Dim Arbeiter-Jugend 295
„Milliarden müſſen wir jährlich den Siegern zahlen, eine feſte Summe von 2 Mil»
liarden Goldmark .und. außerdem Prozente des Wertes unſerer Ausfuhr. In den
nächſten Jahren werden wir etwa 31, bis 4 Milliarden Goldmark (= 50 bis 60 Mil»
liarden Rapiermark) als Tribut zu leiſten haben, eine Summe, die übrigens ungefähr
ebenſo hoch iſt wie der Betrog, den das deutſche Volk vor dem Krieg für alkoholiſche
Getränke agusgab. |
Reichsregierung und Reichstag bemühen ſich, neue Steuern für die Wiedergut-
madzung zu ſchaffen, aber ſelbſt wenn es gelingt, die Einnahmen des Reichs gewaltig
zu erhöhen, ſo iſt damit die Wiedergutmachungsfrage noch nicht gelöſt. Die Steuern,
die das Deutſche Reich erhebt, fließen ihm.nur in Papiergeld zu, aber wir haben in
„Goldmark“ zu zahlen. Was heißt das? Sind wir verpflichtet, in blankem Gold
unſern Tribut dem Gegner zu überſenden? Das wäre unmöglich. Soviel Gold, wie
wir brauchten, um unſere Verpflichtungen zu begleichen, wäre nicht aufzubringen.
Auch in der Vortriegszeit wurden die Zahlungsverpflichtungen, die zwiſchen den
Angehörigen verſchiedener Länder beſtanden, nur zu einem kleinen Teil durch die
Berſendung von Edelmetallen ausgeglichen. Wer im RAusland etwas zu fordern
hatte, ließ ſich in der Regel kein blankes Geld kommen, ſondern er ſchrieb eine auf
die fremde Währung, 3. B. auf 100 Schweizer Franken lautende Zahlungsanweiſung
(Wechſel) auf ſeinen Kunden aus,*) und wer nach dem Ausland eine Zahlung zu
leiſten hatte, der ſuchte ſolche ausländiſchen Wechſel (Deviſen) zu kaufen, um damit
feine Schulden im Ausland zu bezahlen. War die Nachfrage nach ausländiſchen
Wechſeln größer wie das Angebot, ſo wurde etwas mehr, war das Angebot größer
wie die Nachſrage, ſo wurde etwas weniger dafür bezahlt. Aber groß konnten vor
Dem Kriege die Schwankungen nicht ſein, wenigſtens dann nicht, wenn die beiden in
Betracht kommenden Länder Goldwährung hatten, wenn es rechtlich und
pratftiſch möglich war, alle außer den Goldmünzen noch vorhandenen Zahlungsmittel,
wie Banknoten und ſogenannte Scheidemünzen, jederzeit in Gold oder Goldmünzen
umzutauſchen. |
In Deutſchland konnte man vor dem Krieg für 100 Mark Banknoten jederzeit
ven gleichen Betrag in Goldmünzen bekommen. Nun enthielten 100 Schweizer
Iranken ungefähr ebenſoviel Gold wie 81 Mark, deshalb konnte der Kurs für einen
Wechſel, der auf 100 Franken lautete, nur höchſtens um ſoviel über 81 Mark ſteigen,
wie die Koſten der Verſendung von Gold nach der Schweiz betrugen. Wäre er höher
geſtiegen, jo wäre es ja vorteilhaft geweſen, ſtatt des Wechſels Gold nach der Schweiz
zu ſenden. Ebenſo konnte der Kurs eines ſolchen Wechſels nur höchſtens um den
Betrag der Verſendungskoſten unter 81 Mark fallen, da ja der Beſitzer des Wechſels
ſich jederzeit Gold aus der Schweiz kommen laſſen konnte. Jeßt aber haben wir in
'"Deuiſchland keine Goldwährung mehr. Unſer Papiergeld kann nicht mehr in Gold-
münzen umgetauſcht werden, und deshalb war es möglich, daß die Kurſe der fremden
Wechſel in Deutſchland weit über ihren Friedenswert ſtiegen. Für 1 Dollar, der
früher etwa gleich 4,20 Mk. war, müſſen jeht etwa 60 bis 70 Mk. gezahlt werden.
In ſolchen ausländiſchen Wechſeln, Deviſen, haben wir unſere Wiedergutmachungs-
ichulden zu zahlen, ſoweit nicht die Gegner Sachlieferungen von uns annehmen.
Wie können wir aber die zur Erfüllung unſerer Verpflichtungen noiwendigen
Deviſen bekommen? Wir können Anteile deutſcher Unternehmungen, Schuldſcheine
deuiſcher Staaten, Gemeinden und Erwerbsgeſellſchaften nach dem Ausland ver»
*) In Wirklichkeit ſind die Dinge noch etwas verwicelter, als das hier dargeſtellt wird,
weil die Banken als Vermittler des internationalen Zahlungsverkehrs tätig ſind. Hier kommt
es aber nur auf das Weſentliche an.