Arbeiter-Jugend | 367
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im eigenen Lager gab es oft unliebſame Auseinanderſezungen, und gegen die
Diktatur des Präſidenten regte ſich viel Oppoſition. Dazu wurde Laſſalle von neuen
Prozeſſen bedroht, auch von körperlichen Leiden heimgeſucht. Troßdem perlor er
niemals den Mut und das Vertrauen zu der Sache, ſondern raffte ſich immer wieder
zu neuem, kühnem Handeln auſ. Im Frühjahr 1864 machte er ſeine lezte Agitations» .
tour in den Rheinlanden und Yeierte namentlich in Ronsdorf einen großen Triumph.
Am 3. Juli bielt er im Frankfurter Verein ſeine letzte politiſche Rede.
Wiederholt hatte Laſſalle prophetiſch von ſeinem nahen Ende geſprochen. Dieſes
ſollte in der Tat nicht mehr lange auf ſich warten laſſen. In der Schweiz, die er-zur
Herſtellung ſeiner Geſundheit auſſuchte, hatte er einen Liebeshandel mit Helene
v. Dönniges. Sie ſelbſt hat über die Vorgänge Schriften veröffentlicht, in denen Zwar
ihr Beſtreven, ſich intereſſant zu machen, deutlich hervortritt, die aber auch viel wert» -
volles Material bringen und Laſſalle am Ende ſeiner Laufbahn in voller Glorie er»
ſcheinen laſſen. Die Verwicklungen ſpißten ſich zu einer ernſten Tragödie zu und
führten zu einem Duell zwiſchen Laſſalle und Helenes Bräutigam Janko v. Rakowicz.
Laſſalle erhielt einen tötlichen Schuß und hauchte am 31. Auguſt in einem Hotel in
Genf in den Armen der Gräfin Haßfeld ſein Leben aus.
Laſſalles tragiſches Ende hat viel dazu beigetragen, den romantiſchen Nimbus,
der ſeine ganze Perſon umgibt, zu verſtärken. In den Trauerfeiern, die deutſche
UArbeiterkreiſe ihrem dahingegangenen Führer veranſtalteten, ertönte zum erſtemtal
Ja?ob Audorfs Arbeitermarſeillaiſe mit dem Laſſallerefrain („Der Bahn, der fühnen,
folgen wir“ uſw.). “ Die Leiche des' großen Agitators wurde in ſeiner Vaterſtadt
Breslau auf dem iſraelitiſchen Friedhof beigeſetzt. Von Laſſalles berühmtem Lehrer
Boe>h iſt die Inſchrift verfaßt: „Hier ruht, was ſterblich war von Ferdinand
Laſſalle, dem Denker und dem Kämpfer." Und das iſt wahrlich ein würdiges Wort
für den Mann, in dem wir einen der größten Vorkämpfer und Bahnbrecher unſerer
Sache bewundern.
Geſekßliche Regelung des Lehrlingsweſens.
Von A, Friedel, Chemnitz,
42" aum ein anderes ſozialpolitiſches Gebiet iſt von der neuen Zeit ſo unberührt
K-& geblieben wie das Lehrlingsweſen. Wenn man von der 1918 erlaſſenen Ver-
«< S> ordnung über ven Achtſtundentag abſieht, die auch den Lehrlingen eine kürzere
Arbeitszeit brochte, ſo bleibt an geſeßgeberiſchen Maßnahmen nichts mehr übrig.
Aber gerade bei den Lehrlingen wird fortgeſetzt verſucht, den Achtſtundentag zu -
durchlöchern. Die zahlreichen Beſchwerden darüber, die bei den Gewerkſchaften ein»
gehen, beweiſen das. Als Errungenſchaft bleibt höchſtens dann noch übrig, -daß in
der Ferienfrage durch Vereinbarungen zwiſchen den Arbeitgeber- und Arbeitnehmer»
verbänden auch für die Lehrlinge einige Vorteile herausgeſprungen ſind. Das Be»
triebsrätegeſeßz ermöglicht es' ferner, beſonders in ſeinem 8 78, den Betriebsräten bei
der Erledigung von Beſchwerden über die Ausbildung und Behandlung der Lehr»
linge mitzuwirken. Dieſe Beſtimmung iſt aber ſo dehnbar, doß ſie in der RNraxis
forigeſeßt zu Differenzen zwiſchen Betriebsleitungen und Betriebsräten führt. Dann
fehlt es bei leizteren leider auch oft an der nötigen Klarheit und Energie, um wenig
ſtens das im Geſetz feſtgelegte durchzuſezen. In Betracht kommt weiter vor allem,
daß gerade in den handwerksmäßigen Betrieben, wo die Lehrlingsverhäliniſſe am
traurigſten ſind, Betriebsräte faſt gar nicht in Frage kommen. Außerdem iſt dort -
ein ſchweres Hindernis .der geltende Rechtszuſtand, wonach die Handwerkskammern
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