Arbeiter-Jugend | 7:
ſtand aber deſſem Schöpfer, Ferdinand Laſſalle, ziemlich) kühl gegenüber und geriet
nach Laſſalles Tod in Konflikte mit deſſen „geiſtiger Ervin“, der Gräfin Haßfeld.
Mit ungleich größerer Begeiſterung Ichloß ſich Liebknecht der Internationale
an, deren Gründung vor allem Marxens Werk war, und wurde ihr erſter Vor-
fämpfer in Deutſchland. Hauptſächlich dieſe Tätigkeit bewirkte, daß er im Jahre
1865 aus Preußen ausgewieſen wurde. Er. ließ fich nun in Leipzig nieder und
ernährte ſich mühſam durch - Privatunterricht und ähnliches. Im politiſchen Leben
trat er dauernd hervor und war eine bekannte Perſönlichkeit. Ein Mann von
vierzig Jahren, mittelgroß, ſtarkknochig, mit ſchmalem, etwas verzogenem Geſicht,
blauen Augen und ernſten Zügen, wußte er durch ſeine Ichlagfertige, oft ſehr leiden=
jIhaſtliche Rede zu packen. Einfach -und anjpruchslos in ſeiner Lebensweiſe, von
erſtaunlicher Arbeitskraft, ſorgte er mit redlichſtem Bemühen für ſich und die Seinen
und war in gleichem Maße der Sache des Proletariats ergeben. Entſchiedener Re-
publifaner, Demokrat und Sozialiſt, vertrat er den kosmopolitiſchen (weltbürger-
lichen) Standpunkt der Internationale und bekämpfte beſonders die preußiſche An-
nexionspolitif, die zur Umgeſtaltung Deutſchlands mittels Blut und Eiſen führte.
Anfangs hatte Liebknecht bei ſeinem ſchroffen Auftreten nur wenig Anhänger,
aber unter ihnen einen, der ihm Hunderte erſeßte, den jungen Drechſler Auguſt
Bebel. Beide ſchloſſen ſich ſchnell aneinander an, und ihr Freundſchaftsbund hatte
für die Arbeiterbewegung wichtige Folgen. Eine Zeitlang redigierte Liebknecht die
„Mitteldeutſche Volkszeitung“, doch wurde das Blatt im Jahr 1866 durc die preu-
piſchen Behörden unterdrückt. Als er ſich nach dem Friedensſchluß in Berlin ſehen
ließ, in der Meinung, dies ſei bei der veränderten Sachlage geſtattet, wurde er ver-
haſtet und zu drei Monaten Gefängnis verurteilt, mußte auch in der Folgezeit noch
'manche Freiheitsſtrafe verbüßen. Weit härter aber traf ihn der Tod ſeines geliebten
Weibes, die die Sorge um den Gatten aufgerieben hatte. In zweiter Ehe 'heiratete
er jeine Verwandte Natalie Reh und wurde durch ſie Vater von ſinf Söhnen.
Der Norddeutſche Bund verhalf Liebknecht und Bebel zur parlamentariſchen
Wirkſamkeit. Bei der Wahl zum erſten Norddeutſchen Reichstage ſiegte Liebknecht
in Stollberg-Schneeberg und konnte nun ſeinen Kampfesmut im Rarlament bewähren.
Dort lag er nicht nur mit der Regierung und der Rechten in ſcharfer Fehde, ſon-
dern er bekämpfte auch die damalige Leitung des Allgemeinen Deutſchen Arbeiter-
vereins, beſonders deſſen Präſidenten Dr. v. Schweitzer, den er und viele andere jür
ein Werkzeug Bismarce>ks -hielten. Die beiden traten ſic) ſchon bei der- Beratung
des Militärvudgets ſchroff gegenüber, indem Liebknecht nicht nur die Vorlage be-
fämpfte, ſondern auch die Errichtung des Norddeutſchen Bundes an ſich verwarf,
Schweitzer dagegen Bismärd>s Einigungswerk anerkannte. Liebknecht redigierte jetzt
in Leipzig das „Demokratiſche Wochenblatt“, ſpäter „Volksſtaat“ genannt, und vertrat
darin den Standpunkt der Internationale und die radikale Politik. Auf der Gene-
ralverſammlung des Allgemeinen Deutſchen Arbeitervereins in Elberfeld-Barmen,
1869, richteten er und Bebel die ſchärfſten Angriffe gegen Schweißer, konnten. aber
nicht verhindern, daß dieſer ſeine Machtſtellung behauptete. Viel Auſſehen erregte
auch Liebfnechts Rede im Demokratiſchen Arbeiterverein zu Berlin am 31. Mai 1869,
in Der er über Schweitzers „Parlamenteln“ den Stab brach. Die Reibereien führten
Ichließlich dahin, daß ſich der von Liebknecht und Bebel geleitete Anhang der Inter-
nationale Deſinitiv von Laſſalles Richtung losſagte und in Eiſenach die „Sozialdemo-
tratiſche. Arbeiterpartei Deutſchlands“ gründete. Als im Herbſt 1869 der große
Kongreß der Internationale in Baſel tagte, orſtaitete Liebfnecht den Bericht über
die Konſtituierung dieſer Partei. Schon damals drohte in der Internationale eine