Arbeiter-Iugend . 225
"Unſere wirtſchafts“ und kulturpoktiſchen Aufgaben.
(Eine Einleitung zum Referat auf der Reichskonferenz.)
Von Max Weſtphal.
Zin den Sazungen unſeres Verbandes heißt es im erſten Abſchnitt: „Der Ver-
BY band der Arbeiterjugendvereine Deutſchlands will ſeine Mitglieder im Geiſte
&zf Der ſozialiſtiſchen Weltanſchauung erziehen und alle Forderungen der Arbeiter-
jugend auf ſozialem, wirtſchaftlichem und kulturellem Gebiet vertreten.“ IJdh glaube
nicht, daß das Programm irgendeiner anderen Organiſation kürzer gefaßt iſt. Kurz
iſt aber nicht gleichbedeutend mit inhaltslos, und ſo iſt auch mit jenem Programmſaß
ein weites, ſchwieriges Arbeitsfeld umriſſen. Da iſt zum Beiſpiel geſagt: „auf
wirtſchaftlichem Gebiet“. An dieſe drei Worte knüpfen unſere ausführlichen Jugend-
ſIhukforderungen an, die wohl allen aus der Flugſchrift und aus unſeren Eingaben
an die Regierung bekannt ſind. Kürze bedeutet aber auch nicht ohne weiteres „Be-
Ichräntung“ -- oftmals eher das Gegenteil. Ein langatmiges Programm mit ſeiten-
langen Ausführungsbeſtimmungen wirkt eher einſchränkend als kurz gefaßte, den
oder die Grundgedanken darſtellende Säe. In den langen Vrogrammen wird
meijiens verſucht, jede Einzelheit feſtzulegen. Das führt oft zu der Meinung, was
niht drin ſtehe, gehöre auch nicht dazu und dürfe demgemäß nicht berücdſichtigt
werden. In der kurzen Darlegung unſerer Saßungen iſt uns allen unſer Tätigkeits»
jeld abgeſte>t, auf dem wir in ſozialiſtiſchem Geiſt zu wirken haben. Ohne nähere
Beſtimmungen iſt uns die Verpflichtung auferlegt, wo und wie wir irgend in dieſem
Geiſte für die Arbeiterjugend wirken können, dies zu tun. Beſchränkungen ſind alſo
nicht ausgeſprochen. Sie beſtehen für unſere Arbeit nur, ſoweit ſie in der Natur der
Sache liegen. Wieweit iſt das der Fall?
Wenn Ziele erreicht werden ſollen, iſt immer der Einſaßz der Perſon erforderlich.
Unſere Saßzung iſt nicht vom Himmel gefallen, ſondern von uns jelbſt geſchaffen.
Ebenſowenig wird ihre Erfüllung vom Himmel fallen. Die muß gleichfalls aus
unſerer Arbeit werden. Das heißt mit andern Worten, daß unſere Forderungen
nicht nur an andere gerichtet werden, ſondern daß ſie in hohem Maße auch
Forderungen an uns ſelbſt ſind, an unſern Willen, unſere Kraft. For-
derungen auſſtellen, ſie vertreten, heißt nicht nur, ſie deklamieren, ſondern bedeutet
ſtändiges, tatſächliches Bemühen, ſie zu verwirklichen. Wer ſich 3. B. in der Zeit
Des geſetzlichen Achtſtundentages ſtill und ohne Gegenwehr vom Meiſter auch weiter-
hin zehn und zwölf Stunden beſchäftigen läßt, der iſt nicht berechtigt, über wirtſchaft»
liche und politiſche Mißſtände zu ſchimpfen. Wer unter allen Umſtänden gegen die
Ungeſeßlichkeit. vorzugehen, ſein Recht unabläſſig zu vertreten gewillt iſt, wer ſich
Hilfe zu ſchaſſen ſucht, um endlich ſein Recht zu gewinnen, der kann und darf fordern.
Forderungen und Handlungen müſſen miteinander übereinſtimmen. Dieſen Sinn
birgt jede Forderung an andere für den Fordernden ſelbſt.
Wie ſehr der Fordernde und ſeine Forderung eins ſein müſien, ergibt ſich
zwingend aus dem Saß: „Der Verband der Arbeiterjugendvereine Deutſchlands will
ſeine Mitglieder im Geiſt der ſozialiſtiſchen Weltanſchauung erziehen.“ =“ Der Ver-
band iſt kein Gegenſtand, kein Apparat, der ſozialiſtiſche Erziehung gegen Zahlung
eines Mitgliedsbeitrags verabfolgt. Der Verband iſt die vereinte Kraft der ihm An-
gehörenden, deren lebendige, perſönliche Kraft iſt ſeine Kraft, deren Schwäche iſt
jeine Schwäche. Der Zuſammenſchluß zum Verband bedeutet nicht: das Ziel iſt er-
reicht, jondern er bedeutet nur ein Hilfsmittel zur Erreichung des Ziels. Was der
einzelne ſich durc) ſeine eigene perſönliche Kraft nicht ſchaffen kann, dazu hilft ihm
der Zuſammenſchluß mit andern. Seine eigene Tätigkeit hört mit dem Zuſammen-