Arbeiter-Jugend | 21
Goſtalten offenbaren die freien Bewegungen der Seele, Die jungen Leute marſchieren, das
Geſicht feſt zur Erde gerichtet, ſie ſingen freudig erhobenen Hauptes, ſie erfreuen ſich an.der
Schönheit der Umgebung, ſie arbeiten Tag für Tag, um die Zukunft für den So-
dialismus und den Frieden vorzubereiten. Welch ſchöneres Verſprechen
könnten ſie auch ihren Boreltern bieten? Man kann es nur bedauern, daß die eigene Jugend
anders war. Unwillkürlich drängt ſich jeht der Vergleich dieſer Jugendbewegung mit den
Zeuten auf, die früher in den Kaſernen des Kaiſers abgerichtet wurden, Andere Mienen,
andere Bewegungen, anderes Weſen. Nichts. als dieſer Gegenſaß von früher und heute kann
beſſer beweiſen, daß die Morgenröte einer neuen Zukunft beginnt. =
3a, die Morgenröte einer neuen Zukunft! Troß aller gegenwärtigen Schwierigkeiten,
tro; diplomatiſcher und militäriſcher Verwiälungen, die uns fortgeſetzt bedrohen, kann man
dieje Zuverſicht haben. Der alte Krieg laſtet noch auf uns, wir können ihn nur langſam
in Mühe und Ausdauer liquidieren, aber er iſt zu liquidieren, und diejenigen, welche. die
Ereigniſſe aufmerkſam beobachten, müſſen feſiſtellen, vaß ſich allmählich ein Wechſel der
Dinge vollzieht. -
Zunächſt weiß heute jedermann, daß der Krieg, durch die Fortſchritte der Wiſſenſchaft
gefördert, immer etwas Schlechtes iſt, ſchon deshalb, weil in die wirtſchaftlichen Verhältniſſe
verſchiedener Nationen Verwirrungen hineingetragen wurden, unter denen vie ganze Welt jetzt
zu leiden hat. Schließlich, und das iſt das ſchönſte, ſind inſofern Aenderungen eingetreten,
als die Macht des Proletariats zu einer gewaltigen Größe angewachſen iſt, und endlich, was
ganz beſonders hervorzuheben iſt, weil die Jugend nichts mehr vom Kriege
wiſſen will. .
Und wer könnte gegen den Willen und den Eifer der deutſchen Männer und Mädchen
handeln, wo ein ähnlicher Wille in der Jugend aller Länder vorhanden iſt? Friedrich I11.,
glaube ich, war es, der geſagt hat, daß, wenn einmal die Bajonette anfangen zu denken, die
Zeit der Generale vorbei ſei, Wie ich die wunderbaren Reihen Ihrer Jugend in den Straßen
Bielefelds beobachtete, hatte ich den Eindru>, daß die Zeit ſchon gekommen ſei.
Grüßen Gie alſo -- ſo ſchloß de Brouc>ere ſeine Ausführungen über ſeine Eindrücke von
der Bielefelder Tagung =- die deutſche Arbeiterjugend. Möge ſie immer eine ſtarke Stüße
ſein für die Zukunft der deutſchen Republik, das iſt der Wunſch aller belgiſchen Sozialiſten,
und ſie ſehen hierin die Gewähr ſür einen endgültigen Frieden.
v Jean JTuures.
| Von Bickor Sc<iff.
FP Wenn in früheren Jahren ein Führer der deutſchen Sozialdemokratie die
BS 3 Augen für immer ſchloß, und mochte es ein Wilhelm Liebknecht, ein
“id Baul Singer oder gar ein Auguſt Bebel ſein, ſo konnte man bei aller Trauer
um den durch den Tod Entriſſenen ſich der troſtvollen Ueberzeugung dennoch hin-
geben: Mag die Lüce noch ſo groß ſein, das Werk bleibt beſtehen; neue Männer
werden es leiten, denen wir das Vertrauen ſchenken dürfen, daß ſie es im Sinne
des Toten mit Erfolg fortſezen werden. Es iſt zwar richtig, "daß die deutſche
Arbeiterklaſſe die durch Bebels Tod geriſſene Lücke erſt nach Kriegsausbruch voll
empfunden hat: als nämlich bei den erſten Konflitten innerhalb der Partei über die
Troge der Bewilligung der Kriegskredite die Gefahr einer Spaltung immer näher
rückie; da mag ſich manch einer nach den Zeiten zurü&geſehnt haben, wo es Bebels
überzeugender Autorität ſtets gelang, die Partei in ähnlich ſchwieriger Situation
zuſammenzuhalten und der von ihr ausgegebenen Parole allgemeine Achtung zu
verſchafffen. Indeſſen iſt es ſo gut wie ſicher, daß Bebel die gleiche Politi? im
Krieg empfohlen hätte wie die Mehrheit der Rartei, und es iſt anderſeits keines»
wegs ſicher, daß es ihm auf die Dauer gelungen wäre, den Bruch mit der äußerſten
Linken zu verhindern, der bekanntlich nunmehr in den ſozialiſtiſchen Rarteien aller
Länder vollzogen iſt.