces bildeten ſich qarößere Wiriſchaft8gemeintc<haften. So eni- 
wickelte ſich die mittelalterliche Stadtwirtſchaft, in der 
Handwerker und Kaufleute die wichtigſte Nolle ſpielten. Aud) 
jet noh kam es vornehmlich daranf an, innerhalb des Weichdildes 
einer Stadt dein eigenen Bedarf zu decken und ſid) von anderen 
Städten und deren Erzeugniſſen möglichſt unabhängig zu muc. 
Wa3 in der Stadt ſelbſt hergeſtellt wurde, ſollte niüot aus der 
Zromde bezogen werden, und karum legte jede Stadt Wort dar- 
auf, gute Bedarf8gegenſtände in ansreichendem WMaßc zit Produ- 
zieren. Mit peinlicher Sorgfalt wurde darüber gewacht, daß ver 
autos Nuf der Stadt nicht durc; Pfuſc<arbeit und Verfalichiuinger 
geſchädigt wurde. Das Echte und Solide wurde geſchätt, die 
minderwertigen Erſaßmittel wurden verachtet und ihre Seriiel» 
lung mit ſtrengen Strafen belegt. Die Deo>ung der „Notdurft“ 
und die Sicherung de8 Bedarfs, nicht die Erzielung von Neich- 
tümern, war das: Ziel der mittelalterlichemn Stadtwirtſchaft. 
Al3 ſich am Au8gang des Mittelalters in Deutſchland Staa- 
ten bildeten, wurden die verſchiedenen Städte zu einer größeren 
Wirtſchaft8gemeinſchaft vereinigt. E83. entſtand die Staats - 
wirtſ<aft, eine Entwidlungsſtufe, die ebenfalls auf der 
Frau die Ausgaben für Bücher nah und nach verſtändlich zu machen. 
Jdc weiß, daß viele, viele dieſe Erfahrungen mit mir teilen, Hier 
rächt ſich ver Fehler der Erziehung faſt noF mehr als bei der männ- 
lichen Jugend. Der angehende junge Mann hat doch noh immer hunsz 
vertmal mehr Gelegenheit, in irgendeiner Form mit Büchern zuſammens= 
zukommen. Das Mädchen aber, da8 eine in dieſer Beziehung verlorene 
Jugend Hinter ſich hat, iſt mit viel ſchwererer Mühe wieder zu gewinnen. 
Aber der Widerſtand muß natürlich überwunden werden. Die Frau ge- 
winnt man noc< am eheſten, wenn man auch ihr ab und zu ein Buch 
auf den Tiſch legt. Wir haben nach etwa vier bis fünf Jahren über den 
Kauf von Büchern keinen Streit mehr bekommen; ja, gar bald fand ich 
“fFpäter auf meinem Geburts8tag3- oder Weihnachtstiſch auch ein Buch- 
geſchenk? von der eigenen Frau. 
Später, al3 erſt die Kinder anmarſchiert kamen, mußte freilich 
manches Buch direkt vom Brot abgeſpart werden. „Manches liebe Mal 
habe ich an der Buchhandlung geſtanden mit den paax Groſchen in der 
Taſche. Aber es ging nicht, und obgleich die eigenen Büchergeſtelle im 
Zimmer vom Wirts8haus, vom Spieltiſch und anderem abhalten, es langt 
doch nicht zum Kauf ſelbſt der wichtigſten Bücher. Seitdem erſt der Krieg 
die Bücherpreiſe auf das Zehnfache getrieben hat, während das Gin- 
kommen nur auf das Vierfache geſtiegen iſt, fällt das Bücherhamſtern 
ganz von ſelbſt fort, 
- ES iſt eine der beliebteſten Fragen, wenn Leute in ein Zimmer mit 
Büchern treten: Haben Sie denn alle dieſe Bücher geleſen?“ Darauf 
läßt ſich nun ſc<wer antworten. Manches BuJ habe i< -=- leider = 
noch nicht geleſen, andere wiever mehrere Male, Schließlich iſt e8 auch 
nicht nötig, daß man jedes Buch gleich lieſt; es genügt,“ daß es, wenn 
; man es braucht, zur Hand iſt, und daß man vor allen Dingen Weiß, 
zu welchem der Bände zu greifen iſt, wenn etwas gebraucht wird. Zu
	        
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