Arbeiter-Jugend | 131
Zac Böhmen hinein!
Eine Wanderung in die Tſchec<o- Slowakei.
Von Rudolf Krenz, Baußen.
& € vnntag gehen wir „ei Biehm nei“ (nach Böhmen hinein), das ſtand feſt. Wohin? Das
| -) wird ſich finden!
Und am Sonntag ging's los! Zu vieren. Der Tag lag noh in ſeinem nächtlichen
Nedelbeit. Trübe fia>erten die Lichtſcheine der Straßenlaternen durch den grauen Dunſt der
Morgenfrühe. Die Wege und Straßen waren regenzerweicht und ſtanden voil Pfüßen, die im
Laternenlicht regenbogenfarben ſchillerten.
Der Bahnhof war hell erleuchtet und voll ſchlaftrunkenem, ihwfälligem Leben. Im
Bahnwagen waren wir bald Gegenſtand lebhafteſten Intereſſes: unſer inbede>ier Kopf, der
Brotbeutel, die nägelbeſchlagenen Bergſchuhe gaben den Mitreiſenden genügend Anlaß zu
Wißen und Scherzen. Ab und zu ſangen wir eins und hatten ſo eine gemütliche Fahrt.
In Neugersdorf ſtiegen wir aus und wurden von zwei Jugendbeiräten der dortigen
Ortsgruppe empfangen. Sie erklärten ſich bereit, uns ein Stü Wegs zu begleiten. So
ſchritten wir denn die Hauptſtraße hinauf und hatten bald ihre Höhe erreicht. Nun nod) ein
paar Meter, und wir waren in der Tſchecho-Slowakei. Niemand verwehrte uns den Eintritt,
kein Boſten war weit und breit zu ſehen.
Vor uns lag das ſchöne Böhmerland! Weite, flache Täler, ſanfte Höhen, troßzige Berge.
In den Niederungen zogen ſich langgeſtre>te Dörfer und Ortſchaften hin. Nebel begrenzten
pnhöflich den Blik; ihre dichte Wand ließ die hochſtrebenden Bergzüge des Kreibiger Granits-
gebirges ahnen.
Ein kalter, heftiger Wind pfiff uns um die Ohren, ſpielte mit unſeren Haaren und ließ
vem Körper fühlen, daß es noch Winterzeit ſei. Die Unterhaltung bewegte ſich) in den üblichen
Bahnen: Jugendfragen. Wie geht's in Baußen? Was macht Neugersdorf? „Ueberail voro
wärts“ war die ſtolzfreudige Antwort. Dann, als wir über die Grenze waren, miſchten ſich
allerlei lokale Fragen ein: Grenzgeſchichten, Schmugglerei und Ueberfälle uſw. So erfuhren
wir auch, daß die Arbeiterjugend des Kreiſes Warnsdorf an demſelben Tag eine Bezirks»
konferenz in Rumburg abhalte. Sofort beſchloſſen wir, der Konferenz als Gäſte beizuwohnen,
um uns über Deutſchböhmens Arbeiterjugend zu informieren.
So bogen wir von unſerer Straße ab und hatten bald die erſten Häuſer Rumburgs, eines
Städtchens von 13 000 Einwohnern, erreicht. Die Konferenz fand im Deutſchen Hauſe ſtati.
Nachdem wir durd Genoſſen B. die Erlaubnis zur Teilnahme erhalten, betraten wir mit einem
kfräſtigen „Frei Heil!“ das Zimmer. Vereinzelte, zaghafte Stimmen erwiderten unſeren Gruß.
Gs folgte eine kurze Pauſe betretenen Schweigens. Dann löſte ſich langſam die Spannung.
Wir nahmen Plaßz und beſchauten unſere Umgebung. Wir waren entſezt. Das ſollte
Arbeiterjugend ſein, Jugend, die von den höchſten Menſchheitsidealen begeiſtert iſt? Nein,
die hier ſaßen, trugen mit ihren fünfzehn, ſechzehn oder ſiebzehn Jahren oſfenbar ſchon ein
Greiſenherz in der Brujt. Das war Jugend, die ihr Jugendleben verpaßt, verſchlafen hat, die
vas Köſtlichſte, was Jugend beſitzt, leichtſinnig vertändelt, gegen ge&>enhafte Manieren ein»
getauſcht hat, die den Menſchen geiſtig arm und ſeelenlos machen! Jugend, wie ſie den Tanz»
Hoden und verrufene Kneipen füllt und dort ſich in Zigarrendunſt und Alkohol betäubt. Im
erhabenen Bewußtſein ihrer „Männlichkeit“, ihres gewichtigen Wertes ſaßen ſie vor ihren
Biergläſern, mit: zu Schau getragener Nachläſſigkeit die Zigarre oder Zigarette im Mund,
vann und wann gönnerhaft die Hände zum Beifall rührend.
Uns ſtieg es bitter auf, als wir dieſe Jungen und Mädels ſahen. Wie ganz anders
unſere Arbeiterjugend, die bei Volkstanz und fröhlichem Spiel oder auf Fahrten ins Land
ihre Jugend genießt, ihre Jugend erlebt, die ſcherzt und lachi und tanzt und ſingt im Vollgefühl
ihrer Kraft und der Köſtlichkeit ihrer Jahre. .
Der Vorſizende widmete uns einige Begrüßungsworte und gab der Hoffnung Ausdruc,
daß die guten Beziehungen der Vorkriegszeit zu der deutſchen Arbeiterjugend recht bald wieder
aufgenommen werden möchten. Dem Kaſſenbericht folgte ein einſtündiges Referat: Der Anz»
ſchluß der deutſch-böhmiſchen Arbeiterjugend an die 3. Internationale. Der Vortrag gab uns
über manches Aufſchluß. Wir erfuhren, daß es ſeit der vor kurzem abgehaltenen Kreiskonfe»