= Arbeiter-Jugend 43
Magdeburger Freunden kaum einen Gefallen, man tut ihnen ſogar unrecht. Gewiß
haben die Magdeburger und Hamburger durch ihre Tänze, ihre Spiele, ihre Lieder
dem Feſt das Gepräge gegeben. Aber zu ſagen, das Tanzen, Spielen, Singen und
die hübſche, freie „Kluft“ erſchöpfe das Weſen, jei der Inhalt der Hamburger oder
Magdeburger Bewegung, das kann doch bloß der behaupten, der von dem umfang-
reichen, ins ſeinſte gegliederten Bildungsweſen der Hamburger und Magdeburger
teine Ahnung hai. Daß davon in Weimar nichts an: die Oeffentlichkeit trat, lag im
Weſen der Weimarer Tagung, eben als eines Feſtes, begründet. - |
Aber es wäre nich! ein kleines, bloß die Beurteilung einer Gruppe unſerer
Bewegung treffendes, ſondern ein großes, für die ganze Bewegung verhängnisvolles
Mißverſtändnis, wenn man nun, durch den Rauſch und Zauber der Weimarer Tage
verführt, annehmen wollte, was ver Bewegung an ihrem Jubel» und Freudenfeſt
angeſtanden habe, jei nun auch für den Alltag der Bewegung Richtſ<nur und Ziel,
31n Weimar hat unſere Jugend ſich als Jugend getummelt und ihr ewiges Jugendrecht,
auſ das auch die proietariſche, der geplagteſten und entrechtetſten Bevölkerungsſchicht
entjtammende Jugend Anſpruch erhebt, ihr Recht auf Freude und Sonne proklamiert.
Aehnliche Gemeinſchaftserlebniſſe ſind --- das wollen wir uns doch nicht verhehlen! ---
auch anderer unverfünſtelter echter Jugend beſchieden geweſen, ſo der Wandervogel-
und der Freideutſchen Jugend. Wir aber ſind nicht bloß Jugend, ſondern ſozialiſtiſche
Jugend, ein heranwadyiendes Geſchlecht mit ganz beſonderen Anſprüchen, Aufgaben
und Pflichten, mit einer Verantwortung, von der noch die Rede ſein ſoll.
Dieſer noch zu kennzeichnende ſozioliſtiſche Charakter unſerer Jugendbewegung
trat in Weimar, das eben ein Feſt der Jugend war, naturgemäß weniger in Erſchei-
nung -- vom Spozialismus ſprachen in Veranſtaltungen, die aus dem Rahmen des
Veſtes herausfielen, eigentlich nur Erwachſene zu uns =-, und darum iſt es ein großes
Mißverſtändnis Weimars ſowohl wie unſerer Bewegung, dieſe gewaltige, um höchſte
Menſchheitsziele ringende Bewegung nun auf die eine, jei es auch noch ſo glänzende -
Seite, die Weimar das Gepräge gab, feſtzulegen und gar Weimar als eine neue
Offenbarung zu werten, die dort der Bewegung über ſich ſelbſt aufgegangen und die
als „Geiſt von Weimar“ nun gewiſſermaßen als neues Programm der Bewegung
voranzujtellen ſei. Die ſchöne Begeiſterung, der dieſes Mißverſtändnis entſprungen,
ehrt die Begeiſterten =- ober unſere Bewegung iſt mehr, iſt Größeres und Höheres
als. ein Feſt, das ſollen wir nie vergeſſen.
Andere wieder gab es, die waren ſo verſchwärmt, daß ſie ſich aus der Seligkeit
ihres Rauſches gar nicht mehr heimfinden konnten und aus ihrer Eiſtaſe eine Theorie
machten. Die redeten in Zungen, dort in Weimar jei die Bewegung in einer ganz
neuen, unerhörten Bewußiſeinsform erfaßt worden. Wie tlangen uns die Ohren
von dem ewigen „Erleben“! Hier hätten die Torwächter der Bewegung wirklich viel
eher als gegenüber der viel zu tragiſch genommenen Ausdrudskultur begründete
Urſache gehabt, vor einem Anmarſch des Freideutſchtums ins Horn zu ſtoßen. Hatten.
doch die Freideutſchen vor unſerem „Erlebnis yon Weimar“ ihr „Erlebnis vom Hohen
Meißner“, und wenn es auch den Anſchein hat, als ob ſie uns bloß ein Wort aufgeredet
haben: hinter dem Wort ſteht eine ganze Pſychologie, eine Pſychologie, die nicht zu
uns gehöri. Jedenfalls hatten wir vor Weimar einen andern Wert, den wir in
geiſtigen Dingen, auch in der geiſtigen Erfaſſung unſeres ſozialiſtiſchen Ideals hoch-
hielben, als jenes zu Tod gehetßzte „Erleben“ --- und dieſer oberſte Wert unſerer „Men-
talität", unſeres geiſtigen Strebens und unſeres geiſtigen Ehrgeizes hieß „Bewußt-
jein“. Und wenn wir na <>) Weimar dieſen erprobten Zielwert wieder zu Ehren
bringen und ihm vor jener freideutſchen Entlehnung den Vorrang geben, ſo bewegen
wir uns da als geiſtige Menſchen wie als Sozialiſten in ungleich beſſerer Tradition