Full text: Arbeiter-Jugend - 14.1922 (14)

Arbeiter-Jugend 5: 
 
Neue Tage. 
Wo kommt ihr her? Aus dunklem Grunde. 
Wo gebt ibr hin? In graue Nacht. 
Inzwiſchen aber ſchlägt die Stunde, 
Die euch gebiert zu Tat und Wacht. 
Mit Glut den Bimmel zu umfäumen, 
Crhebt ſein kühnes Flammenbaupt . 
Der Tag lebendig aus den Träumen, 
Zu künden, was er jubelnd glaubt: 
DemGeſternFluch! Es gab euch Schmerzen 
Und grabverſchworne finſtre Not; 
- Ich aber fülle eure Herzen 
Mit meiner Sonne goldnem Rot. 
Ich ſchreite über Trümmerſtätten 
Und über euer Golgatha; 
Ich leuchte mit der Fackel Klarheit 
Dem Haß ins ſtiere Angeſicht. 
An meinem Himmel loht die Wabrhbeit, 
Die allen Götzentrug zerbricht. 
Tch hebe an das Licht der Stunden 
Die Schmach der Wlenſchheit, grau und alt, 
Den Wahn, darin fie tief gebunden: 
Die tieriſch raſende Gewalt. 
Ich rüttle an dem ſtärkſten Riegel 
Der Knechtſchaft: blinder Toren Zwiſt, 
Und ruf: Erkenne dich im Spiegel, 
Der du dein eigner Sklave biſt! 
So will ich dich vom Geſtern trennen. 
Und finkt mein Sonnenauge zus, 
Soll noch ſein letztes Leuchten brennen: 
Th ſchmelze eure letzten Ketten, 
je Zeit erlöſt! . . . Die Zeit biit du. 
Cuch zu befreien bin ich da. Die Zeit er1ö Die Zeit bilt du 
€ Preczang, 
 
Wilhelm Liebknecht. 
Von Max Schütte. 
ZWD» enn wir heute ven Namen Liebknecht hören, denken wir in der Regel zuerſt 
57 5 9 an Karl Liebknecht und ſein trauriges Ende. Eine Zeitlang ſchien es ſchon, 
Arzt als ſolle darüber der Name ſeines Vaters vergeſſen oder doch zurü&gedrängt 
- werden. Aber in Wirklichkeit wird das niemals geſchehen. Wilhelm Liebknecht, der 
alte Soldat der Revolution, hat zu große Verdienſte um die ſozialiſtiſche Arbeiter» 
bewegung, als daß wir ſeiner nicht dauernd gedenken ſollten, und ſo wollen wir uns 
auch heute mit ihm beſchäftigen. 
Das Heſſenland war die Heimat unſeres Helden. Einer angeſehenen Familie, 
die auch Martin Luther zu ihren Vorfahren zählte, entſtammte er und wurde am 
29. März 1826 in Gießen geboren. Früh verlor er die Eltern und verlebte eine 
ernſte Kindheit. Auf-dem Gymnaſium gehörte er zu den beſten Schülern. Auch regte 
ſic) in ihm zeitig die Begeiſterung für die Sache des Volkes und das Intereſſe für 
den Sozialismus, den er zuerſt in der Geſtalt des St. Simonismus kennenlernte. 
Das traurige Ende ſeines Verwandten, des Rektors Weidig, der wegen ſeiner politi- 
ichen Tätigkeit im Kerker grauenhaſt zu Tode gequält wurde, wirkte mächtig auf ihn 
ein. Go war er ſchon von revolutionären Ideen erfaßt, als er mit ſechzehn Jahren 
nach giänzendem Abgangsexamen die Schule verließ. Er bezog der Reihe nach 
die Univerſitäten Gießen, Berlin und Marburg und warf ſich mit Eifer auf das 
Gtudium der Philoſophie und verwandter Fächer, in der Hoffnung, als Univer- 
ſitätslehrer der akademiſchen Jugend dereinſt ein geiſtiger Führer zu ſein, war auch 
ein tapferer Burſchenſchafter und trat in den Reihen ſeiner Studienkameraden für 
die freiheitlichen Ideale ein. . 
Schwer laſtete damals die Reaktion auf dem geiſtigen und politiſchen Leben 

	        
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