330 Arbeiter-Jugend =
licdtundurchläſſigen Maſſe bede>en. So etwa hat man ſich den „Sinnespol" eines
einfachjten vielzelligen Tieres vorzuſtellen.
„Sinneszellen“ ſind alſo Zellen, deren „Beruſ“ darin beſteht, beſtimmte Vor»
gänge in der Außenwelt, etwa das Vorüberſchwimmen eines Gegenſtandes, wahr-
zunehmen. Der Girudel, den ein vorbeiſchhwimmenvder Körper erzeugt, wirkt als
„Reiz“, wie man ſagt: er biegt die feinen Taſthärchen der Sinneszellen nieder, und
dieſer leiſe Dru> genügt, um den Inhalt der Zellen in „Erregung“ zu verſetzen, d. H.
irgendeiiie Veränderung in ihnen auszulöſen, die ſich dann durch „Reizleitung“
mittels der Nervenfaſern -- das ſind zarte Ausläufer der Sinneszellen =-, auf
andere Zellen fortpflanzt und dieſe etwa zu verſtärktem Geißelſchlag veranlaßt.
Ebenſo ijt's mit den Lichtreizen. Die zu ihrer Aufnahme beſtimmten „Sehzellen“
enthallen einen Stoff, der lichtempfindlich iſt wie die Schicht einer photographiſchen
Platte, und die <emiſche Veränderung wird wiederum zum Ausgangspunkt einer
Erregung, die die Nervenfaſern durchläuft wie der elektriſche Strom einen Tele»
graphendraht.
Der Erwerb von Sinneszellen und Nervenbahnen bedeutet einen neuen, ge-
waltigen Fortſchritt in der tieriſchen Entwieklung. Denn durch dieſe Einrichtung
wird es ermöglicht, daß der Organismus auf Vorgänge in der Außenwelt ſofort
in einer ganz beſtimmten, zwe>mäßigen und darum oft überraſchenden Weiſe
antworten kann. Die Anordnung der Sinneszellen, Nervenfaſern und Bewegungs-
gellen iſt eben [ſo getroffen, daß etwa das Auftreffen eines Sonnenſtrahls auf eine
ſichtempfindliche Stelle das ganze Tier veranlaßt, zum Licht hinzuſchwimmen. Der
Bau des Körpers iſt durch die Ausbildung der Sinneszellen unſäglich feiner und
verwitdelier geworden. Mit Hilfe der Sinnesorgane kann der Organismus auf
einen beſtimmten äußeren Einfluß „eingeſtellt“ werden, ſo daß winzige äußere
Urſachen eine unverhältnismäßig ſtarke Wirkung auslöſen. Wenn 3. B. eine zarte
Berührung das Tier zu raſcher Flucht bringt, ſo iſt das nur möglich, weil durch die
Nervenfaſern plößlich aufgeſpeicherte Kräfte in Freiheit geſezt werden.
Unſer Bild von den erſten Vielzellern wäre indes nicht vollſtändig, wenn wir
nicht noch einer anderen Art von Zellen gedächten, die ebenfalls einer ganz beſonderen,
eng umſchriebenen Aufgabe dienen. Das ſind die Fortpflanzungszellen,
die Zellen alſo, deren Zwe es iſt, ausſchließlich für die Erhaltung der Art zu
ſorgen. Und dies iſt vielleicht die ſeltſamite Arbeitsteilung, die man ſich denken
kann: Alle anderen Zeilen des Körpers müſſen, wenn ihre Zeit herum iſt, ſterben,
dD. h. ſie löſen ſich unwiderruflich in ihre Beſtandteile auf. Nur die Fortpflanzungs-
zellen können dieſem GScjiſal entgehen. Sie beſißen die Föhigkeit, den ganzen
Orgonismus auſs neue aus ſic) hervorgehen zu laſſen. Sie bewahren -- auf irgend»
eine geheimnisvolle Weiſe = alle Einzelheiten ſeines Baues auf, gleichſam die
Erinnerung an all ſeine Einrichtungen und Eigentümlichkeiten. Gie bergen
in ſich die Anlogen für die Freßzellen ſowohl wie für die Bewegungs- und die
Sinneszellen. Denn alle dieſe Zellarten vermögen ſie durch Zellteilung herpor»-
zubringen.
Dieſe ſeltjamen Zellen entſtehen auf der unteren Hälfte der Kugel, wandern
aber dann in deren Inneres ein, wo ſie ſich im Schutz ihrer Bruderzelien zu erheb-
licher Größe entwi>eln und erft beim Tode des Tieres freiwerden. Sie ſteilen
im Organismus ſo etwas wie eine Brandverſicherung dar. Irgendwelche unmittel-
bare Arbeit für das Gedeihen des Ganzen leiſten ſie nicht. Wenn aber alles zerſtört
und zerſällen iſt, jo wird es mit ihrer Hilfe wieder neu auſgebaut.