148 Arbeiter-Jugend
Unſere nächſte Aufgabe.
Von Ernſt Beinroth, Magdeburg.
VDS ieder iſt die Zeit vorüber, in der alle Jahre viele Tauſende von. Arbeiterkindern
“ R " die Schule der Kindheit verlaſſen und in die Schule des Lebens eintreten. Wie jedes
apf Jahr, ſo kommen auch jeßt wieder zahlreiche Mädel und Burſchen in unſeren Verein,
und es liegt ganz und gar an uns, ob ſie uns nach kurzer Zeit wieder verlaſſen oder ob ſie
tüchtige Weggenoſſen und Kämpfer für unſere Sache werden.
Was müſſen wir nun tun, um ſie der Bewegung zu erhalten? Für die meiſten iſt dies
wohl eine überflüſſige Frage. Es gibt aber trozdem manche Genoſſen und Genoſſinnen, die
nicht wiſſen, wieviel in dieſer Hinſicht von dem Verhalten jedes einzelnen abhängt. Ich er-
Innere mich da eines Geſprächs mit einigen ſolcher Kameraden und Mädchen, die unſerer
Ortsgruppe kurz vorher beigetreten waren. Im Verlauf unſeres Meinungsaustauſchs kamen
wir auch darauf zu ſprechen, daß nach wenigen Wochen ein Teil der neugewonnenen Mit-
pſieder unſeren Veranſtaltungen ferngeblieben ſei. Die jungen Genoſſen machten mich nun
darauf aufmerkſam: durch die beſonderen Freundſchaftsgruppen, die bei uns exiſtierten, ſeien
mance Neulinge vernachläſſigt worden und hätten ſich aus dieſem Grunde, um nicht ver-
einjamt inmitten der übrigen Geſellſchaft dazuſtehen, zurü&gezogen.
Dieſer Grund ſpielt ohne Zweifel in der bedauerlichen Erſcheinung eine wichtige Rolle,
In allererſter Linie müſſen wir darum dafür ſorgen, bei den neu zu uns kommenden Mit»
gliedern niemals das Gefühl der Vereinſamung aufkommen zu laſſen. Anfänglich iſt bei
ihnen eine gewiſſe Schüchternheit zu überwinden. Das haben wir doch ziemlich alle am
eigenen Leibe verſpürt. Es wird uns darum gewiß nicht ſchwer fallen, uns unſere damaligen
Lmapfindungen in die Erinnerung zurückzurufen, als wir die erſte Vereinsverſammlung He»
juchten und die Aelteren über alle möglichen, uns ganz ſremden Fragen reden und be-
Ichließen hörten. Weld) ſreudiger Stolz vurchzu>te uns aber, als ſich einer der „Großen“
zu uns ſeßte und mit uns plauderte, ohne ſich im geringſten merken zu laſſen, daß er vier
und fünf Jahre älter war als wir. Iſt es nicht das geweſen, was uns wiederkommen ließ?
Das Gefühl, als gleichwertig betrachtet zu werden?
Seht, hierauf kommt es nun an. Wenn wir es verſtehen, ein ſolches Geſühl in den
ganz Jungen zu erwecken, dann brauchen wir um die Zukunft nicht bange zu ſein. Mir fällt
da gerade eine ungeheuer dumme Redensart ein, die mir von einigen „Führern“ vollen
Ernſtes entgegengehalten wurde. „I< kann mich) als Achtzehn» oder Neunzcehnjühriger nicht
mit den vierzehnjährigen Kindern abgeben!“ Go etwas darf es nicht geben! Wir Aelteren
haben geradezu die Pflicht, uns der neuen, jüngeren Mitglieder in ganz beſonderem Maße
anzunehmen. Darüber hinaus ſollen das natürlich alle tun. Viele wiſſen das auch und
handeln dana<. Aber jeder einzelne muß ſich eifrig bemühen, und ſowie er einen neuen
Genoſſen oder eine neue Genoſſin alleinſtehen oder -ſizen ſieht, muß er ſich zu ihnen geſellen
und ſie zum „Mitmachen“ bewegen, ſei es zum Spiel im Freien, zum Volkstanz oder Zum
Wandern.
Ja, das Wandern! Dies iſt ein beſonderes Kapitel. Ueberall haben wir unſere Wander»
Gruppen, die ihre regelmäßigen Fahrten machen. Dieſe Wandergruppen können jetzt vor»
treffliche Dienſte leiſten. Aus ihren Reihen müſſen Führer geſtellt werden, die mit den
jüngeren Genoſſinnen und Genoſſen Wanderungen unternehmen. Nicht ſolche Fahrten, wie
ſie die Gruppen veranſtalten, denn dazu ſind dieſe neuen Mitglieder noch nicht genügend
vorbereitet, Nein, kleinere Spaziergänge, Halbtags- und Tagesfahrten, damit der Sinn für
u Ns.ur, die Luſt und Freude am Wandern und Schauen erſt einmal gewe>dt wird. Unſere
nüdels mülſen die jungen Genoſſinnen zu unſeren Volkstänzen heranziehen, damit ſie gleich
von vornherein merken, daß es Beſſeres und Schöneres gibt als vie modernen Tänze.
Geid ihnen gute Kameradinnen und zeigt, wie man, ohne Geſahren für Körper und Geijt,
ſich wahre Lebensfreude ſchafft! Wenn wir ſo alle die Zuſammengehörigkeit unter ſämtlichen
Mitgliedern, den jüngeren und den älteren, pflegen, dann werden nicht nur die, die jetzt zu
uns fommen, bei uns bleiben und tüchtig mitarbeiten, ſondern ſie werden auch ſelbſt für die
Bewegung werben und in ihren Kreiſen neue Mitglieder für uns gewinnen,