Full text: Arbeiter-Jugend - 13.1921 (13)

- aii Arbeiter-Jugend.. oo 375 
Ei . 
allein unter den Spöttern, die uns Utopiſten nannten, unter Jenen, die uns mit Strafwachen 
und jJonſtigen Liebesdienſten gequält hatten. | vim 
aſt vier Jahre ſind verſtrichen, die Blumen auf dem einſamen Grab in der weiten ſüd» ) 
ruſſiſchen Ebene, ſie werden bald wieder blühen. Vier Jahre, -- doch ich habe den Schwur, 
den wir uns gegenſeitig in ſtllen köſtlichen Stunden gegeben, gehalten und werde mein 
ganzes Leben bis zum lezten Atemzug dafür kämpfen, daß die Menſchheit den Krieg 
haſſen lernt. . . | 
Und er auch glaubte noch im Tode an die Gerechtigkeit „und Wahrheit, die einſtmals 
in allen Landen einziehen wird. Dann werden die Grenzen fallen, ein Hüben und Drüben 
gibt es nicht mehr, im warmen, göttlichen Sonnenſtrahl werden alle leben und ſchaffen, 
in Brüderlichkeit, Frieden und Glück, 
Ein Lächeln, ſo ſchön und zuverſichtlich ſchmücte des Toten Angeſicht, daß mein Glaube 
ſtar? und unerſchütterlig» wurde. . 
Ueber Mord und“?Rauch ſtand wie eine blutigrote Kugel die Sonnenſcheibe. Ein edles 
Menſchenherz hatte auſgehört zu ſchlagen, do ich hoffte weiter, verzagte und trauerte nicht. 
Gebt uns Waffen, ſchreien die äußerſten Rechten und Linken; wir ſagen: „Zerſchlagt- die 
SEIEN ſc<miedet Pflüge daraux, - daß die Menſchen ſatt haben, und nicht weiter hungern 
brauchen.“ . > ' 
Kein Lied in unſerer Jugend ſoll an das Schlechte und Böſe appellieren, Worte der 
Bruderliebe ſollen hinfort erklingen, und mit Leonhard Frank rufen wir aus: „Der Menſch 
iſt gut.“ G. Wilts, Emden. 
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Bei unferen Freunden in Deutſchöſterreich. 
Von Walter Kolb, Bonn. - 
CK uf dem modernen, prunkvollen Bahnhof der bayeriſchen Bezirksamtsſtadt Garmiſch» 
' 9 6 Bartenkirchen hält am lezten Bahnſteig ein eigenartig ausſchauender Motorzug der 
Gigs Deſterreichiſchen Bundesbahnen, des Gegenſtüfs zu unſerer Reichsbahn. „Vorn 
Gurmiſch nach Innsbru>“ beſagen ſeine Fahrtſchilder, und mit dieſen dürren Worten iſt 
die geographiſche Definition für eine der landſchaftlich wie techniſch eigenartigſten und 
intereſſanteſten Bahnlinien der Welt gegeben. Zwiſchen den beiden Höchſten deutſchen 
Alpenketten, dem Wetterſtein» und dem Karwendelgebirge, zieht dieſe eben erſt unter großen 
Mühen und Koſtenaufwand fertiggeſtellte Eiſenbahnlinie dahin. Ungezählte Viadukte, aug» 
gedehnte SGteilrampen müſſen dies Werk ermöglichen. Schneebede>te Gipfel erhabener 
Rieſenberge . dehnen ſich in fortlaufenden Ketten rechts und links; Zugſpige und Schachen, 
Hochkar und Reiterſpiße ſind bei klarem Wetter ohne weiteres vom Zuge erkenntlich. 
Heute aber regnet es unabläſſig, und deshalb ſcheint der bayeriſche Zollbeamte mit 
ſeinem LCiroler Kollegen die Vereinbarung getroffen zu haben, für diesmal die Menſchheit 
mit grenzamtlichen Kontrollſchikanen zu verſchonen; zum allgemeinen frohen Erſtaunen 
ſeßt ſich der Zug ohne längeren Aufenthalt in Markt Mittenwald, der gemeinſchafilichen 
Grenzſtation, wieder in Bewegung: eine furze Steigung, dann wird zum leztenmal die 
Var, die hier in den Bergen entſpringt, überfahren, und wir befinden uns im Bundesſtaat 
Tirpl des ehemaligen K.-K.-Reiches, der jezigen Republik Deutſchöſterreich. 
Das wirtſchaftspolitiſche Elend Deutſchöſterreichs iſt ja zur Genüge bekannt: man braucht 
fich bloß die Tatſache zu vergegenwärtigen, daß eine Krone, früher 6,85 Mk., Heute nur 
noch iden Wert von 8---10 Pf. beſikßt, um zu verſtehen, um wieviel größer das ſoziale Elend 
diejer Menſchen noch als das unſere ſein muß. Eine einfache Fahrt von Wien bis Viele 
feld hätte 3. B. dem jungen vollbeſchäftigten öſterreichiſchen Arbeiter mit 3009 Kronen das 
Arbeiizeinkommen von mindeſtens zwei Wochen geraubt! --- Deſterreich iſt daher neben 
Deutſchland heute zur Ablagerungsſtätte für die übelſten Vertreter des kapitaliſtiſchen Wirt» 
ſchaftsſyſtems geworden: Spekulanten, Schieber aller Art und Herkunft ſind hier geſchäftig 
am Werk, aus der Rot der Mitmenſchen ihren eigenen ſ<hmußigen Vorteil herguszuwirt» 
ſchaften. Das Problem der öſterreichiſchen Wirtſchaftsmiſere bildet denn auch bei allen 
Berufenen und Nichtherufenen ſchlechthin das Tagesgeſpräch: Der di>de Herr im Abteil mir 
gegenüber erzählt ſeiner Begleiterin nun ſchon zum zehnten Male, wie billig doch der 
 
 
	        
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