194 Urbeiter-Jugend
Haustkiere des vorgeſ<&ichtlichen Menſen.
Von H. Fehlinger,
5 Die Menſchen der älteſten Zeit erlangten ihre Nahrung jedenfalls vorzüglich
w yYdurch Sammeln eßbarer Pflanzenſtoffe und Kleintiere; daneben pielten Jago
T/ und Fiſchſang -- je nach der Beſchaffenheit des Wohngebiets = eine größere
oder geringere Rolle, mögen ausnahmsweiſe auch die hauptſächliche Duelle der Nah»
rungsbeſchaffung geweſen ſein. Die Zähmung von Tieren iſt eine erſt verhältnis»
mäßig junge Errungenſchaft in der fortſchreitenden Bezwingung der Natur durch
den Meniſchengeiſt, die man gewöhnlich Kultur nennt.
€. Keller ſchreibt in ſeiner „Naturgeſchichte der Haustiere“, daß die allerälteſten
Haustiere, die auf europäiſchem Boden auftraten, bereits ſcharf ausgeprägte Raſſen»
eigenarten zeigten. Go zeigt der alte Torſhund, ein Spiß pon mäßiger Größe, überall
die gleiche Form; das zierliche Torfrinb iſt eine ungemein gleichſörmige Raſſe, die
anjänglid) unvermiſcht gehalten wurde; von Schafen erſcheint zuerſt das ziegenköpfige
Torſſchaf; das Torfſchwein, weſentlich kleiner als unſer Wildſchwein, beanſprucht
zunächſt die ausſchließliche Herrſchaft. Hätte der Menſch der europäiſchen Steinzeit
dieſe Raſſen aus dem vorhandenen Wildmaterial erzogen, ſo müßten Uebergangs»
Jtufen vorhanden ſein. Da ſolche fehlen, ſo beſteht wohl kein ſtammesverwandtſchaft»
licher Zuſammenhang zwiſchen den Sammler- und Jägervölkern der Urzeit und den
Biehzucht treibenden Völkern der prähiſtoriſchen Reriode; ſondern aus einer öſtlichen,
offenbar aſiatiſchen Region, fand eine Einwanderung neuer Völker ſtatt, die als
lebendes Inventar ihre Haustiere mitbrachten. Es iſt dies nicht die einzige Völker-
welle, die über Europa hinging; ſpäter haben ſich noch andere über unſeren Boden
ergoſjen. Schon während der Pfahlbauperiode laſſen ſic Spuren der Weiterentwick»
lung deutlich verfolgen. Das einheimiſche Wildrind wird gezähmt und mit der ſchon
nprhandenen Torfraſſe gekreuzt; der Torfhund wird nach und nach in verſchiedener
Richtung umgezüchtet; Schaf und Ziege werden zu kräftigen Formen entwickelt.
Wie weit die Zähmung der Haustiere zurücliegt, läßt ſich nur annäherungsweiſe
ſchäßen. In ägyptiſchen Zeichnungen, die der erſten Dynaſtie der Pharaonen ent»
ſtammen, laſſen ſich unſchwer das Hausrind und das Hausſchaf erkennen, ſo daß ſie
vort alſv fünf oder jechs Jahrtauſende vor unſerer Zeitrechnung ſchon bekannt waren.
Da ober ihr Heimatland Südaſien ſein dürfte, und man für dieſe Wanderung auch
no 2000 Jahre in Rechnung ſetzen darf, ſoy kommen wir auf 10 900 Jahre, die die
Gegenwart von der erſten Haustierzähmung trennen.
Da die Kultur Europas jünger iſt als die Aſiens und Jegyptens, ſo wird --- wie
geſagt -- gewöhnlich angenommen, daß die älteſten europäiſchen Haustiere vom
Oſten her eingewandert ſind. Die Möglichkeit iſt aber nicht ausgeſchloſſen, daß die
Zähmung der gleichen Tiere in verſchiedenen, zeitlich und räumlich getrennten Füllen
unternommen wurde und atch gelang. Das gilt ganz beionders vom Hund, der
ohne Zweifel das erſte Tier war, das veranlaßt wurde, mit dem Menſchen eine
Lebensgemeinſcgaft einzugehen, ſein Hausgenoſſe und ſieter Begleiter zu werden.
In den älteſten ſteinzeitlichen Fundſtätten Europas ſehlt noch jede Spur von Hunde-
knochen, dagegen treten ſie gegen das Ende dieſer Periode überall auf, wenn auch
noch nicht jehr häufig. Eine Raſſeverſchiedenheit ves Hundes, wie wir ſie jeßt leicht
beobachten können, gab es damals nicht; in der Steinzeit ver Schweiz 3. B., die
beſonders gut erforſcht iſt, tritt nur eine einzige Hunderaſſe auf, der ſchon erwähnte
Torfhund, deſſen Körperbeſchaffenheit bis in die kleinſten Einzelheiten ſiets die
gleiche war. Weiterer Raſſezuwachs hat in Mittel- und Weſteuropa mit Beginn der
Bronzezeit ſtaitgeſunden. Großer Beliebiheit erfreute ſich der Hund im Phargonen»