Arbeiter-Jugend 181
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Körperpiſlege und Reformkleidung.
Von Greke Broſterhuis, Hamburg. |
& * ehr oft kann man den Wunſch, daß über vorſtehendes Thema geſprochen werden ſoll,
22 in den einzelnen Jugendvereinen hören. Die Arbeiterjungen und -mädel haben erkannt,
470 daß der menſchliche Körper etwas Schönes iſt, ſie haben ſich von der alten Moral»
auffaſſung losgeſogt und Wege geſucht, die ihnen helfen könnten, eine Körperpflege zu be
treiben, die ihren Verhältniſſen und ihrer Zeit entſpricht.
„In einem gewiſſen Rahmen betreiben wohl die meiſten Menſchen Körperpflege, nur weil
ſie ſo ſelbſtverſtändlich erſcheint, bezeichnen wir ſie nicht als ſolc<e. Ich meine damit das
tögliche Waſchen, Kämmen, Zähnebürſten uſw. Troßdem kann man oft feſtſtellen, daß dieſer
täglichen allgemeinen Körperpflege nicht die genügende Bedeutung beigelegt wird. Nicht ſelten
hat das unreinen Teint, ſchlechte Zähne, unſchönes Haar uſw. zur Folge. Das Grundprinzip
muß hier heißen: peinlichſte Sauberkeit. , -
Die falſche Moralauffaſſung hat viel dazu beigetragen, daß man ſich damit begnügt,
morgens Hals, Geſicht und die Arme zu waſchen. Bei einigem Nachdenken wird es uns aber
ſofort klar werden, daß die anderen Körperteile ebenſoſehr, wenn nicht in noch höherem
Maße, reinigungsbedürftig ſind als gerade die genannten, die man doch ohnehin ſchon mehrere
Male den Tag über wäſcht. Auch unter die Kleider dringt der Staub, und ganz beſonders
die Füße und Beine werden hiervon betroffen. Die beſte Löſung der Reinlichkeitsfrage
iſt alſo die tägliche Ganzwaſchung, Vielfach wird ja behauptet, daß der ganze Körper nicht.
jeden Tag mit Seife gewaſchen werden dürfe, weil dieſe ihm zu viel Fett entziehe. Die
Geife iſt ja auch jedesmal gar nicht nötig, eine Duſche oder Abreibung erfüllt vollkommen
den Zwe, daß die Poren ſich nicht verſtopfen und ſo das Schwißen verhindert wird, das
für den Körper ſo außerordentlich wichtig iſt. Nun wird mancher kommen und ſägen, „bei
mir zu Hauſe iſt es nicht angebracht“ oder „bei uns iſt es zu eng“ uſw. Es gibt ja tat-
jächlich in unſeren Kreiſen genug Fälle, wo die Wohnungsverhältniſſe und die Auffaſſung
der Eltern eine ſolche tägliche Ganzwaſchung nicht zulaſſen. Aber viele von uns könnten
es mit einigem guten Willen doch möglich machen, und die ſollten es dann auch tun. |
Da wir oft durch unſere Beſchäftigung gezwungen ſind, den ganzen Tag nur beſtimmte
Gliedmaßen zu gebrauchen, ſo müſſen wir danach ſtreben, dem Körper einen Ausgleich dafür
zu ſchafſen. Freiübungen in friſcher Luft (vor dem offenen Fenſter) erfüllen dieſen Zwetk.
Müller gibt in ſeinen Büchern „Mein Syſtem“ und „Na>t“ ſehr gute Anregungen. Freilich
iſt bei den Freiübungen Trainieren Bedingung; anfangs den Körper nicht überanſtrengen,
ſondern allmählich gewöhnen! Dasſelbe gilt auch für die Abhärtung, darum muß man im
Sommer mit den Ganzwaſchungen anfangen. Ungefähr 10 Minuten genügen, um dem Körper
täglich dieſe wirklich gute Pflege angedeihen zu laſſen. .
- Wir haben noch viele andere Mittel zur Förderung unſerer Körperpflege, ſo das
G<wimmen, Turnen, Tanzen und Wandern. Das Schwimmen iſt in erſter Linie zu
empfehlen, weil es den Körper in allen ſeinen Muskeln betätigt und darum harmoniſd)
wirkt. Zu langes Schwimmen iſt nicht geſund, weil es dem Körper zu viel Wärme entzieht.
Auch das Turnen an ſich iſt dem Körper gewiß dienlich, aber ſehr oft ſind die Turnhallen
ſtaubig und nicht beſonders luſtig. Beim Turnen wird dieſer Staub hochgewirbelt, und ſo
fann man meiner Anſicht nach wohl ſagen, daß der Nutzen durch den Nachteil, das Einatmen
des Gtaubes, aufgewogen wird. Weiter: Beim Turnen ſchwitzt man, die Poren ſetzen ſich
voll Gtaub, die wenigſten haben Gelegenheit, ſich nach dem Turnen noch zu baden, und nicht
ſelten vergehen mehrere Tage, ehe ein Bad genommen werden kann. Da muß man
doch unbedingt die Frage auſwerfen: „Fördert dieſes Turnen wirklich die Geſundheit?“
Anders iſt es ja mit dem Turnen, wie wir es in Hamburg z. B. in einem orthopädiſchen
Inſtitut pflegen können. Dort wird vor dem Turnen gebadet und nach dem Turnen
wieder. Das Turnen ſelbſt geſchieht im Badeanzug. Dieſe Art halte ich für geſund
und zwe>mäßig. Aehnlich verhält es ſich mit dem Canzen. Tanzen gibt Freude und
fann außerdem Körperpflege ſein, weil dadurch dem Körper ſeine natürliche Geſchmeidigkeit
erhalten bleibt. Aber auch das Tanzen erfüllt dieſen Zwe> nur, wenn es im Freien oder
in einem ſtaubfreien Zimmer geſchieht. Das Wandern halten wir wohl ſür das beſte Mittel
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