344 Arbeiter-Jugend
ſtatteten, ſuchten durch irgendein kleines Geſchenk ihrem lieben Lehrer eine Geburtstagsfreude
zu machen, Ich erinnere mich heute noch lebhaft, mit welcher ſtolzen Freude ic an dieſem
Ehrentag meines Lehrers mit einem billigen Trinkglas, in das ich die Initialen „R.. T.“
hatte einäßen laſſen, zur Schule kam. Für das ſtoize Geſchenk hatten die Gparpfennige, die
ich gelegentlic) einmal pon Verwandten bekommen hatte, nicht ganz ausgereicht; meine
Mutter, die in der Verehrung meines Lehrers ganz mit mir einig war, hatte das fehlende
Dazugelegt.
Bei meinen Mitſchülern fand meine ſozialdemokratiſche Geſinnung nur zum Teil günſtige
Aufnahme. Manche von den Proletenſprößlingen wollten von dem vaterlandsfeindlichen So»
zialdemokraten nichts wiſſen, ſie ſ<wärmten gleich den Alten für das neugegründete deutſche
Kaiſerreich, was ja angeſichts des kurz vorher beendeten Krieges gegen Frankreich und des
dabei von jung und alt beſonders ſtar? entwidelten patriotiſchen Gefühls nicht eben verwuns-
derlich war. So gab es denn bald zwei Parteien in der Klaſſe, die Reichstreuen und die
Laſſalleaner, deren tieſgehende Meinungsverſchiedenheiten weniger oft im Kampf der Geiſter
als im Kampf der Fäuſte auf unſerem Schulhofe ausgefochten wurden, und zwar mit wech-
jelndem Glüd, denn beide Parteien waren von ungefähr gleicher Stärke. Bei dieſen Kämpfen
mußte id) zum erſtenmal für meine Ideen leiden, denn ich war beſſer mit dem Kopf als mit
der Fauſt imſtande, für ſie zu kämpfen.
Nun, geſchadet hat es mir nicht, ich hielt nur um
jo entſchiedener an meinen Ideen feſt, für die ich ſpäter noch ganz anders zu leiden hatte.
TUS Der €
Für die Internationale.
Die Berliner Bezirksorganiſation ſteht .
ſ<härfſtem Kampf mit den kommuniſtiſchen
Gegnern. Die von beiden GSeiten peranſtal-
teten Verſammlungen führen oft zu recht un»
erfreulichen Auftritten. So klang auch eine
Kundgebung Lxs „Vereins Arbeiterjugend
Groß-Berlin“ zur Internationale guf eine
unerwünſchte Weiſe aus. Genoſſe Rüdi-
ger, der Redner des Abends, führte etwa
ſolgendes aus:
Nur wer die Geſchichte der Jugendintero-
nationale kennt, weiß ihre Bedeutung in der
Gegenwart voll zu würdigen. In der Ber-
ſchiedenartigkeit der Programme der erſten
proletariſchen Jugendorganiſationen auf dem
Kontinent ſpivgeln ſich die verſchiedenen Ent»
ſtehungsurſachen, die dieſe Organiſationen
notwendig machten, wieder. Ein einheit-
liches Brogramm ſchuf die 1. internationale
Konferenz der ſozialiſtiſchen Jugendorgani-
ſationen in Stuttgart 1907, die im Anſchluß
an eine internationab? Tagung der erwachſe-
nen Arbeiterſchaft ſtattfand. WAntimilita-
riſtiſcge Veſtrebungen, Verſuche, die Jugend
wirtſchaftlich und kulturell zu heben, machten
den Aufgabenkreis -der 1. Internationale
aus. Deutſche Organiſationen haben ofſiziell
dieſer Internationale nie angehört, zumal das
Reichsvereinsgeſcz eine politiſche Betätigung
unmöglich madte, als an die SGtelle der
Jugendvereine die Jugendausſchüſſe und die
lotion Vereinigungen der Abonnenten der
„Arbeiter-Jugend“ traten. Dieſe Inter-
nationale hat eine Führerin des Jungpro»-
letariats nicht ſein können, brach ſie doch im
DIeodegungo?
Jahre 1914 genau jo Uſommen 1 wie Die eben-
falls unzulängliche internationale Organiſa-
tion der grwachſenen Arbeiberſchaft. Auch
an der im Jahre . 1915 von im neutralen
Auslande ſitzenden Führern einberufenen
Berner Konferenz bat die Zentralſtelle für
die garbeitenve Jugend Deutſchlands nicht
teilgenommen, weil der taktiſche Streit
inw?rhalb der politiſchen Organiſationen ihr
wichtigſter Beratungsgegenſtand war.
Nun haben die Kieler Veſprechungen, das
Erlebnis unſeres Weimarer Jugendtages, die
Hamburger Ausſprache und die Amſter-
damer Gründungskonferenz im Begenſaß
zur kommuniſtiſchen eine neue Internationale
geſchaffen, die die Diktatur der Moskauer
Päpſte nicht anerkennt, vielmehr auf dem
Prinzip der Selbſtändigkeit der Landesorga-
niſationen beruht. Dem Ausſprucly des alten
Liebknecht „Wiſſen iſt Macht“ folgend, pflegt
ſie in allererſter Linig Bildungsbeſtrebungen
--“y dem des jungen Liebknecht „Kring dem
Kriege“ entſprechend vefämpft ſie jede Form
des Militarismus, auch den roten. Unſer
Ringen um wirtſchaftliche und kulturelle He-
bung der proletariſchen "Jugend findet ſeinen
Niederſchlag in der Formel „Raum für die
Jugend!“ Daß unſere Arbeit, unſere
Aktion der Tat, erfolgreich, erfolgreicher als
die der Kommuniſten geweſen iſt, das be-
weiſt uns ver Marſch der Zehntauſend in
Bielefeld. Mit uns zieht die neue Zeit des
Sozinlismus herauf.
In der Diskuſſion gaben die Kommuniſten
mit den üblichen Verleumdungen, den UÜgi-
tationsſchlagern eines Günther Hopffe und