Full text: Arbeiter-Jugend - 13.1921 (13)

RArybeiter-Jugend 
Chriſtliche Jugend. 
Aus Heegermühle wird uns ge» 
ſchrieben: Vor einiger Zeit hatten wir vier 
ugendgenoſſen, ein nettes Erlebnis. Wir 
machten nach unſerm Heimabend no< einen 
tleinen Spaziergang. Unſer Weg führte uns 
an vem evangeliſchen Gemeindehaus vorbei, in 
dem der Chriſtliche Jungfrauenverein gerade 
eine Veranjſtaliung abhielt. Schon von wei- 
tem hörten wir „modernſten“ Geſang: 
„Gciebermaxr“, „Ac<h du mein Lieschen, Lies- 
chen“, „Betrus, ſchließ den Himmel zu" uſw. 
Natürlich kpnnte es uns gar nicht beikommen, 
vaß dieſe wunverbaren Töne von den <riſt- 
lichen Jungfrauen herrühren ſollten. Wir 
kamen näher. Und was ſahen wir? Der 
Hof des evangeliſchen Gemeindehauſes war 
von einem großen Teil der Mitglieder des 
Jungfrauenvereins belebt, die die angeführten 
Lieder ſangen und ihre Beine tüchtig im 
modernen Schiebetanz bewegten. Und aud) 
die Jünglinge fehlten dabei nicht. In den 
Zwiſchenpauſen hörte man von drinnen, wo 
ver andere Teil der Mitglieder mit ihrem 
Herrn Paſtor weilten, die Klänge eines Har- 
moniums und des Liedes: „Jeſus, meine Zus- 
verſicht“. 
Wie ich nachher in Erfahrung brachte, war 
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den Jungfrauen die Andacht und der geiſt- 
liche Geſang ein bißchen zu langweilig ge- 
worden. Gie vernahmen auch wohl ſchon 
das Pfeifen der draußen wartenden Jüng- 
„linge, vie ritterlich ihre Damen abholen 
wollten, um ſie auf dem Nachhauſeweg gegen 
die -Geſahren der Dunkelheit zu ſchützen. Vor- 
her mußte man aber noch beſagte Tanzluſt- 
barkeit erledigen. 
Wir fragen: Sehen denn die Herren Paſto» 
ren und ihre Anhänger nicht endlich ein, zu 
welchen Ergebniſſen ihre <riſtliche und vor 
allen Dingen getrennte Erziehung der Ge» 
d<lechter führen muß? Eine ältere Leiterin 
esſelben Vereins geſkand ſelbſt zu und klagte, 
daß es den Jungfrauen durchaus nicht „ein- 
zupauken“ ſei, ſich „chriſtlich“ zu benehmen 
und all die ſchönen Sachen wie modernen 
Tanz zu laſſen; ſie ſeien nicht zu bändigen. 
Ja, das glauben wir gern. Geſunde Jugend 
wird dieſe Erziehung nicht widerſtandslos 
über ſich ergehen laſſen. Und ſe3t dann nicht 
eine vernünftige Behandlung ein, ſo wird 
ſie leicht auf falſche Wege geraten. Der beſte 
Beweis: jener Vorgang. Verſuchen wir, Ar- 
beiterjugend, jene Jugend zu erfaſſen und 
zu edlen, von jeder modernen Unſitte freien 
Menſchen zu erziehen! W. Doelfs. 
 
Samm Ve 
Die Kommuniſſen in unſeren Vereinen, 
Aus Ruhland im Bezirk Liegnitz wird 
uns geſchrieben: Die „Kommuniſtiſche Jugend“ - 
hat im benachbarten „Boc>wißer Ländchen“ 
unter den Folgen des lezten März-Putſches 
ſtark gelitten. Jeßt ſcheint ſie ſich langſam 
zu erholen. Jedenfalls entfaltet ſie in leiter 
Zeit eine rege Agitation. In den Betrieben 
werden Flugblätter verteilt, auch öffentliche 
Iugendverſommlungen werden abgehalten. 
Faſt immer wird der bekannte „Offene Brief“ 
als Agitationsmaterial benutzt. In einer 
öffentlichen Iugendverſammlung, die in 
Lauchhammer ſtattfond, gab der Arbeiter 
jugendverein Ruhland folgende Erklärung ab: 
„Die Ruhländer Arbeiterjugend iſt bereit, 
im Zugendkartell mitzuwirken. Eine Mit- 
arbeit lehnen wir jedoch ad, falls 'das Kartell 
nach anderen Grundſäßen arbeitet wie der 
Reichsausſchuß der Arbeiterjugendorganiſa- 
tionen.“ 
Dies ſchien aber unſeren kommuniſtiſchen 
Brüvern nicht zu genügen. Als unſer Ver- 
ein eines Tags ſich zu einem Vortragsabend 
zuſammenfand, fand ſich ein Sowjetjünger 
ein, der, ohne jemand zu fragen, den Ver- 
nun alete betreten hatie. Vom Ver- 
ammlungsleiter über den Zwe ſeiner An- 
weſenheit gefragt, antwortete er: „I< bin 
der Unterbezirksleiter der Kommuniſtiſchen 
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Jugend und möchte heute hier über den 
Offenen Brief ſprechen.“ Da die Mehrzahl 
der Anweſenden einverſtanden war, wurde 
ihm das Referat geſtattet. 
Er ſprad) über die Notlage der arbeitenden 
Jugend, Über das „Hilſswerk“ der Kommus- 
niſtiſchen Jugend, den ODffenen Brief und 
ſtellte zum Schluß unſern Verband als eine 
zur Vertretung der arbeitenden Jugend uns- 
fähige Organiſation hin. 
In der Ausſprache wurde erwidert: Wir, 
die Arbeiterjugend, kennen die Notlage 
unſerer Klaſſe eben ſo gut wie die Kommu- 
niſten. Lange, bevor der „Offene Brief“ 
herausgegeben wurde, haben ſid) die politi- 
ſchen und gewerkſchaftlichen Jugendorganiſa- 
tionen zu gemeinſamer Arbeit zuſammenge- 
fehloſſen. Lediglich die kommuniſtiſche Im 
gend war es, die dige Mitarbeit ablehnte. 
Wir laſſen uns nicht als Kanonenfutter der 
kommuniſtiſchen Parteien mißbrauchen. 
Im Gehlußwort fiel es dem Referenten 
ſ<wer, bei der Sache zu bleiben. Auf alle 
mögliche Weiſe verſuchte er, unſeren Verband 
herabzuwürdigen. I<, als Verſammlungs: 
leiter, hatie lange Geduld gewahrt. Als er 
ſic) aber erlauvbie, einige Mitgliever des 
Hauptvorſtandes zu beſchimpfen, wurde ihm 
das Wort entzogen und die Tür gewieſen. 
Er ſetzte jedoch ſeine Schimpfrede fort und
	        
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