332 Arbeiter-Jugend
Abbildung 1. Finger- und Sebärdenſprache auſſraliſcher Cingeborener. Die Zeichen der oberen Reihe bedeuten gewiſſe
Jagd» und andere Tiere, in der unteren Neihe iſt das erſte Zeichen ein Abſchiedsgruß, das zweite bedeutet „töten“,
das dritte? „Bach“, das vierte „Weib“, (Nac< H. Klaatſch.)
gefallen, jeine Stimm- und Sprachorgane in [ſo weitgehendem Maße zu beherrſchen,
um die vielen Laute, die er in der Natur hörte, annähernd wiederzugeben.
In den erſten Lebensmonaten des Kindes iſt zu beobachten, daß es ſeine Emp»
findungen vor allem durch lebhafie Bewegungen bekundet, die weit mehr kenn-
zeichnend ſind als die Laute, die es von ſich gibt, die urſprünglich ſinnlos ſind und
die Bedeutung von Sprachlauten erſt unter dem Einfluß der Angehörigen des Kindes
erlangen. Die Erlernung des Sprechens in der Kindheit beyeutet für die geſamte
Menſchheit eine knapp zuſammengeſaßte Wiederholung der langwierigen Vorgänge
der Stammesgeſchichte. Das Kind würde nicht ſo ſchnell ſprechen lernen, wenn nicht
das Gehirn ſeiner Vorfahren bereits ſeit undenklichen Zeiten ſprachlich geſchult wäre,
und zwar oſſenbar ganz allgemein und von beſtimmten Sprachen abgeſehen. Sonſt
wäre es nicht zu verſtehen, wie es kommt, daß beim Kind die beſondere Sprache
lediglich vom Vorbild beſtimmt wird. Bei den Tieren ſpielen Bewegungen als
AusdruF von Empfindungen ebenfalls eine weit größere Rolle als die Laute, und
das überraſcht nicht, denn wo Bewußtſein porhanden iſt, da ſinden ſich auch Be»-
wegungen, die die ſeeliſchen Vorgänge nach außen kundgeben. Dieſe äußeren Merk-
male des geiſtigen Lebens begleiten es von Stufe zu Stuſe; ſie vervollkommnen ſich
mit dem nhalt, dem ſie zugeordnet ſind.
Wohl beſteht zwiſchen der Bewußtſeinsſtufe des höchſtentwilelten Tieres und der
der niedrigſten Menſchenraſſen eine tieſe Kluft, aber es ſind doch die im Menſchen
beginnenden Entwiälungen bereits beim Tier in mannigfachen Stufen vorbereitet.
Was in dieſer Hinſicht von den geiſtigen Tätigkeiten überhaupt gilt, das gilt aud)
im beſonderen von den Ausdru>sbewegungen, die der Entwicklungsſtufe des menſch»
lichen Bewußtſeins entſprechen. Das Rätſel des Urſprungs der Sprache kann deshalb
auch nur inſofern gelöſt werden, als man die Frage ſtellt, wie die dem Menſchen
und ſeiner Bewußtſeinsſtuſe entſprechenden Ausdru>ksbewegungen zu Sprachlauten
und damit nac) und nach zu Zeichen der Gedankeninhalte geworden ſind. Wobei es
kaum zweifelhaft iſt, daß ſich die Sprache aus einfacheren Formen der Ausdrucs-
bewegungen entwidelt hat, insbeſondere aus den der Sprache am nächſten ſtehenden
Gebärden.
Im Verkehr der kulinurarmen Völker (oder Naturvölker) ſind die Gebärden als
Verſtändigungsmittel noch bis heute von großer Bedeutung. Hermann Klaatſch
ſchrieb, daß Beobachtungen an den Eingeborenen Auſtraliens den Beſtand einer