Arbeiter-Jugend 243
Der Jugendleiter weiſt auf die Anteilnahme der Bevölkerung, auf deren Freude hin. Nichts
von Gtörung, nichts von Beunruhigung war zu bemerken. Von den radikalen Stadtvätern
wurde aber eine Einwendung erhoben, die ihrer Ordnungsſtrenge alle Ehre macht: „Wenn
ein Auto kommt, wird es durch die Anſammlung am Weiterfahren gehindert.“ Man beachte,
wie beſorgt die kommuniſtiſchen und unabhängigen Stadtverordneten waren, daß ein reicher
Mann, einer aus der Kapitaliſtenklaſſe, durch die arbeiiende Jugend und dis
arbeitende Bevölkerung verhindert werden könnte, im gewohnten Tempo durch die Straßen
au jagen. Dabei war weit und breit kein Auto zu ſehen; es wäre auch) nur ein Zufall ge»
weſen, wenn eins gekommen wäre. Einer aber aus der Schar beſorgter Revolutionäre wies
mit ernſter Miene darauf hin, daß auch der Fuhrwerksverkehr gehindert werde, denn auf dem
Markt ſtehe ſchon ein Wagen, der offenbar nicht weiter könne.
Richtig, ein Wagen hatte ſich auf dem Markt „aufgeſtaut“. Ein Schumann wurde geo
ſhdi>ät, um dem Fuhrwerk den Weg freizumachen. Die Inſaſſen erklärten aber unverſtänd-
licherweiſe, daß ſie ſich durchaus nicht behindert fühlten. Sie hätten nur angehalten, weil ſie
ſich das intereſſante Schauſpiel anſehen wollten. So eiwas bekomme man nicht alle Tage
zu ſehen.
Die revolutionären Stadtiväterbäuche wacelten zornbebend, indes die Hirne grübelten,
ob nicht mit einer Geſetzesbeſtimmung der ganze Spuk auszulöſchen ſei. Dieſer fand in-
zwiſchen == etwas vorzeitig zwar == ſein Ende. Die Jugend zog mit Geſang ab und ſeßzte
ſich draußen im Wald zuſammen; Sanderslebener Jungen waren dabei. Man gab ſich das
Verſprechen, die Jugendfa>eln und die Ideale der Arbeiterjugend
immer leucgten zu laſſen. Allen deutſchnationalen, kommuniſtiſchen und unab»
hängigen Scild- und Spießbürgern zum Trog. Unten im Städtchen gab es aber mancherlei
Mißmut und Herzbeklemmung, die auch anhielt, als die Jugend am nächſten Tag, mit
Zlumenſpenden und herzlichen Grüßen reich bedacht, abzog und die Schre&enstage für
Sandersleben vorüber waren.
Eine verrüdte Fahrt...
Von Fritz Lindenkohl, Hamburg.
Sorgen wir, daß das Lachen nicht aus der Welt gehe1
Sorgen wir, daß mehr Lachen in die Welt komme!
m (Gorch Fo>.)
H 8 >» 8 wurde 'ne verrüdte Fahrt, und fing doch ſo fein an! Aber ſo geht's meiſtens, und
8 V „ [0 iſt's auch ganz recht. In der Frühe, wenn man auszieht und die Morgenſonne läßt
Sey Die ſchillernden Tautropfen blinkern, die an Buſch und Blatt wie Diamanten hängen,
und ein Vöglein ſingt, ganz ſinnig und ſchlicht und einfach, iraumverloren, wie nur für ſich
allein und für ſein Liebſtes auf der Erde, und doch ſo wunderfein, wie Menſchenſtimmen es
taum können . .. und der Wald lo>t wie ein grüner, dämmriger Tempel, und die Erde duftet
jo herbe und keuſd) -- dann iſt es uns, als gingen wir zur Kirche, dann feiern wir
Gottesdienſt.
Und dann tut es jedem weh, wenn einer dieſe Stimmung nicht vorſteht und achtet und
mit Witzen zu ſtören ſucht, =- dann wollen wir noch nichts wiſſen von Ausgelaſſenheit.
Morgens, dann feiern unſere Seelen in der Schönheit der Natur die glüälichſten Feſte, dann
aimen wir ſür ſecs Tage Friſche und Lebensmut und Kraft ein, dann reinigen wir unſere
Fabrifklungen.
Aber wenn dann die Sonne immer heller und ſtrahlender wird, dann ſte>t ſie uns an,
dann pat uns ein unerhörter Durſt nach Luſt und Freude == und dann wollen auch wir
nur Lachen haben, dann wolien wir nachholen, was wir in ſechs Tagen ſo häufig unter-
drücen mußten! ſorgloſes Jugendlachen. Und dann kommt es wohl vor (oft ſogar!), daß
die Fahrt, die ſo ſinnig anfing, eine ganz verrückte, ausgelaſſene wird, =-- wie dieſe es
auch wurde.
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So waren wir alſo, zwei Mädel und vier Jungen, dieſen Sonntagmorgen hinausgezogen
in Wald und Heide. Die Sonne ſchien man immer nur ſo ebenweg, die gange Welt kam uns