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die wirkliche Einheit verhindert oder wenigſtens geſtört haben. Verſchwunden ſind
die zweiundzwanzig großen und kleinen Kronenträger, die bis dahin ängſtlich ihre
Privilegien gegenüber dem Vordringen des Gedankens. der Einigung und der Demo»
kratie verteidigt hatten. Die neue Reichsverfaſiſung vom 11. Auguſti 1919 hat die
Vahn frei gemacht für die Shaſfung der echten, großdeutſchen Republik. Noch
fi<wierige Probleme gilt es zu löſen. ehe dieſes Ziel, das ſchon dus Biel unſerer
Väter und Großväter war, vollſtändig erreicht ſein wird. Die Frage des Anſchluſſes
Deutſchöſterreichs, der die Entwicklung hemmende Einſiuß der ſiegreichen SEntenite-
mäcchte, der Partikularismus reokiionärer Verſchwörer, das Verhältnis des Reiches
zu den Ländern und manches andere wird uns noch viel Kopfzerbrechen machen
Dieſe Fragen der gegenwärtigen und künſtigen Politik ſind an dieſer Stelle jedoch
nicht zu erörtern. Gür uns gilt es nur, flar zu erkennen, daß nicdy der 18. Januor
ſondern der 18. März und der 9. November die Gedenktage der deutſchen Ein-
heit, daß nicht das Fürſtentum und die Mächte der Vergangenheit, ſondern diy
Demokratie und die ſozialiſtiſche Bewegung der Fels ſind, auf dem die großdeutic»
ſFinheitsrepublik errichtet werden wird,
Hermann GClaubivs.
Von Georg Klaſen, Hamburg.
TP Ff uf dem Jugendtag in Weimar hat nach dem Zeugnis vieler Teilnehmer ein
B Sied mit zu den ſtärkſten Eindrüden gehört, das Lied:
Wann wir ſchreiten Seit' an Seit'
Und die alten Lieder ſingen,
lind die Wülder . widerklingen,
Fühlen wir, es muß gelingen;
Mit uns zieht die neue Zeit.
Das iſt ſo ſchr aus dem Fühlen und Suchen unſerer Zeit, aus dem Vorwärtz>-
dringen unſerer Jugend empfunden, und [o ſtar? auc) ſein Ausdru> geworden, daß
es das Bekenntnislied der deutſchen Arbeiterjugend werden müßte.
Sein Verfaſſer iſt Hermann Claudius, ein Dichter, in dem von ſeinem Urgroß»
vater her, dem alten „Wandsbeker Boten“ Matthias Claudius, die lyriſche Begabung
ſte>t. Der gehört zu unſeren Großen im Reiche der Lyrik, und wer nicht weiß, was
Lyr?? bedeutet, der verſenke ſich einmal in bie erſten drei Strophen ſeines Abendliedos
„Der Mond iſt aufgegangen . . .“", und es braucht's ihm keiner mehr zu. ſagen.
Iber der alte Claudius war im engen Kreije ein ge'<hloſſener, abgeklärter Menſch
und Mann. Sein Urenkel iſt ganz Menſch unſerer Tage, [9 weit ab. von Adgetklärt-
heit und Ruhen in ſich wie unſere Zeit. „Wenn wir ſchreiten Seit' an Seit“ ſteht in
feinem lezten Buch mit dem bezeichnenden. Titel „Lieder ver Unrvh“, Cs if!
kein eigentliches Jugendbuch, geht in ſeiner Gpannung weit darüber hinaus. Aber das
Buch iſt gewidmet „Denen, die noch ſuchen“. Ws aber iſt drängenderes Suchen.
heißeres Sehnen als in unſerer Jugend, vie aus der Not und Qual und Unraſt unb
Zerriſſenheit unſerer Tage heraus um die Geſtaltung lictpollerer Zukunft ringt für
ſich und für alle? Darum bekennt ſich Claudius gleich im „Aufſang“ zu ihr:
Ihr Jungen vol! unerhöriem Sehnen zu jenem Neuen
Das keine Bücher noc) lehrten,
Das euer Blik ſchon wittert,
Das aus jeder Bebärde euch ziitert,
Ihr Leueti
An Kraft gegen uns Wächter der Ruh aux
Such geſell* ic) mich zu.