Full text: Arbeiter-Jugend - 14.1922 (14)

- Regelung der Lehrlingslöhne, 
Daß ſich bei einigem guten Willen eine 
halbwegs befriedigende Regelung der Lehr- 
lingsbezüge auch im Handwerk: ermöglichen 
läßt, zeigt das Beifmjel von Oldenburg. 
Dier „Kepublik“ in Rüſtringen berichtet: 
„In der lezten Vollſizung der Handwerks» 
fammer wurde eine Kommiſſion gebildet aus 
drei Mitgliedern der Handwerkskammer, drei 
Mitgliedern des Geſellenausſchuſſes und einem 
unparteiiſchen Vorſitenden. Dieſe Kommiſſion 
joll alßße zwei Monate zufammentreten, um 
zu prüfen, ob die beſtehenden Lohnſöätze exr- 
Hoht werden müſſen. Die Handwerkskammer 
hat die Angelegenheit in ihrem Bezirk ſo qe» 
regelt, als wenn ein Tarif zwiſchen Arbeit- 
gebern und Arbeitnehmern beſtände. Sofern 
ein Arbeitgeber niedrigere Lehrlingsentſchädi- 
gungen feſtſezt, wird er gerichtlich bes 
H 
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Wie unier Wilhelm. 
An die Verfolgungen, denen die Arbeiter« 
jugend in der Vorkriegszeit ausgeſeßi war, 
erinnert folgender Vorfall, der dem „Vor»- 
wärts“ unterm 18. November aus dem Ber» 
finer Vorort Stegliß berichtet wird: 
Die .Arbeizerjugend der Abteilung Steglitz 
hatte heute abend im Lyzeum I einen Eltern» 
abend veranſtaltet, der ſehr nett verlaufen iſt. 
Nach Schluß trat die Jugend zufammen und 
396 unter Abſingung unpolitiſcher Lieder ihres 
Weges. Am Rathaus Steglitz kam ein Schupo»- 
beainier und verboi das Singen. Der Vor» 
ſizende der Arbeiterjugend, Hellmut Krüger, 
wandte ein, daß ſie ruhig und anſtändig ihres 
Weges gehen und ſingen könnten; er wies 
aber fofort die Arbeiterjugend an, das Singen 
einzuſtellen. Trotzdem verhaftete der Voliziſt 
ven Vorſißenden der Arbeiterjugend. Der 
erſte Vorſidende der Abteilung ging mit, 
ebenſo die Geneſſin Frau Staatsſekretär 
Gdezulz- Während die beiden im Bolizeilokäl 
waren, drängte die Arbeiterjugend auf der 
Gtraße nach. 
Der verhaftende Poliziſt erſchien baraufhin 
aus dem Wachlokal auf der Straße, um die 
Jugendlichen zurüzutreiben. Die Jugend rief 
ihm zu, er ſei ja nicht im Dienſt, da er ſa 
nicht umgeſcqnallt hätte. Der Beamte kehrte 
varauf ins Wachlokal zurüf und kam mit 
feinem Seitengewebe wieder, mit dem er die 
Jugendlichen bedeohte. Zwei Mitglieder der 
Arbeiterjugend wurden bis zum Eingang 
- Gieſes Berichtes, 12 Uhr nachts, noch avf der 
Wache ſeſigehgiten. 
Wie in der Kornſchen Geſchichte der Ar» 
beiterjugendbewegung erzöhlt wird, zeichnete 
ſich unter den Widerſachern der Arbeiter» 
jugend vor dem Krieg der Amtsvorſteher und 
 
Arbeifer-Jugend 
'Zom Seriegsſchauplats 
319 
+ 
langt. Die Entſchädigungsfäße für Lehr- 
Unge betragen nod dieſen Beſtimmungen bis 
zum 1. Dezember d. J.: im erſten Lehrjahre 
40 Mk., im zweiten 60 Mk., im dritten 80 Mk. 
- und im vierten Lehrjahre 100 Mk. wöchent» 
lich. Vom 1. Dezember ab gelten vie vier» 
fachen Beträuge, nämlich im erſten Lehr» 
jahre 160 Mk., im zweiten 240 Mk., im dritten 
8320 Mk. und im vierten Lehrjahre 400 Mk. 
Es iſt zwar auch nicht viel, was hier an 
Entſchädigung vorgeſehen iſt, aber es iſt doc) 
mehr, als vielfach in Großſtädten noh ae» 
zahlt wird, wo für Fahrgelder beträchtliche 
Aufwendungen zu machen find, die in Olden- 
burg nicht notwendig find. Man ſieht hier 
wenigſtens den Willen, ein? gewiſſe Ordnung 
zu ſchaffen, anftatt es dem Gutdünken des 
einzelnen Lehrlingshaltern auheimzuſtellen, 
zu geben, was er für genug hält. 
(7 
Dorſſchulze Buhrow in Steglik aus. Auch 
heute noch ſcheinen, wie Figura zeigt, die 
Traditionen aus jenen glorreichen Tagen in 
Steglitz nachzuwirken. 
Sie vegreifen's no< niht! 
Der Nrvbeiterjugendverein Lüthorſt im 
Bezirk? Hannover hai eine kurze Zeit eitien 
Raum der dortigen Schule als Jugendheim 
benutzen dürfen. Ießt bat ihm der Schul» 
vorſtand bie Benutzung dieſes Raumes unter» 
ſagt mit der Begründung, die Arbeiterjugend- 
bewegung ſei «ins politiſche Organiſation. 
on Moringen im Solling weigert may 
ſich ſchon zwei Jahre, die Arbeiterjugend» 
gruppe in den Zugendyſlegeausſchuß auſzu» 
nehmen. Gie iſt infolgedeſſen gezwungen, 
ein Gaſtiwirtslo?al als Jugendheim zu be- 
nußen. Ruch hier wird vom Leiter des It» 
genbpflegeausſchuſſes, einem Paſtor, der 
Grund vorgeſchaben, die Arbeiterjugend» 
organiſation ſei politiſch. --+ 
Ganz abgeſehen buvon, daß eine ihre Mit» 
glieder zur fozialiſtiſchen Weltanſchauung er» 
ziehende Jugendorganiſation nod) lange nicht 
vom Standpunkt der Tagespolitik aus po» 
ttiſc) zu ſein braucht, gibt eine „Politiſch- 
erflärung“ heute niemand mehr ein Recht, 
die Arbeiterjugendbewegung zu ſchikanieren. 
Wir raten dem Herrn Schulvorſtand in Lüt» 
horſt ſowie dem Herrn Iugendpflegepaſtor in 
Moringen dringend, einmal den Miniſterial» 
erlaß vom 17. Dezember 1918 und den Erlaß 
des preußijHhen Miniſters Stegerwald vom 
22. Rovembex 1919 zu ſtudieren. Vielleicht 
wird dann am Horizont ihres Geiſtes die Ein» 
ſit dämmern, daß die arbeitende Jugend 
beute genau dasfelibe Recht zur Organiſation 
hat wie die bürgerliche Jugend. 
 
Kad
	        
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