Mittenwe
Dagegen bezog ſich mein Hinweis auf 8 84 des
Betriebö8rätegeſeßes8 in dem Beſcheid
vom 19. Mai 1920 nur auf den Fall, vaß der
Vertrag zwiſchen Lehrling und Arbeitgeber nicht
üblicherweiſe mit Ablauf der Lehrzeit endet, ſon-
dern, wie dies in vielen Fällen, namentlich in
Großbetrieben gilt,
und von ſelbſt in ein regelmäßiges Arbeit3-
verhältnis übergeht, ſolange nicht der Arbeit-
Geber durch ausdrücfliche Willenserklläcung die
Kündigung beim Ablauf der Lehrzeit ausſpricht.
Wann der eine oder der andere Fall gegeben iſi,
iſt nach 8 84 Betriebsrätegeſjeh eine Tatſxage.
Im Anuſtrage: Dr. Sitler.“
In gebräuchliches Deutſch übertragen bes
ſagen dieſe Aeußerungen:
Wird für den Ausgelernten kein neuer
Lehrling eingeſtellt, ſo kann er nach 8 12
der genannten Verordnung nicht ent-
[aſſen werden, es ſei denn, daß der betr.
Betrieb eine allgemeine Verminderung ſeiner
Arbeitnehmerzahl vornimmt, falls die Vor»
ausſezung dafür (Stre>ung der Arbeits»
gelegenheit durch Arbeitszeitverkürzung) ge-
geben iſt. Bei noch nicht abgelaufenen
Lehrverträgen kann auch bei ſolcher Betriebs-
einſ<hränfung ver Lehrling nicht ent»
(aſſen werden.
84 des Betriebsrätegeſeltzes läßt Ein»
ſprüche gegen Entlaſſungen zu, wenn ſie eine
unbillige, nicht durch Verhalten des Arbeit-
nehmers oder die Verhäitniſſe des Betriebes
bedingte Härte darſtellen. Daraus ergibt ſich,
daß nicht nur in dem vom Reichsarboeits-
miniſierium angeführten Fall Einſpruch mög-
lich iſt. Die Betriebsverhältniſſe werden es
oſt ermöglichen, auch wenn ein neuer Lehr-
ling eingeſtellt wird, den Ausgelernten weiter
zu beſchäftigen. Wird trotzdem die Entlaſſung
vorgenommen, ſo iſt divs zweifellos eine
nicht durc) die Betriebsverhältniſie bedingte
Härte, die den Einſpruch begründet. Hierbei
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Wreniy, -:
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Die Berliner!
Ich bin weder Berliner noch Hamburger.
Wenn ic) nun troßdem einige Worte über
vie Berliner ſage, ſo deshalb, weil ich mir
ſelbſt ſehr objektiv erſcheine. Das mag auch
buvvon kommen, daß ich nicht in Weimar ge-
weſen bin und deshalb auch dieſen Einflüſſen
nicht unterſtehe.
Zweifellos trägt die Berliner Jugend»-
bewegung ihren eigenen Charakter. Gr iſt
geboren aus der Notwendigkeit, einen viel
entſchiedeneren Kampf gegen links und rechts
zu führen als irgendwo anders. Die Ber-
liner haben im Grunde bisher ebenſowenig
Muße för Yeußerlichkeiten, als da ſind Avs-
dru&8skultur, gute Volkstänze uſw., gehabt,
wie Zeit zur Selbſtbeſinnung.
ſtillſchweigend fortbeſteht |
Arbeiter-Jugend 79
iſt unerheblich, ob es in dem betr. Betrieb
üblith war, den Vertrag zwiſchen Lehrling
und Arbeitgeber nach abgelaufener Lehrzeit
tiilſchweigend weiterbeſtehen und in ein ge»
regeltes Arbeitsverhältnis übergehen zu laſſen
oder nicht.
Entſcheidungen von Schlichtungsausſchüſſen
in derartigen Fällen ſind bis jetzt nicht bx-
fanntgeworden; es wäre wertvoll, wenn be»
reits vorliegende Urteile mitgeteilt würden.
W. Maſc<hke.
Auyfräumungsarbeiten und Achktſtundenkag.
Da ſich in letzter Zeit die Klagen häufen,
daß Lehrlinge unzuläſſigerweiſe zu Ueber-
ſtunden und Auſräumungsarbeiten nach der
achtſtündigen Arbeitszeit herangezogen wer»
den, halten wir es für notwendig, eine Mei»
nungsäußerung des Berliner Bolizei-
präſidenten an eine Berſiner Innung wieder-
zugeben. Der Polizeipräſident ſchreibt:
Auf Ihre Anfrage erwidere ich ergebenſt:
Zu 1. Die Auſräumungsarbeiten der Lehr-
linge gehören zu den Arbeiten im Sinne der An-
ordnung vom 23. November und 27. Dezember
1918 und ſind in die tägliche Arbeiiszeit ein-
zurechnen. In dieſem Sinne haben ſich
auch einige Oher-Landesgerichte (Roſto>, Schwe-
rin) ausgeſprochen.
Zu 2. Die auf den Beſtich der Pflichtfort-
bildungsſhule verwandte Zeit gilt nach einem
Erlaß des Neichsarbeil3miniſter83 ebenſall3 al8
Arbeits8zeit im obigen Sinne.
Die Beſtrebungen der Innungen, die Ar»
beitszeit für Lehrlinge zu verlängern, ſind da-
mit jür uns erledigt. Aufgabe dxr Arbeiter-
jugendvereine muß es ſein, Uebergriffen in
dieſer Hinſicht entgegenzutreten. Wo verlangt
wird, daß Lehrlinge Ueberzeitarbeit leiſten
ſollen, iſt dieſe abzulehnen.
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Als weitere Schwierigkeit kommt hinzu,
daß es hier an wirklichen Führern mangelt.
ine noch ſo demotratiſc) aufgebaute Orga-
niſation hat aber Führer unbedingt nötig.
Bei einer Jugendbewegung müſſen dieſe aus
ihr ſelbſt hervorgehen. In Verlin muß man
ältere, zielbewußte Führer mit der Laterne
ſuchen. Die wenigen, die es gibt, erſchöpfen
ſich in der Breite der Bewegung. Darin
Aenderung zu ſchaffen, iſt man mit aller
Kraft bemüht.
Jedenfalls ſollten die Genoſſen, die nur
„aus Mode" auf Berlin ſchimpfen, etwas
vorſichtiger in ihrem Urteil ſein.
Die Berliner ſind ohne Zweifel nicht die
Avantgarde, die Vorhut der deutſchen Ars
beiterjugendbewegung. Daran tragen aber in