Full text: Arbeiter-Jugend - 13.1921 (13)

282 Arbeiter-IJugend 
 
„Auadratlatſchen“ angeſehen würden. Was ich natürlich verneinte, Vorſichtshalber zog ich aber 
doch die lehmigen Stiefel aus. Nun hatte ich aber immer <crſt Rlaß für den Allerwerteſten 
und die Füße, noch wußte ich nicht, wohin mein müdes Haupt betten. Jedoch mit einiger 
Frechheit und einigen liebevollen Knüffen in die empfindlichen Stellen meiner Nachbarn ex- 
langte ich endlich doh ſoviel Plaß, um mich wie ein Fragezeichen hinlegen zu können. 
Von Zeit zu Zeit ſcheuerte ſich jemand an meinem Kopf die Füße ab. ID nahm Die 
Beine und verſuchte, ſie ein Stü> weiterzuſchieben. Sie kamen aber immer wieder. Wenn 
mein Nachbar ſich umdrehte, war ich immer in Gefahr, unter ihn zu liegen zu kommen. Aber 
jedenſalls hatte ich es beſſer als mein Freund Otto, der daſaß wie ein Chineſe und tat, als ob 
er ſcharf über die Unſterblichkeit der Maikäfer nachdächte, denn er konnte ſein Haupt nirgends 
Hinlegen. . - 
Troß der naſſen Kleidung und der unbequemen Lage verfiel ich in einen kleinen 
Schlummer. Nach kurzer Zeit jedoch) wurde ich von einem barbariſchen Gebrüll gewe>t. Was 
war denn nun los? Da kletterte durc< das Dachfenſter unſer „Langer“ herein, mit ſeinem 
iegenmantel und Schlapphut angetan wie ein Profeſſor oder der fliegende Holländer, 
ſchaurig anzuſehen, Kreidebleich flüſterte er: „Laßt mich um Himmels willen herein, der 
Wiri will ſchießen!“ Und hinter ihm kletterte noch einer, aber der rutſchte aus und hielt ſich 
nun krampfhaft mit beiven Händen an der Dachrinne feſt. =- „Was wollt ihr denn?“ -- 
„Menſchenskinders, wir wollen doch auch ſchlafen!" == „Hier iſt kein Plaz mehr =- aus» 
geſchloſſen!" -- Pnd unten polterte der Wirt an der Tür und ſchrie: „Die beiden Halunken, 
die durch das Fenſter geſtiegen ſind, herunterkommen!“ Aber ſie pfiffen ihm eins. -=- 
Wir waren froh, als der Tag anbrach. Wie wir auf dem Hof waren, kam uns unſer 
armes Hänschen entgegen: „Das war 'ne Nacht -- ich habe auf der Gartenbank gepennt. 
Jedesmal, wenn ein Windſtoß kam, ging es mir durch Mark und Bein; es war zum Heulen!“ 
Müde, durchnäßt zogen wir morgens nach Hauſe, von wo uns die Städter entgegenkamen, 
um den zweiten Pfingſttag zu feiern, Sie ſangen aus Leibeskräſten: „Das Wandern iſt des 
Müllers Luſt!“ =- OD, grauſame Ironie! Und dabei guten ſie uns ſo intereſſiert an, als 
ob ſie ſagen wollten: das nennen dieſe Menſchen nun Erholung! =“- Als wir uns trennten, 
hieß es: „Blödſinn wars ja, aber ſchön wars deswegen doch!“ 
Und wenn mal wieder ſo ein Blödſinn gemacht werden ſoll, ich weiß, ich bin wieder dabei! 
 
 
 
faden. 
Der Krieg hatte, wie auf ſoviele andere 
Organiſationen, auch auf unſere Arbeiter- 
jugendbewegung in Oſtſachſen zerſtörend ge- 
wirkt, zumal die Arbeiterjugendvereine, die 
in den einzelnen Städten und Drten be- 
ſtanden, vor dem Krieg infolge des Vereins» 
geſeßes und der uns bereiteten behördlichen 
Schwierigkeiten nur loſe zuſammengefaßt 
waren. Was von unſeren Organiſationen 
troß des KÄrieges ſich now erhalten hatte, 
wurde dann zum größten Teil dur die un- 
heilvolle Zerſpliiterung innerhalb der Ar- 
beiterbewegung aufgerieden. So ſtanden die 
früheren Mitglieder der Arbeiterjugend- 
Bildungsvereine nach ihrer Rü&äkehr aus dem 
Fold vor Trümmern; nur einige Vereine in 
Oſtſachſen waren uns erhalten geblieben. 
Still, aber mit der Zähigkeit und Entſchloſſen- 
heit, vie ver Jugend eigen iſt, wurde die 
Arbeit auſgenommen, die Arbeit, unſere Ar- 
beiterjugendbewegung in Dſtſachſen wieder 
  
Die Arbeiterjugendbewegung im Bezirk 
Sri u ZELL 
aufzubauen. Viele ältere Parteigenoſſen und 
Parteigenoſſinnen haben mit begeiſterter, 
jugendlich Tatkraſt mitgeholfen. Und vas 
erk iſt gelungen. Nicht nur äußerlich, der 
Zahl der wiederaufgerichteten und neu er- 
ſtandenen Vereine nach, ſondern auch in 
bezug auf die innerhalb der einzelnen Ver? 
eine geleiſtete Arbeit. Folgender Bericht, 
der ſic) auf die Zeit vom 1. Januar 1920 
bis 31. März 1921 erſtre&t, gibt ein Bild von 
dem, was da geleiſtet worden, 
Beſtanden im Jahr 1919 nur recht wes 
nige Arbeiterjugendvereine im Bezirk, ſo 
konnten wir am 1. Januar 1920 bereits 43 
muſtern, davon allein 23 Gruppen im Ums 
kreis von Dresden. Am 31. März 1921 war 
die Zahl auf 60 angewachſen, und heute, 
Anfang Iuni, ſind es ſchon 70, Die Mit- 
gliederzahl betrug am 31. März 1921 3700, 
und zwar 2459 Burſchen und 1241 Mädel. 
Wenn auch angeſichts der großen Maſſe der 
jugendlichen Arbeiter und Arbeiterinnen im 
induſtriereichen Bezirk Dſiſachſen geſagt wer-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.