Full text: Arbeiter-Jugend - 14.1922 (14)

Arbeiter-Zugend 
von vielen rotew Wimpeln und Fahnen Über» 
flattert, begeiſterte Kampflieder ſingend, durch 
. die Straßen von Neugersdorf. 
In den erſten Nachmittagsſtunden zog man 
Hinaus in die vom Winterſchlaf erwachende 
Natur. Bald bot der grüne Anger am 
Waldesrand angeſichts der vielen, von den 
goldenen Sonnenſtrahlen umſpielten Mädchen 
/ Gummifknüppel gegen Arbeiterjugend, 
Unter dieſer Ueberſchrift berichtet die 
„Dresdener Volkszeitung" über eine uner- 
vörte Provokation, die ſich die Bolizei gegen 
ie von ihrer Jugendſchutzkundgebung am 
2. April heimziehenden Dresdener Arbeiter- 
jugend herausnahm: Unſer Batrteiblaott 
Ichreibt in ſeiner Nummer vom 3. April: 
„Rach Schluß der Verſammlung zogen ein» 
gelne zuſammengehörige Trupps der Teil- 
nehmer gemeinſam ab. Demonſtrationen 
waren nicht geplant und wurden, ſoviel wir 
wiſſen, auch nicht verſucht, wenn man nicht 
einen Geena nac Hauſe ziehenden Trupp 
IUgenödlicher ſchon als „Demonſtrationszug“ an- 
jehen will. Troßzdem iſt es da und dort zu 
eibereien zwiſchen Polizei und 
Jugend gekommen. Und zwar kam es 
dazu durch die Schuld der Polizei. Das 
iſt in beſtimmten Fällen einwandfrei feſt- 
geſtellt. Ein kleiner Trupp Jugendlicher aus 
er Neuſtadt wollte über die Friedrich-Auguſt- 
Brücke nach Hauſe marſchieren. Als er von 
der Oſtraallee nach dem Taſchenberg zu ein» 
vog, ſtürzten Scharen von Schußleuten auf 
die ſofort umfehrenden Iugendlichen los und 
prügelfen ohne weiteres mit Gummiknüppeln 
aaf jie ein. Die Namen einer ganzen Anzahl 
Geſchlagener ſind feſtgeſtellt. Sie haben der 
Polizei nicht den geringſten Anlaß 
zum Losſchlagen gegeben. Schlagende Poli- 
ziſten, die ſofort von beſonnenen Führern 
zur Rede geſtellt wurden, weigerten ſich, ihren 
Namen „zu nennen. Aehnliche Vorgänge 
haben ſich am Dippoldiswaldaer Platz und 
am Altmarkt abgeſpielt. Auch dort ſchlugen 
die Schutzleute ohne Grund auf die Jugend- 
lichen ein. Natürlich rief das Vorgehen der 
Schußleute große Erregung: hervor. Noch 
lange nach dieſen Vorgängen hielten dichte 
SEdhuaßkmannsfetten die Grenze des ſogenann 
ten „Bannkreiſes“" beſe3zt, obwohl ihn nie- 
mand bedrohte. Wozu man überhaupt dieſes 
ſtarke Polizeiaufgebot aufmarſchieren ließ, 
das bleibt ein Geheimnis derer, die es an- 
ordneten. Es iſt das ſoundſovielſte Mal, daß 
die Arbeiterjugend die polizeilichen 
Gummiknüppel der Polizei zu fühlen bes 
kommt, ohne daß ſie dazu einen anderen An» 
laß bietet, als nur ihr Daſein. Das macht 
"ZBom Kriegsſrhauplatz 
455 
Alb füu 
in ihren bunten Dirndelkleidern ſowie der 
Burſchen in den braunen, gelben, grünen 
und blauen Wanderkitteln ein farbenfreudiges, 
bewegtes Bild. Allzu raſch brach die Dam- 
merung, an den Heimweg mahnend, an. 
Gruppe für Gruppe zogen ſie nach herzlichem 
Abſchiet und mit Dank an ihre Gaſtgeber 
ihren Heimatsorten zu. 
(9 
faſt den Eindru> eines planmäßigen 
Syſtems.“ 
Die „Dresdener Volkszeitung“ ſchreibt 
dann weiter: 
„Will man ein Gegenbeiſpiel? Die Polizei 
bietet es ſelbſt. Am Sonnabend zogen die 
Teilnehmer der deutſchnationalen 
Bismark>feier im Vereinshaus, verſtärkt 
durch die Beſucher einer Veranſtaltung des 
Verbandes nationalgeſinnter 
Soldaten im Künſtlerhaus, mit Fackeln 
und ſc<warzweißroten Fahnen unter dem 
Geſange des Liedes „Siegreich woll'n wir 
Zrankreich ſchlagen“ und unter den Ruſen: 
„Wieder mit Frankreich!“ durch die Stadt nach 
der Bismarc>ſäule. Und die Polizei? Sie 
ſtand dabei und ſah ſich dieſen Aufzug an. 
Und nichts geſchah, um den <auviniſtiſchen 
Vebermut dieſer deutſchnationalen Demon- 
ſtranten zu dämpfen. Wir verlangen nicht, 
daß die Schußzleute Demonſtranten dieſer Art 
auseinander prügeln, aber wir verlangen, 
daß die PBolizei mindeſtens die gleiche Duld»- 
ſamkeit übt, wenn Arbeiterjugend von einer 
Verſammlung friedlich nach Hauſe zieht. Und 
es wird höchſte Zeit, daß Miniſter Lipinſki 
den Bolizeibehörden das Gefühl für das er» 
forderliche gleiche Maß beibringt.“ 
In den folgenden Nummern teilt dann die 
„Bolkszeitung“ noch weitere Einzelheiten von 
dieſer Aſfäre mit, die ihre Anſicht beſtätigte, 
daß „einzig und allein die Maßnahmen der 
Polizeibehörde und das Verhalten der einge» 
ſetzten Schußleute die Zuſammenſtöße herbei- 
geführt haben“. Schließlich faßt ſie das 
Ergebnis ihrer Ermittlungen in folgenden 
Feſtſtellungen zuſammen: 
„Auf dem Altmarkt wurde ein Iugendlicher 
von einem Schuhmann mit dem Shlag- 
ring geſ<lagen. 
Auf dem Poſtplatz ſlug ein Shußmann 
auf einen Jugendlichen mit dem Gummi- 
fknüppel ein. 
Cin drikker Iugendlicher wurde von einem 
Shußmann mit einem harten Gegenſtand, 
vermutlich mik einem Schlagring, ſo 
geſchlagen, daß ihm der Arm für den Augen- 
blis gelähmi war, 
Ein vierter Zeuge hak genau beobachtet, 
daß ein Zugendlicer auf der Schloßſtraße 
j
	        
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