364 Arbeiter-Jugend
Ferdinand Laſſalle.
Von Max Schütfkfte. |
Piu iſt tot!“ So beginnt ein ergreifendes Lied von Auguſt Geib, das früher
Y in Arbeiterkreiſen viel geſungen wurde. Es zeugt davon, welch hohen Klang
Laſſailes Name in der deutſchen Sozialdemokratie beſaß, auch nachdem ſeine
Richtung bei ver Gothaer Verſchmelzung vom Jahre 1875 der ſich an Karl Marx
und die Internationale anlehnenden Eiſenacher Partei unterlegen war. Und in der
Tat ſehen wir in Ferdinand Laſſalle eine ſellene Erſcheinung, die in Tugenden wie .
in Fehlern einen Zug ins Große k;at. Für Laſſalles Bedeutung ſpricht auch die über-
aus reichhaltige Literatur, die ſich mit ſeinem Leben und Wirken beſchäftigt und die
noc immer alljährlich durch Neuerſcheinungen vermehrt wird. Zu dieſen neueſten
Schriften über Laſſalle gehört „Ein Lebensbild Ferdinand Laſſalles“ von Dr. Willy
Cohn, Verlag von I. H. W. Dietz Nachf., Stuttgart 1921. Das Büchlein iſt der
Jugend-gewidmet und friſch und leichtverſtändlich geſchrieben und kann daher unſeren
Leſern angelegentlich empfohlen werden.
An der Hand des reichen Materials können wir uns eine klare Vorſtellung von
der Berſönlichkeit und dem Lebenswerk des Mannes machen.
Ferdinand Laſſalle entſproß einer jüdiſchen Familie, deren eigentlicher Name
Laſſal war, und wurde in Breslau nach der gewöhnlichen Annahme am 11. April,
nach neuerer Berechnung am 13. April 1825 geboren. In engen, kleinbürgerlichen
Verhältniſſen verlebte er ſeine Kindheit und empfing im Elternhauſe wenig geiſtige
Anregung, durfte aber doch höhere Schulen beſuchen. Wenn wir ſeinem uns er-
haltenen Tagebuch folgen, gewinnen wir von ſeinem Tun und Treiben in jenen
frühen Jugendjahren eben nicht den erfreulichſten Eindru>, dürfen dabei aber nicht
vergeſſen, daß er ſich damals gewiſſermaßen im männlichen Backſiſchalter befand,
alſo in Jahren, wo ein geiſtig regſamer junger Mann nur gar zu gern vor ſich und
anderen den genialen Taugenichts ſpielt. Auch finden wir in jenen Blättern
wiederum Züge, die ihn in weit beſſerem Lichte erſcheinen laſſen. Immerhin war
ſeine Führung ſo bedenklich, daß ſein Vater ihn vom Breslauer Gymnaſium fort»
nahm und auf die Handelsſchule in Leipzig brachte. Doch für den kaufmänniſchen
Beruf war Ferdinand erſt recht nicht geſchaffen. So verließ er bald Leipzig und
kehrte nach Breslau zurück. Hier warf er ſich mit ſolchem Fleiße auf die Arbeit,
daß er in kurzer Zeit in der Lage war, das Abiturientenexamen, das ihm den Zu-
gang zur Univerſität erſchloß, zu beſtehen. Sein Vater pwoilligte jetzt ein, ihn
ſtudieren zu laſſen, und ſo ließ ſich Ferdinand in Breslau bei ver philoſophiſchen
Fakultät einſchreiben und ſtudierte hier und ſpäter in Berlin Nhiloſophie und
Hoſſiſche Gpraden.
In Breslau hatie er auch nahe Beziehungen zur Vurſchenſchaſt Raczek, die
demokratiſche Tendenzen verſolgte. In Berlin verkehrie er mit berühmten Ge»
lehrten, wie Alexander v. Humboldt und Wilhelm Boe>h, und ging zeitig an ſein
großes Werk „Die Philoſophie Herakleitos des Dunklen“. Auf einer Studienreiſe
nach Paris lernte er Heinrich Heine perſönlich tennen und wußte dem weltberühmten,
ihm auch an Jahren weit überlegenen Dichter durc) ſeine Gewandtheit und Klugheit
gewaltig zu imponieren, wie Heine ſelbſt in einem uns erhalienen Brieſe an ſeinen
Berliner Freund Varnhagen v. Enſe bekundete. Nach Berlin zurückgekehrt, machte
Laſſalle eine Bekanntſchaft, die ſür ſein ganzes Leben bedeutungsvoll wurde, die der
Gräfin Sophie Haßfeld, die mit ihrem Mann in unglüälicher Ehe lebte und ſchwer
unter deſſen Roheit, Liederlichkeit und Verſchwendungsſucht zu leiden hatte. Mit