Full text: Arbeiter-Jugend - 14.1922 (14)

63 Arbeiter-Jugend 
 
Dieſe Darlegungen beſtätigen in glänzender Weiſe die Richtigkeit - unſerer Er» 
ziehungsarbeit, und wenn dieſe Erkenntnis bereits in weiteren Kreiſen der Prole- 
tarierjugend Plaßz gegriffen haben ſollte, dann wäre nur noch zu fordern, daß man 
ſich auch öffentlich zu ihr bekennt. Man ſollte es tun, aud) auf die Gefahr hin, von 
den Kommuniſten angerempelt zu werden oder damit die Trennungslinie zwiſchen 
den beiden ſozialiſtiſchen Organiſationen zu verwiſchen. 
So liegen alſo im Augenblick die Dinge. Der Einigung ſteht zunächſt im Wege 
das beiderſeits notwendige, organiſatoriſche und ideelle Verhältnis zu den Parteien, 
und dieſes Hindernis wird ſolange beſtehen, als nicht die Parteien zu einer Ver» 
ſtändigung gelangen. Dann aber exiſtieren =- und das erſcheint uns noch wichtiger -- 
auch noc grundſäßliche Differenzen in der Auffaſſung über Methode und. Inhalt 
der ſozialiſtiſchen Jugenderziehung. Die Frage: Diktatur des Proletariats oder 
demokratiſche Republik iſt nicht nur eine Frage der Parteitaktik, ſondern eine An- 
gelegenheit, die die Art der Erziehung in der Gegenwart entſcheidend beeinflußt, 
weil wir damit rechnen müſſen, daß die jetzige Generation der Jugend noch nicht 
in das ſozialiſtiſche Reich einziehen, ſondern bitter hart um die Vorbedingungen des 
Endſieges zu kämpfen haben wird. Unſere Erziehungsarbeit muß der Jugend für 
dieſen Kampf die Waſſen liefern, und es kann wohl niemand leugnen, daß die Waffen 
dem Kampf angepaßt ſein müſſen, und daß es ein Unterſchied iſt, ob man demotkra» 
tiſche Sozialiſten oder Verfechter des Diktaturgedankens erziehen will, Am leichteſten 
ließ ſich ſicher eine Verſtändigung über die beſte Methode der Erziehung herbeiführen, 
da ſich hier, wie die Ausführungen des Genoſſen Hackma> zeigen, die Anſichten be- 
deutend genähert haben. 
Wir wirken für die Einigung im Augenblick am beſten, wenn wir eine Zus 
ſammenarbeit fördern, die getragen wird von der Achtung vor der beiderſeitigen 
Arbeit und von der ehrlichen Einſicht, daß jede der beiden Gruppen mit der Kraft 
einer beſtimmten UVeberzeugung das Beſte für die arbeitende Jugend und für die 
Gache des SozialisSmus zu leiſten gewillt iſt. 
 
Zwei Märze, 
Von Richard Lohmann. 
andeln und Tun des Menſchen ſteht mehr, als er es gewöhnlich ahnt, im 
B Zuſammenhang mit dem Geſchehen in der Natur. In jedem Frühling, wenn 
8 jich die Welt aus den Feſſeln des Winters zu neuem Leben befreit, erwacht 
auch ihm die Sehnſucht nach Freiheit und Lebensglü> neu. Wenn draußen in 
der Natur geheimnisvolle Kräſte, die aus der Tiefe und dem Innern empordrängen, 
die umſchließenden Hüllen ſprengen, pulſt auch ihm das Blut unruhvoller durch 
die Adern, weitet ſich auch ihm die Bruſt in der Hoffnung auf eine ſchönere Zeit 
freien Menſchenglüdes. Es iſt kein Zufall, daß ſo viele revolutionäre Bewegungen 
in der Weltgeſchichte im Frühling beginnen; es iſt kein Zufall, daß der März der 
Erinnerungsmonat der beiden bedeutſamſten Revolutionen des verfloſſenen Jahr» 
hunderts itt. 
Handeln und Tun des Menſchen ſteht aber guch im engſten Zuſammenhang 
mit den geſchichtlichen Verhäliniſſen, in die hinein er geboren wird, mit den geſell» 
Ichaftlichen Mächten, die ihn umgeben. Nur wenn die Tat des einzelnen die Frucht 
der geſchichtlichen Entwieklung iſt, wenn ſie den Reifegrad der Entwieklung richtig 
beurteilt, hat ſie Ausſicht auſ Dauer und Beſtand. Es iſt kein Zufall, daß die beiden 
bedeutſamſten Revolutionen des verfloſſenen Jahrhunderts, deren Gedenken wir 
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