Full text: Arbeiter-Jugend - 13.1921 (13)

Arbeiter-Jugend 331 
TEGgGUOLS unver, 
Von Margrit Kümerling, 
3 DB & Itäglic) laufen die Stunden im Gang der Geſchäfte. Gedanken ſind. Die Seele 
'& & [<weigt. Wenn aber der Tag zur Neige geht, wacht ſie mit der leiſen Frage auf, 
Gn; was Du für ihr aufgeblühtes Daſein tun willſt. Du verſprichſt ihr etwas, vertröſteſt 
ſie. Sie ſehnt ſich in Erwartung. Manchmal wird ihr unverſehens Erfüllung: ein Wort ward 
wie ein Streicheln einer innigen Hand =“- ein Blick brach wie ein Sonnenpfeil in dic) hinein 
=, eine ſtille Stunde mit deinem Freunde ſchwieg dic) in ein glückliches Weltvergeſſen --, ein 
Bogelſang, ein Wipfelrauſchen riß dein verſtriätes Herz in heiligen Frieden. In dieſen 
Siunden wird deine Seele reich, wird groß wie eine Königin, die edelſtoi3 und gabenreich 
für alle Menſchen ſpendet. Dod) flirren die Ulltagspfeile wieder gegen ihren zarten Leib, 
ſinkt ſie zurü> in den dunklen Schoß ihres Seins, in dämmernder Erwartung auf einen neuen 
Ruf zur ſchönen Stunde. 
Ein andermal dagegen wird ſie ungerufen wach; wie mit flammender Gebärde öffnet ſie 
vie Gründe eines unerträglichen Sehnens, das macht, daß du in Gommernächten Fäuſte zum 
Himmel re&ſt, als wolltoſt du die Sterne aus ihren Bahnen reißen, vas macht, vaß du durd) 
dunkle Straßen ſtürzt wie auf einer Flucht, und Stimmen folgen dir: „Was iſt die Weli? -+ 
Und was biſt du?“ 
Oder es kommt der Tag, da deine Seele wie in Fieberſchauern zittert vor Blutesluſt; vor 
veinen Augen gluten Aec>er mit roiem Mohn. Die Wellen deiner Sinne gehen wie wind- 
gebeugte Sagt auf und nieder. Deine Seele hat ſich grenzenlos verloren im Rauſch der Luſt. 
Go find wir Menſch -- immer hingegeben an die. Bewegungen unſerer Seele, der 
blühenden ſtillen, der treuen, der wilden. Wir beſitzen ſie zu unſerer Not und zu unſerer 
Treude, immer aber bringt ſie Leben in des Alltags gleichen Trad. 
 
 
 
Die EntfteßUung der Sprage. 
Von H. Fehlinger. 
Fd ie Sprache iſt ein wichtiger Beſtandteil der menſchlichen Kultur. Ohne Sprache 
» 9 wäre Kultur ebenſowenig denkbar wie ohne vie einfachſten Werkzeuge zur 
Sus Arbeitsverrichtung. Gemeinſame Arbeit ſetzt ein Verſitändigungsmittel voraus, 
venn ohne die Möglichkeit der Verſtändigung gäbe es kein gemeinſames, von be- 
ſtimmten Zwecken geleitetes Vorgehen von Menſchen. Das Verjtändigungsmiltel aber 
kann nur die Sprache ſein; unwejentlich iſt, ob ſie in Lauigebung oder in Zeichen 
beſteht. Eine ausgebildete Lautſprache beſitzt nur ver Menſch; aber auch viele höhere 
Tiere verſtehen es, ſich mit Lauten zu verſtändigen, und noch häufiger geben jie ſich 
auf andere Weiſe Berſtändigungszeichen. 
Wie mag die aus beſtimmten Worten beſiehende Lautſprache der Menſchen, bie 
ariikulierte Sprache, zuſtände gekommen ſein? Es iſt klar, daß die Menſchen der 
Urzeit, die durch Annahme des aufrechten“ Ganges eben erſt aus tieriſchen Zu- 
ſtänden heraustraten, nicht imſtande waren, die Sprache als Verſtändigungsmitiel 
einfach zu erſinven. Sie waren im Gebrauch ihrer Sprachwerkzeuge noch ebenſo un 
erfahren wie im Gebrauch techniſcher Hilfsmittel (Werkzeuge, Waffen uſw.) In 
Würdigung vieſes Umſtandes kam die Auffaſſung zur Geliung, die Entſrehung der 
Sproche ſei durd) äußere EindrücCe, vor allem Schalleindrücke, angeregt worven; die 
Menſchen hbötten Laute nachgeahmt, die ſie in der Natur hörten. Dieſe Tonnach- 
ahmung mag ja manchmal vorgekommen jein, namentlich beim Entſtehen von 
Worten, die ſich auſ beſonders auffällige Geräuſche oder auf Tierlaute beziehen, 
aber für den größten Teil des Wortſchaßes der Sprachen kommt eine derartige Be- 
ziehung nicht in Betracht. Dem Menſchen der Urzeit wäre es ſicher auch recht ſchwer 

	        
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