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kaufen. Das kann uns aber nur vorübergehend helfen. Die Summen, die wir auf
dieje Weiſe aufbrächten, würden nicht entfernt zur Deckung unſerer Verpflichtungen
genügen. Haben wir Doch jahrzehntelang den Alliierten jährlich unſern Iribut zu
leiſten, bis unſere auf 132 Milliarden Goldmark feſtgeſezte Schuld abgetragen iſt.
Wir können ſchließlich auch deutſches Papiergeld zum Ankauf fremden Geldes nad)
dem Ausland ſenden. Aber wollten wir das immer und immer wieder tun, ſo würde
jehr ſchnell unſer Papiergeld im Ausland noch mehr entwertet werden als jezt, ja,
es würde ſchließlich überhaupt ganz wertlos ſein.
Vor dem Krieg entſtanden deutſche Forderungen an das Ausland außer durch
unſere Ausfuhr auchy dadurch, daß uns jährlich erhebliche Erträge aus dem im Aus-
land angelegten Ddeutichen Kapital zufloſſen und ums unſere Schiffahrt große Ein-
nahmen brachte. Heute iſt das deutſche Auslandskapital wie auch die deutſche
Handelsflotte bis auf einen geringen Reſt verloren, ſo daß wir uns im weſentlichen
nur durch unſere Ausfuhr die nöbiligen Zahlungsmittel für die Wiedergutmachung be-
ſchaffen können. Aber nicht ohne weiteres können wir die durc) die Ausfuhr deutſcher
Waren erlangten Zahlungsmittel zur Ablieferung an unſere Gegner verwenden.
Jährlich brauchen wir mehrere Milliarden Goldmark, um die Einfuhr von Nahrungs-
mitteln und Rohſtoffen zu bezahlen, die wir unbedingt haben müſſen, wenn das
deutſche Volk leben ſoll.
Auf die Dauer können wir daher unſere Verpflichtungen nur erfüllen, wenn
wir einen Ausfuhrüberſchuß haben, wenn der Wert der deutſchen Ausfuhr größer
iſt als ver Wert der Cinfuhr. Deshalb müſſen wir verſuchen, unſere Ausfuhr mög»
lichſt zu ſteigern. Aber die Größe unſerer Ausfuhr hängt nicht nur von uns ab.
Es genügt nicht, daß wir Waren für die Ausfuhr produzieren, ſondern wir müſſen
auc) auf dem Weltmarkt Käufer finden. Gelingt es uns aber nicht, einen Ausfuhr»
überſchuß zu erzielen, und wird damit die Leiſtung der Wiedergutmachung unz
möglich, ſo drohen uns die ſchwerſten Geſahren, neue Gewaltmaßnahmen der
Ententemächte und eine weitere Entwertung unſeres Geldes, die dem deutſchen Volk
die Lebenshaltung verteuert und für viele Millionen Not und Clend bedeutet.
Daher müſſen wir verſuchen, auch unſere Einfuhr nicht zu groß werden zu laſſen.
Wir müſſen möglichſt die Einfuhr ſolcher Güter verhindern oder einſchränken, die
wir entbehren können, und dazu gehört auch der Tabak und der Alkohol. Die
alkoholiſchen Getränke, vor allem Schnaps und Bier, können zwar aus inländiſchen
Rohſtoffen, aus Kartoffeln, Getreide und Doſt, hergeſtellt werden, aber die deutſche
Nahrungsmittelerzeugung reicht zur Ernährung unſeres Volkes nicht aus. Für jeden
Zentner Kartoffeln oder Getreide, der in die Brennerei oder Brauerei wandert,
müſſen wir zum Erſaß ausländiſce Nahrungs- oder Futtermittel einführen,
Die wirtſchaftliche Lage Deutſchlands erfordert gebieteriſch, daß das deutſche Volk
zu ſeinen Lebensgewohnheiten aus der Vorkriegszeit nicht mehr zurückkehrt. Es
handelt ſonſt wie ein Mann, der plößlich verarmt iſt, der aber, ſtatt planmäßig ſeine
Ausgaben einzuſchränken, in der gewohnten Weiſe weiterlebt, bis er eines ſchönen
Tages aud) ſeine notwendigſten Bedürfniſſe nicht mehr befriedigen kann. Das deutſche
Volk wird in den nächſten Jahren einen ſchweren Kampf um ſeine Exiſtenz zu führen
haben. Deshalb muß es lernen, auf Entbehrliches zu verzichten, um das Notwendige
zu haben. Man muß daher wünſchen, daß jekt einmal die Alten von der
Jugend lernen und, dem Beiſpiel der Jugend folgend, auf alkoholiſche Getränke
und Tabak verzichten. Je mehr das deutſche Volk es fertig bringt, ſich in ſeinen ganzen
Lebensgewohnheiten der durch den Krieg geſchaſſenen Lage anzupaſſen, um ſo eher
wird es die Ketten löſen können, die es infolge ſeiner Niederlage jezt tragen muß.