Full text: Arbeiter-Jugend - 13.1921 (13)

Arbeiter-Jugend 243 
Der Jugendleiter weiſt auf die Anteilnahme der Bevölkerung, auf deren Freude hin. Nichts 
von Gtörung, nichts von Beunruhigung war zu bemerken. Von den radikalen Stadtvätern 
wurde aber eine Einwendung erhoben, die ihrer Ordnungsſtrenge alle Ehre macht: „Wenn 
ein Auto kommt, wird es durch die Anſammlung am Weiterfahren gehindert.“ Man beachte, 
wie beſorgt die kommuniſtiſchen und unabhängigen Stadtverordneten waren, daß ein reicher 
Mann, einer aus der Kapitaliſtenklaſſe, durch die arbeiiende Jugend und dis 
arbeitende Bevölkerung verhindert werden könnte, im gewohnten Tempo durch die Straßen 
au jagen. Dabei war weit und breit kein Auto zu ſehen; es wäre auch) nur ein Zufall ge» 
weſen, wenn eins gekommen wäre. Einer aber aus der Schar beſorgter Revolutionäre wies 
mit ernſter Miene darauf hin, daß auch der Fuhrwerksverkehr gehindert werde, denn auf dem 
Markt ſtehe ſchon ein Wagen, der offenbar nicht weiter könne. 
Richtig, ein Wagen hatte ſich auf dem Markt „aufgeſtaut“. Ein Schumann wurde geo 
ſhdi>ät, um dem Fuhrwerk den Weg freizumachen. Die Inſaſſen erklärten aber unverſtänd- 
licherweiſe, daß ſie ſich durchaus nicht behindert fühlten. Sie hätten nur angehalten, weil ſie 
ſich das intereſſante Schauſpiel anſehen wollten. So eiwas bekomme man nicht alle Tage 
zu ſehen. 
Die revolutionären Stadtiväterbäuche wacelten zornbebend, indes die Hirne grübelten, 
ob nicht mit einer Geſetzesbeſtimmung der ganze Spuk auszulöſchen ſei. Dieſer fand in- 
zwiſchen == etwas vorzeitig zwar == ſein Ende. Die Jugend zog mit Geſang ab und ſeßzte 
ſich draußen im Wald zuſammen; Sanderslebener Jungen waren dabei. Man gab ſich das 
Verſprechen, die Jugendfa>eln und die Ideale der Arbeiterjugend 
immer leucgten zu laſſen. Allen deutſchnationalen, kommuniſtiſchen und unab» 
hängigen Scild- und Spießbürgern zum Trog. Unten im Städtchen gab es aber mancherlei 
Mißmut und Herzbeklemmung, die auch anhielt, als die Jugend am nächſten Tag, mit 
Zlumenſpenden und herzlichen Grüßen reich bedacht, abzog und die Schre&enstage für 
Sandersleben vorüber waren. 
Eine verrüdte Fahrt... 
Von Fritz Lindenkohl, Hamburg. 
Sorgen wir, daß das Lachen nicht aus der Welt gehe1 
Sorgen wir, daß mehr Lachen in die Welt komme! 
m (Gorch Fo>.) 
H 8 >» 8 wurde 'ne verrüdte Fahrt, und fing doch ſo fein an! Aber ſo geht's meiſtens, und 
8 V „ [0 iſt's auch ganz recht. In der Frühe, wenn man auszieht und die Morgenſonne läßt 
Sey Die ſchillernden Tautropfen blinkern, die an Buſch und Blatt wie Diamanten hängen, 
und ein Vöglein ſingt, ganz ſinnig und ſchlicht und einfach, iraumverloren, wie nur für ſich 
allein und für ſein Liebſtes auf der Erde, und doch ſo wunderfein, wie Menſchenſtimmen es 
taum können . .. und der Wald lo>t wie ein grüner, dämmriger Tempel, und die Erde duftet 
jo herbe und keuſd) -- dann iſt es uns, als gingen wir zur Kirche, dann feiern wir 
Gottesdienſt. 
Und dann tut es jedem weh, wenn einer dieſe Stimmung nicht vorſteht und achtet und 
mit Witzen zu ſtören ſucht, =- dann wollen wir noch nichts wiſſen von Ausgelaſſenheit. 
Morgens, dann feiern unſere Seelen in der Schönheit der Natur die glüälichſten Feſte, dann 
aimen wir ſür ſecs Tage Friſche und Lebensmut und Kraft ein, dann reinigen wir unſere 
Fabrifklungen. 
Aber wenn dann die Sonne immer heller und ſtrahlender wird, dann ſte>t ſie uns an, 
dann pat uns ein unerhörter Durſt nach Luſt und Freude == und dann wollen auch wir 
nur Lachen haben, dann wolien wir nachholen, was wir in ſechs Tagen ſo häufig unter- 
drücen mußten! ſorgloſes Jugendlachen. Und dann kommt es wohl vor (oft ſogar!), daß 
die Fahrt, die ſo ſinnig anfing, eine ganz verrückte, ausgelaſſene wird, =-- wie dieſe es 
auch wurde. 
 
 
* 
So waren wir alſo, zwei Mädel und vier Jungen, dieſen Sonntagmorgen hinausgezogen 
in Wald und Heide. Die Sonne ſchien man immer nur ſo ebenweg, die gange Welt kam uns
	        
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