Full text: Arbeiter-Jugend - 13.1921 (13)

84 Urbeiter-Ingend 
Wenn jeßt die Jungen zu uns kommen aus dem Kinderelend, mit ſonniger Hoff» 
nung in Augen und Herzen, dann wollen wir ihnen dieſe Fröhlichkeit erhalten. Man 
jagt, daß ſie nun „ins Leben treten“ und ſeinen „Ernſt kennenlernen“. Sie ſollen 
aud jeine Schönheiten kennenlernen. G<önheit erobern auch wir uns; die 
rbeiter. 
Und es ſoll mit ihnen in der Jugendgemeinſchaft ein fröhliches Leben und Apo 
beiten jein. Fröhlich ſoll dann auch ihre Arbeit werden am Werktag. E. R. M. 
An die Mädchen! 
Von Clara Bohm-Sc<hud. 
eM, ie Zeit der oſterlichen Gdjulentlaſſung naht und Tauſende junger Proletarier» 
8 Bfinder, Jungen und Mädchen, gehen in irgenveine Arbeit hinein, um ihr 1äg» 
oz lich Brot zu verdienen. -- Um nichts anderes! Alles Wünſchen und Wollen 
muß bei ſo vielen dem Geldverdienen untergeordnet werden. Unter dieſer harten 
Notwendigkeit leidet die ganze Erziehung ſolcher jungen Menſchenkinder. Sie werden 
jo abſolut auf den Wert des Geldes eingeſtellt, daß ihnen wirtſchaftlicher Wohlſtand 
als das einzig Erſtrebenswerte erſcheint. Reich werden! Das iſt für dieſe jungen 
Menſchen vas einzige Lebensziel, und vabei geht naturgemäß jedes Streben nach kul- 
iureller Vertieſung und Vollendung verloren. 
Durch den Krieg aber iſt der Gößendienſt des Beſißes, der Tanz um das goldene 
Kalb, ſo unverhüllt in den Vordergrund des Lebens getreten, daß es Heuchelei wäre, 
wenn man nicht verſtehen wollte, wie auch die Hungernden, nun ſchon ſeit bald ſieben 
Ighren von bitierer Not Gepeitſchten, ihn mitmachen. 
Und doch möchte ich Evc<, Ihr lieben Mädels, ſo gerne davor bewahren. Dieler 
Materialismus, dieſes Streben nach Glanz und Schein, iſt mit der kapitaliſtiſchen 
Wirtſchaſtsweiſe = der Beherrſchung des Wirtſchaftslebens durch einzelne --- unzer- 
trennlich verbunden und deshalb ſireben wir danach, ſie durch die ſozialiſtiſche Wirte 
jdaft =- des Schaffens aller für alle -+- zu erſeßen. 
Sdhulentlaſſjung! Das iſt für viele Jungen und Mädchen das Zauber» 
wort, welches ihnen die Tore zu einem Märchenland öffnen ſoll. Erwachſen ſein, 
Geld verdienen, tun und laſſen können, was ſie wollen, das alles erſcheint ihnen als 
das Ziel jeder Sehnſucht. Mit der Entlaſſung aus der Schule ſcheint es ihnen erreicht 
oder ſeine Erreichung möglich zu ſein. 
Und doch iſt das eine große Täuſchung. Mit der Schulſtubentür ſchlägt für ſv 
viele von Euch das Tor des Kinverlandes zu, obwohl Ihr mit vierzehn Jahren doch 
alle noch Kinder ſeid. Viele von Euch mußten auch wohl während der Schuljahre ſchon 
mitarbeiten, um zu verdienen, damit die Familie leben konnte. Und das war 
ſicher ſchwer, überſtieg Eure jungen Kräfte, machte Euch oft unfähig zum Lernen unß 
unwillig zum Schaffen. Und doch kommt das Leben mit ſeinen größten Forderungen 
erſt nach der Schulentlaſſung an Euch heran. An welcher Stelle Ihr im Wirtſchafts- 
leben als [<affende Menſchen ſteht, das ijt gleich. Oh Ihr Fabrik-, Haus-, Land», 
Laden- oder Kontorarbeiten verrichtet, darauf kommt es nicht an, ſondern darauf, 
doß Ihr in Eurer Arbeit tüchtige Menſchen werdet. Ihr werdet arbeiten, um Geld zu 
verdienen, damit Ihr Euren Lebensunterhalt möglichſt bold ſelbſt beſtreiten könnt. 
Und nun muß es Ever Ziel ſein: für Euch ſelbſt zu ſtehen im Leben, von niemandem 
wirtſchaftlich abhängig zu ſein. Das könnt Ihr nur, wenn Ihr gute Arbeiterinnen 
ſeiv, wenn Ihr wirklich etwas leiſtet, denn dann könnt Ihr einen Lohn fordern, der 
es Euch ermöglicht, ohne fremde Unterſtüßzung ein Kulturleben zu führen. 
Im alten Deutſchland der Kaiſerzeit war es für die Mädchen ſchwerer, zu dieſer 
Leiſtungsfähigkeit zu kommen, weil ihnen viele Ausbildungsmöglichkeiten verſchloſſen 
 
 

	        
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