Full text: Arbeiter-Jugend - 13.1921 (13)

Lehrlingsſc<inder! 
Immer und immer wieder werden Lehr- 
tinge und junge Arbeiter direkt oder durch 
allerlei Hinterliſt gezwungen, mehr als acht 
Siunden zu arbeiten. In welcher Weiſe Lehr»- 
linge noch nad der geſetzlichen Arbeitszeit 
ausgebeutet werden, lehrt der ſolgende Bes 
richt eines Arbeiterjungen, den das „Gothaer 
Bolksblatt“ veröffentlicht: 
„Geſtern gegen Abend befand ich mich 
vei den Kindern im „Mohren“, als 
zwei Jugendgenoſſen zu mir kamen und 
mir erzählten, daß hinter dem Wagen- 
play von Bez in der Langenſalzaer 
Straße der G<mledemeiſter Auguſt Kunze 
mit zwei Lehrlingen auf dem Felde 
arbeitete. Die Lehrlinge müßten einen Ha>»- 
pflug ziehen, während der Herr Schmiede- 
meiſter den Kutſcher markierte. Das ſchien 
mir unglaublich, zumal mir bekannt iſt, daß 
der werte Herr einer ſtreng <riſtlichen Sekte 
angehört und ſeine Töchter in der Sonns- 
tagsjcule die Kinder mit Bibelverſen be- 
kanntmachen. Ich ging ſofort nach der be» 
zeicneten Stelle und fand die Angaben der 
zwei Genoſſen beſtätigt. Bisher glaubte ich, 
vaß das Pflügen mit Menſchen nur im Mit- 
telalter möglich geweſen iſt und hatte das 
bisher nur auf Bildern geſehen. Jeßt war 
es Wirklichkeit geworden. Den Stri> über 
die Schulter zogen zwei Lehrlinge einen Hac>- 
pflug, während der Herr Kunze ſtolz am 
Hinterteil hielt. Es fehlte nur noch die 
Beitjche und ein wirkliches Bild aus vergan» 
genen Zeiten hätte vor meinen Augen geſtan- 
den. Man überlege, 8 Stunden --- wahr» 
ſcheinlich doch auch länger -- am Amboß mit 
dem jſ<G;weren Hammer und dann am Abend, 
wo der Körper abgeſpannt und der Ruhe be- 
dürftig iſt, als Zugpferde vor dem Vflug. 
Das iſt <riſiliche Nächſtenliebe! Die Lehr» 
linge ſind von auswäörts, eſſen und ſchlafen 
beim Meiſter und wagen deshalb nicht, ſich 
gegen vieſe Behandlungsweiſe aufzulehnen.“ 
Wie es im allgemeinen die häßlichſten 
„ABT heamuDE 
Arbeiter-Jugend dd 
3189 
„Damen“ der „vornehmen“ Geſellſchaft ſind, 
die ihr geſchminktes Geſicht noch obendrein 
mit einem Gchleier verde>en, ſo glauben ge» 
wiſſe Lehrlingsſchinder ihre „Nächſtenliebe“ 
unter dem Schleier ſalbungsvoller „Frömmige- 
keit“ verhüllen zu können. Die Arbeiter- 
jugend wird gut tun, gegen jeden Arbeits» 
geber, deſſen Worte von honigſüßem Chriſten«- 
tum triefen, mißtrauiſch zu ſein, denn es gibt 
mehr als einen „Herrn Kunze“. sCH---, 
Handwerkerjugendvereine? 
Das Monatsblatt des Verbandes deutſcher 
Gewerbevereine und Handwerkervereinigungen 
fordert das Handwerk auf, die Jugend, die 
man bisher vernachläſſigt habe, in Hand» 
werkerjugendvereinen zu ſammeln. Eine 
weitere „Vernachläſſigung der Jugend wird 
ſich bald am ganzen Stand rächen, da die 
Gefahr beſteht, daß die Jugend andernfalls 
in einenicht erwünſchte Einfluß» 
ſphäre geraten und dadurch dem Hand»- 
werk und Gewerbe geiſtig für immer ent- 
fremdet würde“. Das Blatt gibt alſo ſelbſt 
zu, daß das Handwerk* ſeinen Nachwuchs 
vernachläſſigt hat. Traurige „Er- 
zieher" müſſen es ſein, die erſt Vereine 
ſchaffen müſſen, damit die „Zöglinge“ ihrer 
menſchenfreundlichen Erziehung „nicht geiſtig 
entfremdet“ werden! 
Die Gründung dieſer ſonderbaren „Jugend«- 
vereine“ ſoll „durch die Handwerkervereine 
im Einvernehmen mit den gewerblichen 
Lehrkräften in die Hand genommen 
werden“. Wir bezweifeln ſehr, daß ſich 
Lehrervereine finden werden, die ſich ent- 
gegen ihrem Grundſaß der politiſchen Neu» 
iralität und ihren verfaſſjungsmäßigen Pflichten 
zuwider zu Helfershelfern und Dienern einer 
reaktionären, ſozialiſtenfreſſe- 
riſchen Standesgruppe machen laſſen. 
Immerhin gilt es, wachſam und bereit zu 
ſein, um Cinzelvorſtößen, die nicht aus» 
Meiven werden, gleich die Spitze bieten zu 
önnen, ' 
 
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WW Bücher für die Tugend im ) 
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Tonzheffte. „Bunte Tänze aus 
aß? Jahrhunderten“ nennt ſich die 
neuejie Ausgabe von Anna. Helms und 
Jul. Blaſe. Rlle bisher herausgege- 
benen Tanzheſte werden durch dieſes Heft 
übertrumpft. Es iſt ein Kunſtwerk. Schon 
der Umſchlagdedel zeugt von der Eigenart 
dieſer Veröffentlichung. Im Vorwort ſprechen 
beide Herausgeber das aus, was das Büch» 
lein unter uns ſchaffen und bezweden foll. 
Wir können daraus auch erſehen, mit wieviel 
Mühe die Tänze in den verſchiedenen Orten 
gejammelt worden ſind. =+ Alle Tänze ſind 
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für den Sommer beſtimmt. Nach den" bei 
gefügten Beſchreibungen laſſen ſie ſich leicht 
einſtudieren. Auf den Fahrten bei der Raſt 
vreht man ſich im Kreiſe, im leichten, wohl» 
gefälligen Kleide, die Klampfe und die Vio- 
line machen die Muſik. Der Tanz wird tat- 
ſächlich getanzt, denn jeder iſt mit dem Körper 
und der Seele dabei. Hermann Claudius hat 
es verjftanden, die Tänze mundgerecht zu 
maden, während von IJilies, Fri Beyle, 
Albreczt Dürer, Ludwig Richter Federzeich» 
nungen, Gehattenriſſe und Holzſchnitte als 
Illuſtrationen eingefügt ſind. Friz Jörle 
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