Arbeiter-Jugend - 339
Kern ſchmecken kann. Was aber ſehr ſchlimm iſt: die Schulſtunden (jede zweite Woche ſoll der
Gdcüler acht freie Stunden eingeſpannt werden, und zwar drei Jahre lang, vom 14. bis zu
Beginn des 17. Lehensjahres) fallen außerhalb der Arbeitszeit! Eine böſe, aus
techniſchen Urſachen nicht zu ändernde Geſchichte, die aber die „Leidtragenden“ um ſo
energijcher anſpornen wird, für einen ausreichenden Urlaub zu fämpfen. -
Arbeit genug. Nun die jungen Tiefenbefahrer aufgewacht ſind und den Willen haben,
ſic) im Hauſe der Organiſation umzuſehen und mitzutun, kann um die Bewältigung dieſer
Arbeit nicht gebangt werden. In den treuen, unverbildeten Bergmannsherzen liegt Wärme
und Glaube, mindeſtens genau ſoviel wie anderswo. In einigen Jahren werden ſie ſich vurd
Taten den Reſpekt auch d er Berginſpektoren erwerben, die ihren lezten Jahresbericht
mit allerhand Schauermärchen von der „verdorbenen“ Zechenjugend zu füllen wußten.
Dazu „GlüE aufl“
Lebensfreude.
Von Karl A, Meyer.
„Und wenn dein Herz hundert Tore hätte
Wie Theben, ſo laß die Freude herein zu allen
hundert Toren.“
FPD as hat irgendwo ein Mann geſchrieben, der Leben und Menſchen kennt und weiß,
3 H wie notwendig die Freude für ein Menſchenleben iſt. Aehnlich hat Wilhelm Raabe,
<p Der tluge und gemütvolle Dichter, einmal geſagt: „Man ſpricht viel zu leichtfertig vom
Lachen in der Welt; ich halte das Lachen für eine der ernſthafteſten Angelegenheiten der
Menſchen.“ . Und wenn Goethe ſagt: „Wer ſchaffen will, mus ſröhlich ſein!“, j9 meint er
ähnliches damit. Es iſt übel um die Menſchheit beſtellt, wenn ſie alles Geſchehen nur mit ver»
biſſenen Zähnen und unfroh verkniffenen Augen anſieht.
Die Gegenwart hat uns wie vox ein böſes, dunkles Rätſel geſtellt. Ungezählte Jahr»
tauſende hindurch hat ver Menſch Fortſchritt an Fortſchritt gereiht, Erfindung auf Erfindung
getürmt, durd) ungeheure Anſtrengungen genialſter Köpfe iſt er zu einer zauberhaften Macht
über ſeine Mitgeſchöpfe gelangt --- aber iſt der Menſch glü>lich und froh?
Für die Mehrheit unſerer Volksgenoſſen, der Menſchen überhaupt, iſt das Leben eine
rechte Not. Sie müſſen ſich hindurchquälen bis zum Ende ihrer Tage; ſie ſehen die große
Ungerechtigkeit, ſie erkennen, daß die Arbeiter wie Laſitiere über die Erde gehen, und daß
die Beſizenden ſich in Kutſchen ſahren laſſen. Wann wird Gerechtigkeit ſein?
Wer das Getriebe einer großen lärmvollen Fabrik nicht kennt und in eine Lieſer lauten
Hallen hinein verſchlagen wird, in eine Keſſelſhmiede etwa oder ein großes Hütten
werk, der wird vor Staunen und Bedrüctheit über vie Fülle der Eindrüc>e und das ſchein»
bar planloſe Durcheinander ſich nicht zurechtfinden können. Und wenn es ein Menſch wäöre,
der aus einem ſtillen Urwald kommt und keine Ahnung von unſerem Maſchinengetriebe
hat, der würde die Hände über dem Kopf zuſammenſchlagen und der Verzweiflung nahe
jein. Er würde die Menſchen, die da durcheinander haſten im Schweiße ihres Angeſichts,
für verrüät halten oder glauben, daß ſie von einem böfen Geiſt getrieben würden. Das
madt, weil er nur das Aeußere der Dinge, die Erſcheinung ſieht und nichis von dem plan-
vollen Sinn weiß, der all dieſes ſcheinbare Durcheinander verſtändnisvoll leitet. Anders
ſehen wir die Dinge. Wer im Induſtrieleben ſteht, der weiß, daß hier eine große Ordnung
woltet, die alles zu einem gewollten Ende führt und zu nüßlichen Reſultaten.
So iſt es auch im Volksleben unſerer Tage. In der Rachkriegszeit jetzt erkennen wir ſo
vieles als nicht ſchön, wir ſehen viele Ausgeburten menſchlicher Unvernunft, ſo vieles, was
uns verworren und verrüdt „erſcheint, vieles, was nicht ſcin oder beſſer ſein ſollte. Und
voch wiſſen wir, weil wir durch unſere Erkenntnis einen Bli> für die Tiefe haben und für
Das, was hinter den Kuliſſen wirkt, daß dem heilloſen Wirrwarr letzten Endes dod) eine
Ordnung folgt. Wir ſind der feſten Ueberzeugung: wenn unſere kranke Zeit vorüber
ſein wird, wird eine neue Form geworden ſein. So ftürzen im Vorfrühling wilde Waſſer
von den Bergen, es ſauſt der Wind und ſchüttelt die Bäume, und drohende Wetter fegen
über die Erde hin. Das iſt die Zeit der großen Vorbereitung. Dann folgen
ſchöne Frühlingstage, und es kommt der Sommer. Das ſollen wir wiſſen.