80 Urbeiter-Jugend
das ſie ſich gewidelt, ho>t ſie da, aus dem
runzligen Geſicht bliäten ihre trüben, blaß»
blauen Augen ſtumpf und teilnahmlos in das
Getriebe, und ihre ſteifen, gekrümmten
Hände erzählen von einem harten, arbeits-
reichen Leben.
An ihr vorüber eilen die Menſchen ins
Kino. Meiſt junges Volk. Hochauf-
geſchoſſene ſchlenferige Jungen und Mädchen
mit eleganten Hüten und Stödel-
Ichuhen. Sie leidet keine Not, dieſe
Jugend. Mit der Teuerung erhöhen ſic)
ihre Löhne in Bureau und Fabrik»
jaal. Sie kennt die ſtrenge Zucht früherer
Thlichter Zeiten nicht. In dieſem wirren,
ungeſunden Zeitalter, das alles auf den
Kopf ſtellt, das Unterſte zu oberſt kehrt, hier
kraſſen Luxus, dort Hunger und Not gebiert,
tanzt und tollt ſie durc<s Daſein, ſchwelgt in
jündhaſt teuren Näſchereien, raucht auslän»
Diſche Zigaretten und füllt abends die Tanz»
lokale und Kinos. . . .
„Feinem, keiner fällt es ein, das fürs Ver»
gnügen beſtimmte Geld in die Hand der
grmen Frau zu legen. . . “ =-
Go leſen wir in Der deutſc<hnationalen
„Deutſchen Zeitung“. Rührend iſt es,
daß die „Deutſche Zeitung“ ein Herz ſür die
armen Frauen, Greiſe und Kriegskrüppel
Hat, die „vor den Türen um ein Stü> Brot
betteln“. Die Arbeiterjugend aber mit ele»
ganten Hüten tänzelt auf Stöckelſchuhen an
ihnen vorüber. Gewiß, das tun wir, und ſo
jehen wir aus!
Fünfzig Mark für ein Lied,
In Wulferſtedt hat ſich ein nettes Gö»
ſchichten ereignet, Die Arbeiterjugend hatte
jich zuſanimengefunden und hat (ſo iſt es ja
Brauch) dabei auch geſungen. Vor allem
klangen Kampfeslieder: „Dem Morgenrot
entgegen.“ Da waren nun aud) gndere
Leute dabei, die das Singen hörten, und die
nicht gerade auf unſerer Seite ſtehen.
Cin Herr V. war ſicher ein beſonderer
Liederfreund. Er bot uns für unſer Singen
Geld an. Eine Mark wollte er jedem geben
Das war doch ein bißchen zu komiſch: für
Geld ſollten wir ſingen! Den Gefallen taten
wir dem Herrn V. nicht.
Da kriegt er plößlich einen anderen Ein»
fall. „So ſingt doc<h einmal „Deutſchland,
Deutſchland über ailes“, da geb ic) euch
50 Mark dafür.“ Und das ſagte er mit einem
liſtigen Lächeln. Ach, ging da ein Gelächter
los. Der aute Mann wollte uns wohl durch
ſeinen Geldſchein dazu bringen, das „Deutſch»
land“ zu lobſingen? Dabei hätten wir uns
mächtig lächerlich gemacht, weil wir vorher
„Die junge Garde des Proletariats“ geſungen
hatten. Wie kann der Herr V. glauben,
daß wir uns ein Lied abkaufen laſſen! „Avuſ,
Gozgialiſten, ſchließt die Reihen“, mußten ſeine
deutſchnationalen Ohren als Dank für ſolch
edle Freigebigkeit dann hören. Gleich dar»
auf war ver Herr V, verſchwunden. =-
Aus vem Magdeburger „JIugend-Cho*, dem
Monatsblait der Arbeiterjugendvereine des Boo
zir?s Mittelelbe.
In der „Metallarbeiter-Jugend“ leſen wir:
Wir haben nicht nur einmal nachgewieſen,
daß die Handwer?ksmeiſter alle möglichen
Kniffe anwenden, um die achtſtündige Ar»
beitszeit zu umgehen. Beſonders die Lehr»
linge ſind die Objekte ihrer Ausbeutung.
Jeßt hat ſich einmal ein Gericht damit be-
Ichäftigen müſſen, ob der Lehrling die Auf-
räumungsarbeiten in der Werkſtatt während
der achtſtündigen Arbeitszeit oder danach
verrichten muß. Hören wir den Tatbeſtand:
Ein Handwerksmeiſter in Roſto> hatte
einen Gtrafbefehl erhalten, weil er ſeine
Werkſtätte nach Ablauf der achtſtündigen Ar-
beitszeit durd) den Lehrling hatte aufräumen
laſſen. Der Meiſter beantragte gegen vieſen
Etrafbeſehl gerichtliche Ent'goidung, mit dem
Erfolg, daß er vom Amtsgericht freige»
ſprochen wurde. Der Meiſter hatte zu ſeiner
Verteidigung geltend gemacht, daß er ſich
nicht nur in gutem Glauben befunden habe,
ſondern daß auch Innung und Handwerks-
kammer auf demſelben Gtandpunkt ſtänden
wie er, daß beide Handwerksvertretungen der
Anſicht ſeien, die Aufräumung der Werkſtätte
müſſe noch: Ablauf ver achtſtündigen Arbeits»
zeit vor ſich gehen, um den Gehilfen am
nächſten Tage wieder Gelegenheit zu geben,
ihre Arbeitstätigkeit fortzuſezen. Cine Auf»
räumung der Werkſtätte innerhalb der acht»
ſtündigen Arbeitszeit hindere Meiſter und
Gehilfen an der ordnungsmößigen Erledi-
gung ihrer Obliegenheiten.
Gegen das erſtinſtanzliche Urteil legte die
Etaatsanwaltſchaft Berufung ein und machte
geltend, daß das Urteil der erſten Inſtanz
von irrigen Vorausſezungen und Anſchau-
ungen ausagehe. Es ſei nicht Sache des Ges
richts, nachzuprüfen, o99 es proktiſc) und
empfehlenswert ſei oder im Intereſſe des
Hanvwerks liege, die Werkſtätte nach Ablauf
der achtſtündigen Arbeitszeit durd die Lehr-
linge aufräumen zu laſſen. Auch komme
nicht in Frage, ob im Lehrvertrag eine der-
artige Verpflichtung für die Lehrlinge aus5e-
vrüclich feitgelegt ſei. Maßgebend allein ſel
die Berordnung über vie ahlſtündige Arbeits-