Full text: Arbeiter-Jugend - 13.1921 (13)

Arbeiter-Iugend . 225 
"Unſere wirtſchafts“ und kulturpoktiſchen Aufgaben. 
(Eine Einleitung zum Referat auf der Reichskonferenz.) 
Von Max Weſtphal. 
Zin den Sazungen unſeres Verbandes heißt es im erſten Abſchnitt: „Der Ver- 
BY band der Arbeiterjugendvereine Deutſchlands will ſeine Mitglieder im Geiſte 
&zf Der ſozialiſtiſchen Weltanſchauung erziehen und alle Forderungen der Arbeiter- 
jugend auf ſozialem, wirtſchaftlichem und kulturellem Gebiet vertreten.“ IJdh glaube 
nicht, daß das Programm irgendeiner anderen Organiſation kürzer gefaßt iſt. Kurz 
iſt aber nicht gleichbedeutend mit inhaltslos, und ſo iſt auch mit jenem Programmſaß 
ein weites, ſchwieriges Arbeitsfeld umriſſen. Da iſt zum Beiſpiel geſagt: „auf 
wirtſchaftlichem Gebiet“. An dieſe drei Worte knüpfen unſere ausführlichen Jugend- 
ſIhukforderungen an, die wohl allen aus der Flugſchrift und aus unſeren Eingaben 
an die Regierung bekannt ſind. Kürze bedeutet aber auch nicht ohne weiteres „Be- 
Ichräntung“ -- oftmals eher das Gegenteil. Ein langatmiges Programm mit ſeiten- 
langen Ausführungsbeſtimmungen wirkt eher einſchränkend als kurz gefaßte, den 
oder die Grundgedanken darſtellende Säe. In den langen Vrogrammen wird 
meijiens verſucht, jede Einzelheit feſtzulegen. Das führt oft zu der Meinung, was 
niht drin ſtehe, gehöre auch nicht dazu und dürfe demgemäß nicht berücdſichtigt 
werden. In der kurzen Darlegung unſerer Saßungen iſt uns allen unſer Tätigkeits» 
jeld abgeſte>t, auf dem wir in ſozialiſtiſchem Geiſt zu wirken haben. Ohne nähere 
Beſtimmungen iſt uns die Verpflichtung auferlegt, wo und wie wir irgend in dieſem 
Geiſte für die Arbeiterjugend wirken können, dies zu tun. Beſchränkungen ſind alſo 
nicht ausgeſprochen. Sie beſtehen für unſere Arbeit nur, ſoweit ſie in der Natur der 
Sache liegen. Wieweit iſt das der Fall? 
Wenn Ziele erreicht werden ſollen, iſt immer der Einſaßz der Perſon erforderlich. 
Unſere Saßzung iſt nicht vom Himmel gefallen, ſondern von uns jelbſt geſchaffen. 
Ebenſowenig wird ihre Erfüllung vom Himmel fallen. Die muß gleichfalls aus 
unſerer Arbeit werden. Das heißt mit andern Worten, daß unſere Forderungen 
nicht nur an andere gerichtet werden, ſondern daß ſie in hohem Maße auch 
Forderungen an uns ſelbſt ſind, an unſern Willen, unſere Kraft. For- 
derungen auſſtellen, ſie vertreten, heißt nicht nur, ſie deklamieren, ſondern bedeutet 
ſtändiges, tatſächliches Bemühen, ſie zu verwirklichen. Wer ſich 3. B. in der Zeit 
Des geſetzlichen Achtſtundentages ſtill und ohne Gegenwehr vom Meiſter auch weiter- 
hin zehn und zwölf Stunden beſchäftigen läßt, der iſt nicht berechtigt, über wirtſchaft» 
liche und politiſche Mißſtände zu ſchimpfen. Wer unter allen Umſtänden gegen die 
Ungeſeßlichkeit. vorzugehen, ſein Recht unabläſſig zu vertreten gewillt iſt, wer ſich 
Hilfe zu ſchaſſen ſucht, um endlich ſein Recht zu gewinnen, der kann und darf fordern. 
Forderungen und Handlungen müſſen miteinander übereinſtimmen. Dieſen Sinn 
birgt jede Forderung an andere für den Fordernden ſelbſt. 
Wie ſehr der Fordernde und ſeine Forderung eins ſein müſien, ergibt ſich 
zwingend aus dem Saß: „Der Verband der Arbeiterjugendvereine Deutſchlands will 
ſeine Mitglieder im Geiſt der ſozialiſtiſchen Weltanſchauung erziehen.“ =“ Der Ver- 
band iſt kein Gegenſtand, kein Apparat, der ſozialiſtiſche Erziehung gegen Zahlung 
eines Mitgliedsbeitrags verabfolgt. Der Verband iſt die vereinte Kraft der ihm An- 
gehörenden, deren lebendige, perſönliche Kraft iſt ſeine Kraft, deren Schwäche iſt 
jeine Schwäche. Der Zuſammenſchluß zum Verband bedeutet nicht: das Ziel iſt er- 
reicht, jondern er bedeutet nur ein Hilfsmittel zur Erreichung des Ziels. Was der 
einzelne ſich durc) ſeine eigene perſönliche Kraft nicht ſchaffen kann, dazu hilft ihm 
der Zuſammenſchluß mit andern. Seine eigene Tätigkeit hört mit dem Zuſammen- 

	        
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