Full text: Arbeiter-Jugend - 13.1921 (13)

Mittenwe 
Dagegen bezog ſich mein Hinweis auf 8 84 des 
Betriebö8rätegeſeßes8 in dem Beſcheid 
vom 19. Mai 1920 nur auf den Fall, vaß der 
Vertrag zwiſchen Lehrling und Arbeitgeber nicht 
üblicherweiſe mit Ablauf der Lehrzeit endet, ſon- 
dern, wie dies in vielen Fällen, namentlich in 
Großbetrieben gilt, 
und von ſelbſt in ein regelmäßiges Arbeit3- 
verhältnis übergeht, ſolange nicht der Arbeit- 
Geber durch ausdrücfliche Willenserklläcung die 
Kündigung beim Ablauf der Lehrzeit ausſpricht. 
Wann der eine oder der andere Fall gegeben iſi, 
iſt nach 8 84 Betriebsrätegeſjeh eine Tatſxage. 
Im Anuſtrage: Dr. Sitler.“ 
In gebräuchliches Deutſch übertragen bes 
ſagen dieſe Aeußerungen: 
Wird für den Ausgelernten kein neuer 
Lehrling eingeſtellt, ſo kann er nach 8 12 
der genannten Verordnung nicht ent- 
[aſſen werden, es ſei denn, daß der betr. 
Betrieb eine allgemeine Verminderung ſeiner 
Arbeitnehmerzahl vornimmt, falls die Vor» 
ausſezung dafür (Stre>ung der Arbeits» 
gelegenheit durch Arbeitszeitverkürzung) ge- 
geben iſt. Bei noch nicht abgelaufenen 
Lehrverträgen kann auch bei ſolcher Betriebs- 
einſ<hränfung ver Lehrling nicht ent» 
(aſſen werden. 
84 des Betriebsrätegeſeltzes läßt Ein» 
ſprüche gegen Entlaſſungen zu, wenn ſie eine 
unbillige, nicht durch Verhalten des Arbeit- 
nehmers oder die Verhäitniſſe des Betriebes 
bedingte Härte darſtellen. Daraus ergibt ſich, 
daß nicht nur in dem vom Reichsarboeits- 
miniſierium angeführten Fall Einſpruch mög- 
lich iſt. Die Betriebsverhältniſſe werden es 
oſt ermöglichen, auch wenn ein neuer Lehr- 
ling eingeſtellt wird, den Ausgelernten weiter 
zu beſchäftigen. Wird trotzdem die Entlaſſung 
vorgenommen, ſo iſt divs zweifellos eine 
nicht durc) die Betriebsverhältniſie bedingte 
Härte, die den Einſpruch begründet. Hierbei 
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Wreniy, -: 
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Die Berliner! 
Ich bin weder Berliner noch Hamburger. 
Wenn ic) nun troßdem einige Worte über 
vie Berliner ſage, ſo deshalb, weil ich mir 
ſelbſt ſehr objektiv erſcheine. Das mag auch 
buvvon kommen, daß ich nicht in Weimar ge- 
weſen bin und deshalb auch dieſen Einflüſſen 
nicht unterſtehe. 
Zweifellos trägt die Berliner Jugend»- 
bewegung ihren eigenen Charakter. Gr iſt 
geboren aus der Notwendigkeit, einen viel 
entſchiedeneren Kampf gegen links und rechts 
zu führen als irgendwo anders. Die Ber- 
liner haben im Grunde bisher ebenſowenig 
Muße för Yeußerlichkeiten, als da ſind Avs- 
dru&8skultur, gute Volkstänze uſw., gehabt, 
wie Zeit zur Selbſtbeſinnung. 
ſtillſchweigend fortbeſteht | 
Arbeiter-Jugend 79 
iſt unerheblich, ob es in dem betr. Betrieb 
üblith war, den Vertrag zwiſchen Lehrling 
und Arbeitgeber nach abgelaufener Lehrzeit 
tiilſchweigend weiterbeſtehen und in ein ge» 
regeltes Arbeitsverhältnis übergehen zu laſſen 
oder nicht. 
Entſcheidungen von Schlichtungsausſchüſſen 
in derartigen Fällen ſind bis jetzt nicht bx- 
fanntgeworden; es wäre wertvoll, wenn be» 
reits vorliegende Urteile mitgeteilt würden. 
W. Maſc<hke. 
 
Auyfräumungsarbeiten und Achktſtundenkag. 
Da ſich in letzter Zeit die Klagen häufen, 
daß Lehrlinge unzuläſſigerweiſe zu Ueber- 
ſtunden und Auſräumungsarbeiten nach der 
achtſtündigen Arbeitszeit herangezogen wer» 
den, halten wir es für notwendig, eine Mei» 
nungsäußerung des Berliner Bolizei- 
präſidenten an eine Berſiner Innung wieder- 
zugeben. Der Polizeipräſident ſchreibt: 
Auf Ihre Anfrage erwidere ich ergebenſt: 
Zu 1. Die Auſräumungsarbeiten der Lehr- 
linge gehören zu den Arbeiten im Sinne der An- 
ordnung vom 23. November und 27. Dezember 
1918 und ſind in die tägliche Arbeiiszeit ein- 
zurechnen. In dieſem Sinne haben ſich 
auch einige Oher-Landesgerichte (Roſto>, Schwe- 
rin) ausgeſprochen. 
Zu 2. Die auf den Beſtich der Pflichtfort- 
bildungsſhule verwandte Zeit gilt nach einem 
Erlaß des Neichsarbeil3miniſter83 ebenſall3 al8 
Arbeits8zeit im obigen Sinne. 
Die Beſtrebungen der Innungen, die Ar» 
beitszeit für Lehrlinge zu verlängern, ſind da- 
mit jür uns erledigt. Aufgabe dxr Arbeiter- 
jugendvereine muß es ſein, Uebergriffen in 
dieſer Hinſicht entgegenzutreten. Wo verlangt 
wird, daß Lehrlinge Ueberzeitarbeit leiſten 
ſollen, iſt dieſe abzulehnen. 
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Als weitere Schwierigkeit kommt hinzu, 
daß es hier an wirklichen Führern mangelt. 
ine noch ſo demotratiſc) aufgebaute Orga- 
niſation hat aber Führer unbedingt nötig. 
Bei einer Jugendbewegung müſſen dieſe aus 
ihr ſelbſt hervorgehen. In Verlin muß man 
ältere, zielbewußte Führer mit der Laterne 
ſuchen. Die wenigen, die es gibt, erſchöpfen 
ſich in der Breite der Bewegung. Darin 
Aenderung zu ſchaffen, iſt man mit aller 
Kraft bemüht. 
Jedenfalls ſollten die Genoſſen, die nur 
„aus Mode" auf Berlin ſchimpfen, etwas 
vorſichtiger in ihrem Urteil ſein. 
Die Berliner ſind ohne Zweifel nicht die 
Avantgarde, die Vorhut der deutſchen Ars 
beiterjugendbewegung. Daran tragen aber in
	        
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