Full text: Arbeiter-Jugend - 14.1922 (14)

292 Arbeiter-Jugend 
bewegung willkommen ſein. Wer jeßt noch abſeits ſteht, wer jetzt noch Zerſplitterung 
und Cigenbrötelei predigt, der begeht Berrat an unſerer gemeinſamen Sache! 
Wir legen niemand unter uns auf ein Programm feſt. Wir haben es nie 
getan und werden es auch in Zukunft nie tun. Was uns zuſammenſchließt, das iſt 
doch eben dies, daß wir -- um wieder mit den Worten des Nürnberger Manifeſtes 
zu reden =- uns ſehnen nach einer „neuen, von kapitaliſtiſcher Ausbeutung freien 
Wirtſchafts- und Geſellſchaftsordnung, die allen ihren Anteil am Genuß aller Kultur- 
güter gewährleiſtet". Von dieſer Sehnſucht wollen wir reden und von den Wegen, 
auf denen wir dieſes Ziel erreichen können. Von dieſer Sehnſucht ſoll unſere Arbeit, 
unſer Spiel, unſer Reden, unſer Handeln Zeugnis ablegen. 
Uns eint nicht die Ausſicht auf den unmittelbar bevorſtehenden Anbruch eines 
goldenen Zeitälters, nicht die Ausſicht auf einen nahen und leichten Erfolg, aber 
der ſtarke Glaube an den endlichen Erfolg. Wir wiſſen, daß unſere politiſche 
und wirtſchaftliche Not noc) wachſen wird, daß wir einer ſchweren Zeit entgegen- 
ſchreiten. Aber der Glaube an unſere Sache und der Wille zum Kampf für dieſe 
Sache, ſie, die die Sozialdemokratie groß gemacht haben, die die arbeitende Jugend 
Deutſchland zuſammengeſchweißt haben, ſie werden dieſer unſerer wieder 'geeinten 
Bewegung aud) ihre neue Schwungkraft verleihen. Darum iſt das Gebot der Stunde 
auch ſür die Arbeiterjugend: Einigkeit! Denn die Macht, die wir, Junge und Alte, 
im Kampf gegen die Not, im Kampf gegen Kapital und Reaktion in die Wagſchale 
Zu werfen haben, dieſe Macht ſteht und fällt Yeute mehr als je zuvor mit unſerer 
inigkeit. 
 
 
 
Gerhart Hauptmann und die Jugend. 
Zum 60. Geburtstag des Dichters (15. November). 
Von Konrad Haeniſc. 
mfg 5 it das Recht und es iſt das ſchönſte Vorrecht der Jugend, das, was ihr 
89 Herz erfüllt, ſich zu verkörpern in ſtarken Perſönlichkeiten. So iſt für jene 
Kr Kreiſe der bürgerlichen Jugend, die den alten Traum von Kaiſer und Reich 
immer nod) nicht ausgeträumt haben, Bismar>s alles Mittelmaß weit überragende 
Geſtalt auch) heute no<, oder vielmehr heute wieder Sinnbild all ihres Hoffens. 
So ſieht die Arbeiterjugend mit bewundernder Liebe auf zu Ferdinand Laſſalle, 
deſſen lodernde Seele weithin wärmte und zündete, bis ſie ſchließlich am eigenen 
Feuer verbrannte; ſo wird Auguſt Bebel, der weißhaarige Jüngling, deſſen Herz mit 
ſiebenzig Jahren ebenſo begeiſterungsfroh ſchlug wie mit zwanzig, in ſeiner friſchen 
Gläubigkeit für alle Zeit dem Herzen der arbeitenden Jugend lebendig bleiben. 
Und ſo gehen aud) die erſten Erwecker des jungen Proletariats ſelbſt, die Schöpfer 
unſerer erſten jungen Garden, immerdar der proletariſchen Jugend gleich leuchtenden 
Feuerſäulen voran: Ludwig Frank, der nicht für das alte Deutſchland der Aus» 
beutung und Knechtſchaft, ſondern für das heiß von ihm erſtrebte neue Deutſchland 
der Arbeit und der Freiheit als einer der erſten Kriegsfreiwilligen im September 1914 
ſein Leben ließ, nicht weniger als Karl Liebknecht und Roſa Luxemburg, dieſe, bei 
all ihrem Irren, großen und reinen Märtyrer der Arbeiterklaſſe. 
Und wie in der ſozialen Bewegung, ſo aud) in der Dichtkunſt. GStets wird ſid) 
die Zeit der Klaſſik für die Jugend vornehmlich verkörpern in der ſtrebend immer 
ſich bemühenden und ſo zu ſtets reineren und höheren Kreiſen aufſteigenden Geſtalt 
Friedrich Schillers. Die Dichtung der Märzrevolution wird ihr alle Zeit beſonders 
nahefommen in der prachtvollen Kämpferperſönlichkeit Ferdinand Freiligraths. Und 

	        
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