Full text: Arbeiter-Jugend - 14.1922 (14)

Arbeiter-Jugend 181 
2, 2 
Körperpiſlege und Reformkleidung. 
Von Greke Broſterhuis, Hamburg. | 
& * ehr oft kann man den Wunſch, daß über vorſtehendes Thema geſprochen werden ſoll, 
22 in den einzelnen Jugendvereinen hören. Die Arbeiterjungen und -mädel haben erkannt, 
470 daß der menſchliche Körper etwas Schönes iſt, ſie haben ſich von der alten Moral» 
auffaſſung losgeſogt und Wege geſucht, die ihnen helfen könnten, eine Körperpflege zu be 
treiben, die ihren Verhältniſſen und ihrer Zeit entſpricht. 
„In einem gewiſſen Rahmen betreiben wohl die meiſten Menſchen Körperpflege, nur weil 
ſie ſo ſelbſtverſtändlich erſcheint, bezeichnen wir ſie nicht als ſolc<e. Ich meine damit das 
tögliche Waſchen, Kämmen, Zähnebürſten uſw. Troßdem kann man oft feſtſtellen, daß dieſer 
täglichen allgemeinen Körperpflege nicht die genügende Bedeutung beigelegt wird. Nicht ſelten 
hat das unreinen Teint, ſchlechte Zähne, unſchönes Haar uſw. zur Folge. Das Grundprinzip 
muß hier heißen: peinlichſte Sauberkeit. , - 
Die falſche Moralauffaſſung hat viel dazu beigetragen, daß man ſich damit begnügt, 
morgens Hals, Geſicht und die Arme zu waſchen. Bei einigem Nachdenken wird es uns aber 
ſofort klar werden, daß die anderen Körperteile ebenſoſehr, wenn nicht in noch höherem 
Maße, reinigungsbedürftig ſind als gerade die genannten, die man doch ohnehin ſchon mehrere 
Male den Tag über wäſcht. Auch unter die Kleider dringt der Staub, und ganz beſonders 
die Füße und Beine werden hiervon betroffen. Die beſte Löſung der Reinlichkeitsfrage 
iſt alſo die tägliche Ganzwaſchung, Vielfach wird ja behauptet, daß der ganze Körper nicht. 
jeden Tag mit Seife gewaſchen werden dürfe, weil dieſe ihm zu viel Fett entziehe. Die 
Geife iſt ja auch jedesmal gar nicht nötig, eine Duſche oder Abreibung erfüllt vollkommen 
den Zwe, daß die Poren ſich nicht verſtopfen und ſo das Schwißen verhindert wird, das 
für den Körper ſo außerordentlich wichtig iſt. Nun wird mancher kommen und ſägen, „bei 
mir zu Hauſe iſt es nicht angebracht“ oder „bei uns iſt es zu eng“ uſw. Es gibt ja tat- 
jächlich in unſeren Kreiſen genug Fälle, wo die Wohnungsverhältniſſe und die Auffaſſung 
der Eltern eine ſolche tägliche Ganzwaſchung nicht zulaſſen. Aber viele von uns könnten 
es mit einigem guten Willen doch möglich machen, und die ſollten es dann auch tun. | 
Da wir oft durch unſere Beſchäftigung gezwungen ſind, den ganzen Tag nur beſtimmte 
Gliedmaßen zu gebrauchen, ſo müſſen wir danach ſtreben, dem Körper einen Ausgleich dafür 
zu ſchafſen. Freiübungen in friſcher Luft (vor dem offenen Fenſter) erfüllen dieſen Zwetk. 
Müller gibt in ſeinen Büchern „Mein Syſtem“ und „Na>t“ ſehr gute Anregungen. Freilich 
iſt bei den Freiübungen Trainieren Bedingung; anfangs den Körper nicht überanſtrengen, 
ſondern allmählich gewöhnen! Dasſelbe gilt auch für die Abhärtung, darum muß man im 
Sommer mit den Ganzwaſchungen anfangen. Ungefähr 10 Minuten genügen, um dem Körper 
täglich dieſe wirklich gute Pflege angedeihen zu laſſen. . 
- Wir haben noch viele andere Mittel zur Förderung unſerer Körperpflege, ſo das 
G<wimmen, Turnen, Tanzen und Wandern. Das Schwimmen iſt in erſter Linie zu 
empfehlen, weil es den Körper in allen ſeinen Muskeln betätigt und darum harmoniſd) 
wirkt. Zu langes Schwimmen iſt nicht geſund, weil es dem Körper zu viel Wärme entzieht. 
Auch das Turnen an ſich iſt dem Körper gewiß dienlich, aber ſehr oft ſind die Turnhallen 
ſtaubig und nicht beſonders luſtig. Beim Turnen wird dieſer Staub hochgewirbelt, und ſo 
fann man meiner Anſicht nach wohl ſagen, daß der Nutzen durch den Nachteil, das Einatmen 
des Gtaubes, aufgewogen wird. Weiter: Beim Turnen ſchwitzt man, die Poren ſetzen ſich 
voll Gtaub, die wenigſten haben Gelegenheit, ſich nach dem Turnen noch zu baden, und nicht 
ſelten vergehen mehrere Tage, ehe ein Bad genommen werden kann. Da muß man 
doch unbedingt die Frage auſwerfen: „Fördert dieſes Turnen wirklich die Geſundheit?“ 
Anders iſt es ja mit dem Turnen, wie wir es in Hamburg z. B. in einem orthopädiſchen 
Inſtitut pflegen können. Dort wird vor dem Turnen gebadet und nach dem Turnen 
wieder. Das Turnen ſelbſt geſchieht im Badeanzug. Dieſe Art halte ich für geſund 
und zwe>mäßig. Aehnlich verhält es ſich mit dem Canzen. Tanzen gibt Freude und 
fann außerdem Körperpflege ſein, weil dadurch dem Körper ſeine natürliche Geſchmeidigkeit 
erhalten bleibt. Aber auch das Tanzen erfüllt dieſen Zwe> nur, wenn es im Freien oder 
in einem ſtaubfreien Zimmer geſchieht. Das Wandern halten wir wohl ſür das beſte Mittel 
 
j
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.