Full text: Arbeiter-Jugend - 13.1921 (13)

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Wanderkluft in hellen Scharen, die Jungen faſt alle kniefrei und viele mit bloßen 
Beinen, die Mädchen in leichten, bunten Gewändern, das grüne Kränzlein im 
Haar. Wie voriges Johr das kleine, feine Weimar, ſtand dieſes Jahr die um ſo 
viel größere Induſtrie- und Arbeiterſtadt unter ver Diktatur des Jungproletariats. 
Aber es war eine Diktatur, die jeder Menſch, der guten Willens und freien Sinnes 
war, der vor allem im Denken und Fühlen jung geblieben, ſich gern gefallen laſſen 
konnte. Bedarf es doch an dieſer Stelle keiner Verſicherung, vaß unſer Jungvolk 
in all ſeinem Jubel und Trubel und ſchäumenden Jugendübermut nie vergaß, 
was es dem hohen Kulturgedanken, den es verkündet, ſchuldig war. Natürlich gab 
es unter den gaſſenden Bürgersleuten auch Sauertöpfe, die mit mehr oder minder 
verhaltenem Aerger dem ungewohnten Treiben zuſahen und die Scharen, die durch 
die Gtraßen tanzten und ſangen, als ob es ihre wören, offenſichtlich ins Pfeffer- 
land wünſchten. Aber daß dieſe Spießer die Fäuſte bloß in der Taſche zu ballen 
waglen, dafür war durch die Macht der Bieleſelder Arbeiterſchaft geſorgt, die hinter 
ihren jungen Gäſten ſtand. Und ſchließlich mußte Menſchen, denen nur durch Zahlen 
und Maſſen beizukommen iſt, auch das Aufgebot der Jugend ſelber imponieren, 
wenn die Tauſende und Abertauſende am Sonnabend oder Sonntag über den 
Reſſelbrink wogten oder in endloſen Windungen ſich am Sonnabend abend der 
Sadelzug der Jungen und Mädchen von der Burg nach der Stadt wälzte. Auf die 
Jugend und ihre Hochſtimmung wirkten wieder die Maſſen der Zuſchauer zurüt, 
durch vie ſich ihr Zug bewegte, und die in all den Straßen fünf und ſechs Köpfe 
hoy dicht gedrängt zu beiden Seiten wie Mauern ſtanden. 
So war in Bielefeld alles auf Maſſenwirkung und Maſſenbewußtſein eingeſtellt: 
der Jugendtag trug in ſeinen weſentlichen Momenten ausgeſprochen proletariſches 
Gepräge. Und wenn je unſerer Bewegung, wie beſorgte VTreunde hie und da fürch» 
teten, vom Geiſt von Weimar Gefahr drohte =“ in Bielefeld wurde dieſer Geiſt 
gebannt, erhielt unſer Bund ſeine proletariſche Feuertaufe. Aber auch deſſen ſind 
wir uns, jeßt, da Bielefeld hinter uns liegt und ſeine überwältigenden Eindrüce, 
ſeine „Erlebniſſe“ ſic) in Erkenntniſſen zu ordnen beginnen, bewußt, vaß Weimar 
nicht durch Bieleſeld „erledigt“, jondern daß es durch Bielefeld ergänzt wurde, und 
daß die Syntheſe von Weimar und Bieleſeld, das innige Durchdrungenſein von 
Kulturſehnſucht und ſozialiſtiſch-proletariſchem Kampfgeiſt das Weſen unſerer Ar- 
beiterjugendbewegung auszumachen hat. In dieſem Sinne: 
FreiHeil, Bielefeld! 
 
Unjer Jugendtag. 
DP -Oy ur in großen Zügen kann heute das Geſamtbild der Bieleſelder Tagung ſkizziert 
BH & werden, damit die Leſer, die nicht dabei waren, wenigſtens den allgemeinen 
vy Ww Zuſammenhang haben, in den ſie die Einzelſchilderungen ordnen können, die 
ihnen die Bielefeldfahrer aus der Fülle ihrer Erlebniſſe übermitteln und die ſicher 
auch in unſerem Organ noch manchen Niederſchlag ſinden werden. Zunächſt: die 
Beteiligung unſerer Verbanvsmitglieder war in der Tat, wie ſchon die Anzeichen 
verkündet hatten, außerordentlich zahlreich: 8000 bis 10 000 Jugendgenoſſen und 
-genoſſinnen, dazu über 100 holländiſche Jungen und Mädchen unter Führung des 
Vorſitzenden der Internationale, Genoſſen Voogd und des Genoſſen Vorrink, 
der gleichfalls an der Gründung der Arbeiieriugend-Internationale beteiligt war. 
Außerdem waren ungeſähr zwölf Vertreter der belgiſchen Jungen Garden exr- 
ſchienen, darunter das Mitglied des internationalen Bureaus, Gaſton Hoyaux 

	        
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