Full text: Arbeiter-Jugend - 13.1921 (13)

Arbeiter-Jugend 241 
 
Kommuniſtiſ<er Agitakionsaufruf. 
An der „Roten Fahne“, dem Zentralorgan der Vereinigten Kommuniſtiſchen Partei 
Y Deutſchlands, veröffentlichte die Zentrale der Kommuniſtiſchen Jugend Deutſchlands 
Q/ unterm. 8. Juni einen „Offenen Brief“ an alle Jugendabteilungen des Allgemeinen 
Deutſchen Gewerkſchaftsbundes und der Arbeitsgemeinſchaft freier Angeſtelltenverbände, an den 
Verband der Arbeiterjugend-Vereine Deutſchlands, die Sozialiſtiſche Proletarierjugend und 
die Kommuniſtiſche Arbeiterjugend. In dieſem Brief werden die genannten Organiſationen 
zur gemeinſamen Vertretung beſtimmter Jugendſchußforderungen, wie Sechsſtundentag, Ver- 
legung des Fortbildungsſchulunterrichts in die Arbeitszeit, vier Wochen Urlaub, Erhöhung 
aller Löhne, ausreichende Arbeitsloſenunterſtüßung, Beſeitigung der privaten Lehrverträge, 
aufgefordert. Als nächſte Maßnahme für die Durchführung dieſer Forderungen wird die 
Gründung von örtlichen Jugendkartellen vorgeſchlagen. 
Das heiße Bemühen der Kommuniſten, zu zeigen, daß auch ſie etwas Poſitives für die 
werktätige Jugend unternehmen wollen, iſt in dieſem Augenbli> ſehr verſtändlic<. Aber 
va hätte man doc< wahrlich ein anderes Mittel als einen „Offenen Brief“ wählen ſollen. 
„Im übrigen iſt der „Offene Brief“ bei dem augenbliälichen Stand der Dinge auf dem Gebiet 
der Jugendſchußforderungen belanglos. Die Forderungen ſelbſt ſind zum größten Teil 
unſerm Jugendſchußprogramm entnommen. Soweit ſie mit den unſrigen nicht überein- 
ſtimmen, hat man ſie jetzt erhöht, um „radikaler“ zu erſcheinen. Und die Gründung von 
Arbeiterjugendkartellen? Sie ſind in den verſchiedenſten Städten längſt ins Leben ge- 
rufen worden, allerdings nicht auf die Anregung der Kommuniſten hin, ſondern auf das 
Drängen unſerer Vereine. Faſt überall mußten die Kommuniſten erſt an den Arbeitstiſc) 
geſchleppt werden, weil ihnen bis vor kurzem die praktiſche Jugendarbeit höchſt unſympathiſch 
war. Auch) die jetzt erfolgte Bildung des Reichsausſchuſſes der Arbeiterjugendorganiſationen, 
dem ja auf die Einladung der anderen beteiligten Organiſationen hin auch die Kommuniiien 
heigetreten ſind, iſt ein Erfolg unſerer Bemühungen, die weit zurückreichen. Als man kurz 
vor Erſcheinen dieſes „Offenen Briefes" in dieſem Ausſchuß ſich über die Schaffung von 
Richtlinien für die örtliche Zuſammenarbeit unterhalten wollte, da waren es die Kam- 
muniſten, die meinten, dozu ſei die Zeit noc< nicht gekommen. 
Daß der „Offene Brief“ nur aus agitatoriſchen Gründen vom Stapel tief, geht auc<h aus 
folgender Notiz hervor, die am 15. Juni fettgedru>t in der „Roten Fahne“ erſchien: 
„Seit zwölf Tagen haben die Spißenorganiſationen der proletariſchen Jugend und der 
Allgemeine Deutſche Gewerkſchaftsbund den „Offenen Brief“ der Kommuniſtiſchen Jugend 
in Händen. Noch keine Antwort! Schon treffen Nachrichten ein, daß über die Köpfe 
der Führer hinweg die Jugend ſich zur Kartellbildung zuſammenſchließt und in 
Verſammlungen der entſchloſſene Wille zum gemeinſamen Kampf zum Ausdru> kommt. 
Die proletariſche Jugend muß mit aller Macht dazu kommen, daß fie die Führer der 
Jugendverbände und des ADGB. zwingt, Rede und Antwort zu ſtehen!“ 
Daß ſich in den „revolutionären“ Köpfen manchmal die Gedanken „verheddern“, 
haben wir ſchon längſi gewußt, daß man dort aber nod) nicht einmal rechnen kann oder mit 
Jauſtdiden Lügen arbeitet, zeigt dieſe Notiz. Am 8. Juni wird der „Offene Brieſ“ 
in der „Roten Fahne“ veröffentlicht und gelangt damit auch erſt zur Kenntnis der Organi- 
ſationsleitungen. Am 15. Juni ſchreit man in die Welt, „ſeit zwölf Tagen!“. . .. Ueodrigens 
ſind dieſe Agitation5- und Rechenmethoden ſelbſt einem Teil der kommuniſtiſchen Ortsgruppen 
auf die Nerven gefallen; ſie rücken nach uns vorliegenden Meldungen ſehr entſchieden von 
dem „Offenen Brief“ der Zentrale ab. 
Wir haben gar keine Veranlaſſung, uns in unſerer Jugendſchußzarbeit durch den neuen 
Lärm der Kommuniſten ſtören zu laſſen. Im Reichsausſchuß werden jetzt die dringendſten 
Forderungen aus den Jugendſchußprogrammen der einzelnen Drganiſationen zuſammen=- 
geſtellt, um dann gemeinſam für die Verwirklichung einzutreten. Eine Regelung dieſer 
großen Jugendſchußfragen durch Ortskartelle iſt unmöglich, ſolange die zentralen Verhandlungen 
nicht bis zu einem gewiſſen Stadium gediehen ſind. Unſere Arbeiterjugendvereine werden 
es darum ablehnen, mit den Kommuniſten auf Grund eines „Offenen Briefes" zu verhandeln; 
ſie werden dagegen auch weiterhin bemüht bleiben, auf Grund unzerer Richtlinien der 
Bildung von Jugendkartellen die Wege zu ebnen, eO. 

	        
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