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Arbeiter-Jugend v 363
Der Geiſt, der uns den Krieg verlieren ließ.
"Df n Schreibers Kleinem Handatlas der wilden Nußpflanzen, ver 1918 in jenem Früh-
W jahrrerſchien, als man ſchon in maßgebenden Kreiſen von der. Nukloſigkeit weiteren
wg Blutvergießens Überzeugt war, leſen wir im Vorwort folgendes:
Mit einiger Sorge fragt ſich müncher Lehrer: Woher ſollen wir die Zeit zum Sam»-
meln (jenes berühmten Biehfutters, mit dem man die erſchöpfien Lebensgeiſter ves Volkes
wieder auffriſchen wollte: Huflattich, Brenneſſeln, Sauerampfer, Diſteln und anderes. Der
Perf.) nehmen, und was ſoll denn aus unſerer Schularbeit werden? Dieſe ängſtlichen
Vrageſteller mögen ſich die eindringlichen Worte des Vertreters des Reichsernährungs*
gmtes bei iden Berliner Lehrgängen über Pilzſammlung und Pilzverwertung als Antwort?
geſagt ſein laſſen: Bildungsfragen müſſen heute zurücktreten.
. Jede Bemerkung zu dieſen Auslaſſungen wäre eigentlich überflüſſig, wenn nicht die
Frage nach dem Geiſt, aus dem dieſe barbariſchen Poſaunenſtöße eines triegswüienden
Teutſchen geboren ſind, grundſäßlice Bedeutung hätte. , ee
- Es iſi derſelbe Geiſt, mit dem das provokatoriſche Maulheldentum der Alldeutſchen und
der Vaterlandspartei ſeine wilden Kundgebungen vom „furor teutonicus“, dem Kriegsmut
der Deutſchen, in die Welt hinausſchickte, derſelbe Geiſt, der ſelbſtgefällig, ſäbelklirrend und
uniformglänzend auf der Straße paradierte, den die Studentenſchaft, die hohlköpfig in der
Kneipe ſaß und ſich die Schädel ſpaltete, anbetete; derſelbe Geiſt, der dem Volk, als die
Herrlichkeit zufammenbrach, mit beiſpielloſer Borniertheit und Schamloſigkeit das Märchen
vom Dolchſtich in den Rüen des Heeres auftiſchte. |
- “Eine der Grundwahrheiten der Wiſſenſchaft iſt, daß ein lebender Organismus in
feinem Wachstum, ſeiner Entwiälung nicht geſtört werden darf, da3 Hemmung oder Ein»-
griff Zerſiörung oder zum mindeſten Rüſchritt bedeutet. Was man in dieſer Hinſicht
an der Jugend geſündigt hat, iſt nie mehr gut zu machen. Ein Kindergeſchlecht wuchs
während Des Krieges heran, das freudlos und vernachläſſigt an Leib und Seele ſich durch
die bitterſte Not hinſchleppte. Wenn man heute über Verrohung und Eniſittlichung der
Jugend redet, ſo tragen die die größte Schuld, vie am lauteſten ſchreien. Was Halt
damals der Menſch? Was galt vor allem die Jugend? --“ Nach uns die Sintflut! Ehren-
voller Untergang war noch das mindeſte, was man vom Volk und Heer verlangte. Und
warum das? Weil in den Hirnen unſerer Staatslenker das Phantom der Offiziersehre
ſpukte, ein Ehrbegriff, wie er verlogener und unmoraliſcher noch nie aufgeſtellt worden
wor. Gfklaviſc<er Gehorſam nach oben, der ſich in kaßbu>elnder Kriecherei nicht genug
tun fonnte, und hemmungsloſe Brutalität gegen die „Unteren“, das waren die ſpezifiſchen
Eigenheiten, die den deutſchen Offizier auszeichneten. Dieſer Geiſt war in die weiteſten
Kreije der Bourgeoiſie und damit in die Reihen der Kapitaliſten eingedrungen. Lächelnd
und mit der Unbekümmertheit deſſen, der ſein Schäfchen im Tro>enen hatte, ſah man
auf das Morden herab.
Der Geiſt des Goldes und der Geiſt des Säbels arbeiteten ſo einander: vortrefflich
in die Hände. Dazu halte man zuverläſſige Einrichtungen, die die Dummen immer
wieder zum Kanonenfutter und zu Arbeitsſklaven herrichteten: die Schule, die Lehre und
nicht zum letzten die Kirche. „Mit Gott für Kaiſer und Reich“, ſo lautete die Formel,
das „Seſam öffne dich“, mit der man die Menſchen zurechtſchmiedete, im Leben entweder
Herren vder Sklaven zu werden.
Tegore hat mit dem Seherbli> des indiſchen Weiſen die Schuld an der furchtbaren
Kataſtrophe, die die Welt erzittern ließ, erkannt: „Das ganze Prinzip der Völker Europas
iſt organiſierter Eigennutz“. |
An dieſem Punkte muß die Proletarierjugend einſezen. Auf, zum Kampf gegen jenen
Militär» und Geldgeiſt, der ſich immer noch bei uns breit macht! Vergeßt nicht, daß eure
Kameraden einſt für dieſen „Geiſt“ hingeſchlachtet wurden. Ihr ſollt eine neue Welt»
anſchauung erkämpfen helſen, den Geiſt des Sozialismus, unter deſſen heiligen Feuer-
gluten die Selbſtſucht ver kapitaliſtiſchen Weltanſchauung dahinſchmilzt. Nur wenn die
Jugend ſich für die Zukunft in die Vreſche wirft, nur dann kann die Menſchheit erlöft werden,
Darum kämpfet und ſiegt! |