Arbeiter-Zugend
von vielen rotew Wimpeln und Fahnen Über»
flattert, begeiſterte Kampflieder ſingend, durch
. die Straßen von Neugersdorf.
In den erſten Nachmittagsſtunden zog man
Hinaus in die vom Winterſchlaf erwachende
Natur. Bald bot der grüne Anger am
Waldesrand angeſichts der vielen, von den
goldenen Sonnenſtrahlen umſpielten Mädchen
/ Gummifknüppel gegen Arbeiterjugend,
Unter dieſer Ueberſchrift berichtet die
„Dresdener Volkszeitung" über eine uner-
vörte Provokation, die ſich die Bolizei gegen
ie von ihrer Jugendſchutzkundgebung am
2. April heimziehenden Dresdener Arbeiter-
jugend herausnahm: Unſer Batrteiblaott
Ichreibt in ſeiner Nummer vom 3. April:
„Rach Schluß der Verſammlung zogen ein»
gelne zuſammengehörige Trupps der Teil-
nehmer gemeinſam ab. Demonſtrationen
waren nicht geplant und wurden, ſoviel wir
wiſſen, auch nicht verſucht, wenn man nicht
einen Geena nac Hauſe ziehenden Trupp
IUgenödlicher ſchon als „Demonſtrationszug“ an-
jehen will. Troßzdem iſt es da und dort zu
eibereien zwiſchen Polizei und
Jugend gekommen. Und zwar kam es
dazu durch die Schuld der Polizei. Das
iſt in beſtimmten Fällen einwandfrei feſt-
geſtellt. Ein kleiner Trupp Jugendlicher aus
er Neuſtadt wollte über die Friedrich-Auguſt-
Brücke nach Hauſe marſchieren. Als er von
der Oſtraallee nach dem Taſchenberg zu ein»
vog, ſtürzten Scharen von Schußleuten auf
die ſofort umfehrenden Iugendlichen los und
prügelfen ohne weiteres mit Gummiknüppeln
aaf jie ein. Die Namen einer ganzen Anzahl
Geſchlagener ſind feſtgeſtellt. Sie haben der
Polizei nicht den geringſten Anlaß
zum Losſchlagen gegeben. Schlagende Poli-
ziſten, die ſofort von beſonnenen Führern
zur Rede geſtellt wurden, weigerten ſich, ihren
Namen „zu nennen. Aehnliche Vorgänge
haben ſich am Dippoldiswaldaer Platz und
am Altmarkt abgeſpielt. Auch dort ſchlugen
die Schutzleute ohne Grund auf die Jugend-
lichen ein. Natürlich rief das Vorgehen der
Schußleute große Erregung: hervor. Noch
lange nach dieſen Vorgängen hielten dichte
SEdhuaßkmannsfetten die Grenze des ſogenann
ten „Bannkreiſes“" beſe3zt, obwohl ihn nie-
mand bedrohte. Wozu man überhaupt dieſes
ſtarke Polizeiaufgebot aufmarſchieren ließ,
das bleibt ein Geheimnis derer, die es an-
ordneten. Es iſt das ſoundſovielſte Mal, daß
die Arbeiterjugend die polizeilichen
Gummiknüppel der Polizei zu fühlen bes
kommt, ohne daß ſie dazu einen anderen An»
laß bietet, als nur ihr Daſein. Das macht
"ZBom Kriegsſrhauplatz
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Alb füu
in ihren bunten Dirndelkleidern ſowie der
Burſchen in den braunen, gelben, grünen
und blauen Wanderkitteln ein farbenfreudiges,
bewegtes Bild. Allzu raſch brach die Dam-
merung, an den Heimweg mahnend, an.
Gruppe für Gruppe zogen ſie nach herzlichem
Abſchiet und mit Dank an ihre Gaſtgeber
ihren Heimatsorten zu.
(9
faſt den Eindru> eines planmäßigen
Syſtems.“
Die „Dresdener Volkszeitung“ ſchreibt
dann weiter:
„Will man ein Gegenbeiſpiel? Die Polizei
bietet es ſelbſt. Am Sonnabend zogen die
Teilnehmer der deutſchnationalen
Bismark>feier im Vereinshaus, verſtärkt
durch die Beſucher einer Veranſtaltung des
Verbandes nationalgeſinnter
Soldaten im Künſtlerhaus, mit Fackeln
und ſc<warzweißroten Fahnen unter dem
Geſange des Liedes „Siegreich woll'n wir
Zrankreich ſchlagen“ und unter den Ruſen:
„Wieder mit Frankreich!“ durch die Stadt nach
der Bismarc>ſäule. Und die Polizei? Sie
ſtand dabei und ſah ſich dieſen Aufzug an.
Und nichts geſchah, um den <auviniſtiſchen
Vebermut dieſer deutſchnationalen Demon-
ſtranten zu dämpfen. Wir verlangen nicht,
daß die Schußzleute Demonſtranten dieſer Art
auseinander prügeln, aber wir verlangen,
daß die PBolizei mindeſtens die gleiche Duld»-
ſamkeit übt, wenn Arbeiterjugend von einer
Verſammlung friedlich nach Hauſe zieht. Und
es wird höchſte Zeit, daß Miniſter Lipinſki
den Bolizeibehörden das Gefühl für das er»
forderliche gleiche Maß beibringt.“
In den folgenden Nummern teilt dann die
„Bolkszeitung“ noch weitere Einzelheiten von
dieſer Aſfäre mit, die ihre Anſicht beſtätigte,
daß „einzig und allein die Maßnahmen der
Polizeibehörde und das Verhalten der einge»
ſetzten Schußleute die Zuſammenſtöße herbei-
geführt haben“. Schließlich faßt ſie das
Ergebnis ihrer Ermittlungen in folgenden
Feſtſtellungen zuſammen:
„Auf dem Altmarkt wurde ein Iugendlicher
von einem Schuhmann mit dem Shlag-
ring geſ<lagen.
Auf dem Poſtplatz ſlug ein Shußmann
auf einen Jugendlichen mit dem Gummi-
fknüppel ein.
Cin drikker Iugendlicher wurde von einem
Shußmann mit einem harten Gegenſtand,
vermutlich mik einem Schlagring, ſo
geſchlagen, daß ihm der Arm für den Augen-
blis gelähmi war,
Ein vierter Zeuge hak genau beobachtet,
daß ein Zugendlicer auf der Schloßſtraße
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