Arbeiter-Jugend 133
Der Kampf um den Arbeitstkag.
Von Franz Lauffkölter.
a ie kapitaliſtiſche Wirtſchaft iſt eine Erwerbswirtſchaft, deren Ziel auſ die Her-
y 8 vorbringung von Ueberſchuß, von Gewinn, von Mehrwert gerichtet iſt. Das
Ds“ Kapital ſoll ſich verwerten, es ſoll neuen, größeren Wert erzeugen; die Her»
ſtellung von Geprauchsgegenſtänden oder die Leiſtung von Dienſten iſt nur Mittel
zum Zwe. Daher unterſcheiden wir ſcharf zwiſchen dem Kapital als Mittel im
Broduftionsprozeß (Produktionsmittel) und dem Kapital als Mittel im
Verwertungsprozeß (Ausbeutungsmittel). Dort handelt es ſich um eine
natürliche Form, die unter allen Geſellſchaftsordnungen dieſelbe bleibt, hier um eine
dem Kapitalismus eigentümliche, die durch den Sozialismus beſeitigt werden ſoll.
Die Frage, wie Mehrwert entſteht, iſt von Karl Marx in geiſtvoller Weiſe
unterſucht und beantwortet worden. Er hat auf ſeiner bekannten Werttheorie*) die
Mehrwerttheorie aufgebaut. Dieſe Theorie geht davon aus, daß einzig und
allein die lebendige menſchliche Arbeitskraft imſtande iſt, einer Ware neuen Wert
hinzuzuſezen. Im Arbeitsprozeß wird zunächſt die in den Produktionsmitteln
ſtekende (verſtorbene) Arbeit auf das neue Vrodukt übertragen, und ſodann wird
neue Arbeit hinzugefügt. Wenn zum Beiſpiel ein Schuhmacher ein Paar Stiefel
mad, ſo überträgt er den in dem Leder ſte>enden Wert ſowie einen Teil der auf
die Herſtellung der Produktionsmittel verwendeten Arbeit auf die Stiefel -- und
zwar iut er dies unentgeltlich =-, ſodann fügt er neue Arbeit hinzu.
Der Kapitaliſt teilt deshalb ſein Kapital in zwei Teile: den einen Teil verwendet
er für die Produktionsmittel, die er in ſeinem Betrieb gebraucht (Fabrik, Werkzeug,
Maſchinen, Rohſtoffe uſw.), den anderen verwendet er für den Ankauf und die Be-
zahlung der notwendigen Arbeitskräfte. Der erſte Teil heißt konſtantes
Kapital, weil deſſen Wert unverändert bleibt und lediglich auf das neue Produkt
übertragen wird, der zweite Teil variables Kapital, weil deſſen Wertgröße
ſich verändert, je nach den techniſchen Bedingungen der Arbeit. Je nach der Arbeits»
weiſe, die durch die Arbeitsmittel, die Arbeitszeit und die Leiſtungsfähigkeit des
Arbeiters bedingt iſt, wird dem Produkt viel oder wenig Arbeit zugeſetzt. Die Größe
des Mehrwerts iſt alſo wechſelnd, aber ſelbſtverſtändlich hat der Kapitaliſt ein leb-
haftes Intereſſe daran, den Mehrwert nach Möglichkeit zu ſteigern, den Ueberſchuß
der unbezahlten Arbeit im Verhältnis zur bezahlten Arbeit möglichſt zu vergrößern.
Zur Erreichung dieſes Zieles ſtehen ihm zwei Methoden zur Verfügung: die eine
nennt man die Methode des abſoluten M ehrwerts, die andere die Methode
des relativen Mehrwerts.
- Der abſolute Mehrwert wird erzeugt durd) die einfache Verlängerung des
Arbeitstags. Nehmen wir an, ein Arbeiter wäre imſtande, innerhalb eines ſechs-
ſtündigen Arbeitstags dem Kapitaliſten das zu erſezen, was er von ihm als Lohn
bekommt, ſo müßte er ſechs Stunden arbeiten, um ſeinen Lohn zu erarbeiten. Dieſe
ſechs Stunden wären die notwendige Arbeitszeit; ſie ſind notwendig,
damit ein Ausgleich geſchaffen wird zwiſchen der Leiſtung des Kapitaliſten, dem
Arbeitslohn, und der Gegenleiſtung des Arbeiters, dem Arbeitsprodukt. In der
kapitaliſtiſchen Wirtſchaftsweiſe iſt natürlich der Kapitaliſt nicht damit zufrieden, das
wiederzubekommen, was er dem Arbeiter gibt =“- er will mehr haben, er will Ueber-
ſchuß, Mehrwert, erzielen. Zu dem Zwe zwingt er den Arbeiter, länger als ſechs
Stunden zu arbeiten, über die ſechsſtündige Arbeitszeit hinaus ſeine Arbeitskraft im
*) Vgl. „Arbeiter-Jugend“ 1921, S. 114 ff.