Full text: Arbeiter-Jugend - 14.1922 (14)

Arbeiter-Jugend 133 
 
Der Kampf um den Arbeitstkag. 
Von Franz Lauffkölter. 
a ie kapitaliſtiſche Wirtſchaft iſt eine Erwerbswirtſchaft, deren Ziel auſ die Her- 
y 8 vorbringung von Ueberſchuß, von Gewinn, von Mehrwert gerichtet iſt. Das 
Ds“ Kapital ſoll ſich verwerten, es ſoll neuen, größeren Wert erzeugen; die Her» 
ſtellung von Geprauchsgegenſtänden oder die Leiſtung von Dienſten iſt nur Mittel 
zum Zwe. Daher unterſcheiden wir ſcharf zwiſchen dem Kapital als Mittel im 
Broduftionsprozeß (Produktionsmittel) und dem Kapital als Mittel im 
Verwertungsprozeß (Ausbeutungsmittel). Dort handelt es ſich um eine 
natürliche Form, die unter allen Geſellſchaftsordnungen dieſelbe bleibt, hier um eine 
dem Kapitalismus eigentümliche, die durch den Sozialismus beſeitigt werden ſoll. 
Die Frage, wie Mehrwert entſteht, iſt von Karl Marx in geiſtvoller Weiſe 
unterſucht und beantwortet worden. Er hat auf ſeiner bekannten Werttheorie*) die 
Mehrwerttheorie aufgebaut. Dieſe Theorie geht davon aus, daß einzig und 
allein die lebendige menſchliche Arbeitskraft imſtande iſt, einer Ware neuen Wert 
hinzuzuſezen. Im Arbeitsprozeß wird zunächſt die in den Produktionsmitteln 
ſtekende (verſtorbene) Arbeit auf das neue Vrodukt übertragen, und ſodann wird 
neue Arbeit hinzugefügt. Wenn zum Beiſpiel ein Schuhmacher ein Paar Stiefel 
mad, ſo überträgt er den in dem Leder ſte>enden Wert ſowie einen Teil der auf 
die Herſtellung der Produktionsmittel verwendeten Arbeit auf die Stiefel -- und 
zwar iut er dies unentgeltlich =-, ſodann fügt er neue Arbeit hinzu. 
Der Kapitaliſt teilt deshalb ſein Kapital in zwei Teile: den einen Teil verwendet 
er für die Produktionsmittel, die er in ſeinem Betrieb gebraucht (Fabrik, Werkzeug, 
Maſchinen, Rohſtoffe uſw.), den anderen verwendet er für den Ankauf und die Be- 
zahlung der notwendigen Arbeitskräfte. Der erſte Teil heißt konſtantes 
Kapital, weil deſſen Wert unverändert bleibt und lediglich auf das neue Produkt 
übertragen wird, der zweite Teil variables Kapital, weil deſſen Wertgröße 
ſich verändert, je nach den techniſchen Bedingungen der Arbeit. Je nach der Arbeits» 
weiſe, die durch die Arbeitsmittel, die Arbeitszeit und die Leiſtungsfähigkeit des 
Arbeiters bedingt iſt, wird dem Produkt viel oder wenig Arbeit zugeſetzt. Die Größe 
des Mehrwerts iſt alſo wechſelnd, aber ſelbſtverſtändlich hat der Kapitaliſt ein leb- 
haftes Intereſſe daran, den Mehrwert nach Möglichkeit zu ſteigern, den Ueberſchuß 
der unbezahlten Arbeit im Verhältnis zur bezahlten Arbeit möglichſt zu vergrößern. 
Zur Erreichung dieſes Zieles ſtehen ihm zwei Methoden zur Verfügung: die eine 
nennt man die Methode des abſoluten M ehrwerts, die andere die Methode 
des relativen Mehrwerts. 
- Der abſolute Mehrwert wird erzeugt durd) die einfache Verlängerung des 
Arbeitstags. Nehmen wir an, ein Arbeiter wäre imſtande, innerhalb eines ſechs- 
ſtündigen Arbeitstags dem Kapitaliſten das zu erſezen, was er von ihm als Lohn 
bekommt, ſo müßte er ſechs Stunden arbeiten, um ſeinen Lohn zu erarbeiten. Dieſe 
ſechs Stunden wären die notwendige Arbeitszeit; ſie ſind notwendig, 
damit ein Ausgleich geſchaffen wird zwiſchen der Leiſtung des Kapitaliſten, dem 
Arbeitslohn, und der Gegenleiſtung des Arbeiters, dem Arbeitsprodukt. In der 
kapitaliſtiſchen Wirtſchaftsweiſe iſt natürlich der Kapitaliſt nicht damit zufrieden, das 
wiederzubekommen, was er dem Arbeiter gibt =“- er will mehr haben, er will Ueber- 
ſchuß, Mehrwert, erzielen. Zu dem Zwe zwingt er den Arbeiter, länger als ſechs 
Stunden zu arbeiten, über die ſechsſtündige Arbeitszeit hinaus ſeine Arbeitskraft im 
*) Vgl. „Arbeiter-Jugend“ 1921, S. 114 ff. 

	        
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